Japanische Kunstgeschichte mal anders

von | 23.06.2017 | #litkinder, Filme, Filmtheater, Specials

In dem vor kurzem auf DVD erschienenen Anime „Miss Hokusai – Große Kunst im alten Japan“ wird die Welt des berühmten Künstlers Tetsuzo, der bis heute unter seinem gebräuchlichen Pseudonym Hokusai bekannt ist, geschildert. Die Protagonistin dieser Geschichte ist allerdings die Tochter des Künstlers, die O-Ei heißt und ebenfalls künstlerisches Talent besitzt. Geschichtenzeichnerin Celina hat diesen Kunstfilm bestaunt.

Edo, 1814

Im dichtbesiedelten Edo – das heutige Tokyo – lebt der etwas in die Jahre gekommene Maler, Zeichner und Holzschnittmeister Hokusai mit seiner Tochter und einem Malerkollegen in einem chaotischen, bescheidenen Wohnatelier. Die 23-jährige O-Ei, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, hilft ihrem Vater, malt unter anderem dessen Werke und setzt auch eigene Bilder um. Vielfach verdienen die beiden ihr Geld durch Auftragsarbeiten für reiche Leute. Weiterhin hat O-Ei eine kleine, blinde Schwester, die im Kloster lebt, wo besonders Kranke betreut werden. Diese besucht O-Ei häufig. Beeindruckend ist, wie im Anime die Zuwendung und Geschwisterliebe gefühlvoll dargestellt wird.
Ob Geisterhände, Bilder mit mystischen Wesen oder die Darstellung von Liebe – dies sind beispielsweise Themen, die Einzug halten in den Alltag der Charaktere und somit auch den Zuschauern eröffnet werden.

Besonderheiten des Animes

Zunächst sind in „Miss Hokusai“ die Szenenbilder atemberaubend. Die Zeit um 1814 wird lebendig für die Zuschauer, denn das Aussehen sowohl der Landschaft als auch der Architektur wie der Kleidungsstil sind der Edo-Zeit angepasst und entsprechend gestaltet. Auffällig ist ebenfalls der wahnsinnig niedlich aussehende Hund, welcher – so scheint es – einzig für die Verdeutlichung von Gestik wie Mimik von einzelnen Charakteren inszeniert wurde. Er bellt ein Mal im ganzen Film und ahmt ansonsten die Figuren nach.

Ein weiterer Gesichtspunkt ist, dass der Anime versucht, eine Brücke in die heutige Zeit zu schlagen. Dieser Versuch ist allerdings nicht so gut gelungen. Es liegt daran, dass schon zu Anfang sowie weitere drei Male im Anime Rockmusik eingespielt wird, die aus der Atmosphäre der damaligen Epoche herausreißt. Dies ruft Verwirrung hervor und teilweise geht dadurch das Feeling für diese Zeit verloren. Im letzten Bild des Films blendet der Film über zum heutigen Tokio. Aber diese Frequenz ist sehr kurz und zeigt keine weitere, mit der Erzählung verknüpfte Bedeutung. Meines Erachtens hätte man diese Elemente mit heutigem Bezug auch weglassen können und sich nur im so überaus detailliert veranschaulichten Jahr 1814 bewegen können.

Eine wahre Geschichte? – Hommage an O-Ei

In jedem Fall haben die Künstler Hokusai und seine Tochter O-Ei wirklich existiert. Die Kunst der beiden war so bedeutend, dass westliche Künstler wie Degas, Monet, Debussy und Baudelaire fasziniert von dieser waren. Auch heute noch kennt fast jeder das Bild „Die große Welle vor Kanagawa“, welche übrigens in einer Szene des Animes eindrucksvoll aufgegriffen wird.

Hokusai wurde fast neunzig Jahre alt, hat unter 30 Namen gearbeitet und wohnte an circa 100 verschiedenen Orten. O-Eis Anteil an den Arbeiten ihres Vaters ist zwar bekannt, wurde aber in der Kunstgeschichte nicht weiter verfolgt, beziehungsweise wurde dem bisher keinen höheren Stellenwert zugeschrieben. Dieses Versäumnis holt der Anime nach und gibt ihr somit endlich Anerkennung zum Beitrag an fantastischen Kunstwerken und damit an der Kunstgeschichte.

„Miss Hokusai“ ist ein wirklich bemerkenswert gezeichneter und animierter Film, der einen in die Edo-Epoche eintauchen lässt. Auf den Spuren der japanischen Kunst sowie der Geschichten von O-Ei und Hokusai kommen kleine und große Zuschauer auf ihre Kosten.

Ein Beitrag zum Projekt #litkinder. Hier findet ihr alle Beiträge.

Miss Hokusai – Große Kunst im alten Japan. Regie: Keiichi Hara. Kazé. 2016. Altersempfehlung: Ab 6 Jahren.
Bild: Die große Welle vor Kanagawa, Katsushika Hokusai, 1930, (Original: 1829–1833)

Illustration: Buchstaplerin Maike

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