Japanische Kunstgeschichte mal anders

In dem vor kur­zem auf DVD erschie­ne­nen Anime „Miss Hoku­sai – Große Kunst im alten Japan“ wird die Welt des berühm­ten Künst­lers Tetsuzo, der bis heute unter sei­nem gebräuch­li­chen Pseud­onym Hoku­sai bekannt ist, geschil­dert. Die Prot­ago­nis­tin die­ser Geschichte ist aller­dings die Toch­ter des Künst­lers, die O‑Ei heißt und eben­falls künst­le­ri­sches Talent besitzt. Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina hat die­sen Kunst­film bestaunt.

Edo, 1814

Im dicht­be­sie­del­ten Edo – das heu­tige Tokyo – lebt der etwas in die Jahre gekom­mene Maler, Zeich­ner und Holz­schnitt­meis­ter Hoku­sai mit sei­ner Toch­ter und einem Maler­kol­le­gen in einem chao­ti­schen, beschei­de­nen Wohn­ate­lier. Die 23-jäh­rige O‑Ei, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, hilft ihrem Vater, malt unter ande­rem des­sen Werke und setzt auch eigene Bil­der um. Viel­fach ver­die­nen die bei­den ihr Geld durch Auf­trags­ar­bei­ten für rei­che Leute. Wei­ter­hin hat O‑Ei eine kleine, blinde Schwes­ter, die im Klos­ter lebt, wo beson­ders Kranke betreut wer­den. Diese besucht O‑Ei häu­fig. Beein­dru­ckend ist, wie im Anime die Zuwen­dung und Geschwis­ter­liebe gefühl­voll dar­ge­stellt wird.
Ob Geis­ter­hände, Bil­der mit mys­ti­schen Wesen oder die Dar­stel­lung von Liebe – dies sind bei­spiels­weise The­men, die Ein­zug hal­ten in den All­tag der Cha­rak­tere und somit auch den Zuschau­ern eröff­net werden.

Beson­der­hei­ten des Animes

Zunächst sind in „Miss Hoku­sai“ die Sze­nen­bil­der atem­be­rau­bend. Die Zeit um 1814 wird leben­dig für die Zuschauer, denn das Aus­se­hen sowohl der Land­schaft als auch der Archi­tek­tur wie der Klei­dungs­stil sind der Edo-Zeit ange­passt und ent­spre­chend gestal­tet. Auf­fäl­lig ist eben­falls der wahn­sin­nig nied­lich aus­se­hende Hund, wel­cher – so scheint es – ein­zig für die Ver­deut­li­chung von Ges­tik wie Mimik von ein­zel­nen Cha­rak­te­ren insze­niert wurde. Er bellt ein Mal im gan­zen Film und ahmt ansons­ten die Figu­ren nach.

Ein wei­te­rer Gesichts­punkt ist, dass der Anime ver­sucht, eine Brü­cke in die heu­tige Zeit zu schla­gen. Die­ser Ver­such ist aller­dings nicht so gut gelun­gen. Es liegt daran, dass schon zu Anfang sowie wei­tere drei Male im Anime Rock­mu­sik ein­ge­spielt wird, die aus der Atmo­sphäre der dama­li­gen Epo­che her­aus­reißt. Dies ruft Ver­wir­rung her­vor und teil­weise geht dadurch das Fee­ling für diese Zeit ver­lo­ren. Im letz­ten Bild des Films blen­det der Film über zum heu­ti­gen Tokio. Aber diese Fre­quenz ist sehr kurz und zeigt keine wei­tere, mit der Erzäh­lung ver­knüpfte Bedeu­tung. Mei­nes Erach­tens hätte man diese Ele­mente mit heu­ti­gem Bezug auch weg­las­sen kön­nen und sich nur im so über­aus detail­liert ver­an­schau­lich­ten Jahr 1814 bewe­gen können.

Eine wahre Geschichte? – Hom­mage an O‑Ei

In jedem Fall haben die Künst­ler Hoku­sai und seine Toch­ter O‑Ei wirk­lich exis­tiert. Die Kunst der bei­den war so bedeu­tend, dass west­li­che Künst­ler wie Degas, Monet, Debussy und Bau­de­laire fas­zi­niert von die­ser waren. Auch heute noch kennt fast jeder das Bild „Die große Welle vor Kana­gawa“, wel­che übri­gens in einer Szene des Ani­mes ein­drucks­voll auf­ge­grif­fen wird.

Hoku­sai wurde fast neun­zig Jahre alt, hat unter 30 Namen gear­bei­tet und wohnte an circa 100 ver­schie­de­nen Orten. O‑Eis Anteil an den Arbei­ten ihres Vaters ist zwar bekannt, wurde aber in der Kunst­ge­schichte nicht wei­ter ver­folgt, bezie­hungs­weise wurde dem bis­her kei­nen höhe­ren Stel­len­wert zuge­schrie­ben. Die­ses Ver­säum­nis holt der Anime nach und gibt ihr somit end­lich Aner­ken­nung zum Bei­trag an fan­tas­ti­schen Kunst­wer­ken und damit an der Kunstgeschichte.

„Miss Hoku­sai“ ist ein wirk­lich bemer­kens­wert gezeich­ne­ter und ani­mier­ter Film, der einen in die Edo-Epo­che ein­tau­chen lässt. Auf den Spu­ren der japa­ni­schen Kunst sowie der Geschich­ten von O‑Ei und Hoku­sai kom­men kleine und große Zuschauer auf ihre Kosten.

Ein Bei­trag zum Pro­jekt #lit­kin­der. Hier fin­det ihr alle Beiträge.

Miss Hoku­sai – Große Kunst im alten Japan. Regie: Kei­i­chi Hara. Kazé. 2016. Alters­emp­feh­lung: Ab 6 Jahren.
Bild: Die große Welle vor Kana­gawa, Kat­su­shika Hoku­sai, 1930, (Ori­gi­nal: 1829–1833)

Illus­tra­tion: Buch­stap­le­rin Maike

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