Im Nebel nichts Neues

von | 09.10.2016 | Belletristik, Buchpranger

Ein todbringender Nebel, ein Meister-Attentäter und ein Inquisitor, der Detektiv spielt. Bernhard Trecksel vereinigt diese Ideen in seinem Debüt „Nebelmacher“ zu einer düster-fantastischen Geschichte, die trotz der bekannten Inhalte doch anders aufgebaut ist als gedacht. Bücherbändigerin Elisabeth hat sich in den Nebel gewagt und dem Totenkaiser auf die Finger gesehen.

Der Nebel ist der Bote des Todes. Man sollte sich besser nicht in ihm verlieren. Doch die Welt ist voll davon. In Bernhard Trecksels Debüt rund um den „Nebelmacher“ gibt es nur Schutz in den sogenannten Pentae, städtischen Zusammenschlüssen, weil diese durch magische Schilde vom todbringenden Nebel abgeschirmt sind. Halbwegs sicher zumindest. Denn in den Städten schleicht der Totenkaiser, ein Nebelmacher. Einer der besten. Er ist Attentäter und Auftragskiller, im Namen seiner Herrin, die über Leben und Tod entscheidet.
Es werden keine Fragen gestellt, der Name, der über ihre Lippen kommt, muss in den Nebel gehen. Und der Totenkaiser sorgt dafür. Doch niemals hätte er damit gerechnet, dass er fehlbar wäre. Dass er einmal nicht der Jäger sein könnte. Dass die Worte seiner Herrin trügerisch sind. Doch er erkennt die Machenschaften erst, als es schon zu spät ist. Nun gilt es, die letzten Weichen zu stellen, ehe er nicht mehr dazu fähig sein würde…

Städte im tödlichen Nebel

Die Welt von Bernhard Trecksel ist eine interessante, eine, die dem typischen Fantasy-Genre nichts nachmacht. Die Welt liegt im Nebel, die Städte sind mehr oder weniger in sich geschlossen, abgeschirmt. Doch an der Menge von Schleichern, Spitzeln und Doppelzüngigen fehlt es nicht. Die Städte wirken heruntergekommen, Reichtum ist selten und wenn, dann erschlichen und ergaunert. Schnell werden die Hauptdarsteller vorgestellt: Clach, der Totenkaiser, Fennek Greskegard, der Inquisitor – dessen Arbeit der eines Detektivs ziemlich nahekommt – und sein hünenhafter Gehilfe Sanftleben und Morwen, die Templerin, scheinbar wider Willen. Sowie Ormgair, der Babar, der, wie alle anderen Barbaren immun gegen die todbringende Giftigkeit des Nebels ist.
Trotz der wenigen handelnden Figuren bedarf es einer gewissen Zeit, die Charaktere auch einzuordnen und mit ihnen zu sympathisieren. Oder eben nicht. Dies mag an der sehr ausführlichen und beschreibenden Art des Autors liegen, der nicht an Worten spart und dadurch einige Teile der Handlung und der Beschreibungen in die Länge zieht, während Charakterbeschreibungen nur sporadisch eingeflochten sind und manchmal eher seicht wirken. Die Charaktere entwickeln sich zudem nur wenig, obwohl sie durch bestimmte, zum Teil einschneidende Ereignisse und Erkenntnisse umdenken müssen. Dies manifestiert sich in ihrem Verhalten aber leider kaum.

Handlungsstrang und Wortgeflecht

In der ersten Hälfte des Buches wird jedem Kapitel eine scheinbar unabhängige Geschichte als Bericht aus vergangenen Tagen vorgegeben. Zwar ist schnell klar, dass es sich um alte Überlieferungen handeln mag, um einen Kampf, der zur Entstehung der heutigen Welt führte, doch der Zusammenhang mit der eigentlichen Handlung bleibt lange verborgen, bis die Erkenntnis umso überraschender kommt. Zudem arbeitet der Autor mit drei verschiedenen Handlungssträngen. Zumindest ein Handlungsstrang läuft sehr lange Zeit parallel zu den anderen, so dass eine Verknüpfung fast schon unmöglich scheint. Dadurch wirken die Ereignisse dieses Strangs lose, manchmal sogar dem Fortlaufen der Erzählungen entrissen.

Bernhard Trecksel wartet mit einem, wie schon erwähnt, sehr ausführlichen und wortgewandten Erzählstil auf. Er geht ab von der oftmals eher einfach gehaltenen Erzählsprache anderer Bücher und bedient sich manchmal auch etwas gehobener Wörter, die leider, angesichts der intriganten und wenig zivilisierten Fantasy-Welt, in der er sich bewegt, fehl am Platz wirken. Zudem stehen diese immer wieder im krassen Gegensatz zu einer – situationsabhängig – angewandten „Gossensprache“ oder blutrünstigen Szenen, die sich mit Fortlauf der Handlung zudem noch mehren.

Der Funke wollte beim Lesen sprichwörtlich nicht überspringen. Auch wenn sich die zweite Hälfte des Buches flüssiger liest und sich die Handlung langsam formt, reicht es nicht, um die sehr langatmige und zusammenhanglos wirkende erste Hälfte aufzuwiegen. Sehr schade um eine Idee, die innovativ und gut angegangen wurde. Schade auch um einen Erzählstil, der sich von anderen abhebt und trotzdem nicht fesseln kann und sich manchmal widerspricht. Schade um Charaktere, die interessant wirken, aber denen die nötige Tiefe fehlt. Ein guter Ansatz, der leider nicht zielführend ausgearbeitet werden konnte.

Nebelmacher. Bernhard Trecksel. Blanvalet. 2015.

Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner