Idyllische Kulisse: Animal Crossing – New Horizons

von | 06.06.2020 | #BKUmwelt, Digitale Spiele, Spielstraße

Ein seichtes Spiel mit netten Tierfiguren als Nachbarn auf einer idyllischen Insel in Zeiten einer globalen Pandemie auf den Markt zu bringen – das hätte Nintendo schlechter timen können. Satzhüterin Pia hat das niedliche Spiel ausführlich getestet und sich gefragt, was sich hinter der harmonischen Kulisse verbirgt.

Es ist nicht das erste Spiel dieser Art. Der Starttitel der Reihe „Animal Crossing“ ist von 2001 und somit bald 20 Jahre alt. Aber für mich ist es das erste Mal – auch ich habe mich mit dem in diesem Frühjahr veröffentlichten Titel „New Horizons“ locken lassen: Ein bisschen knuffiges Inselleben schien mir in Zeiten von Social Distancing und globalem Kauderwelsch zwischen Pandemie, politischen Fragwürdigkeiten und Klimawandel nicht so verkehrt zu sein. Und so machte ich mich vor einer kleinen Weile mit Tom Nook auf und bezog meine eigene verlassene Insel, die ich so gerne in Anlehnung an einen meiner Lieblingsfilme „Sleepy Hollow“ nennen wollte und die dank Zeichenbegrenzung nur zu „SleepyHoll“ wurde. Zehn Buchstaben für einen Inselnamen, nun ja. Ich hätte besser „Lost“ neben sollen.

Die Story habe ich inzwischen durch – wenn wir es denn eine Story nennen wollen. Ein bisschen Linienführung, die beim Start helfen soll, bis wir süchtig genug sind und keinen solchen Antrieb mehr benötigen, möchte ich einfach mal behaupten. Im Anschluss können wir nämlich beliebig lange weiterspielen. Schnell übernehmen die Daily Quests die antreibende Rolle: Wenigstens noch eben einschalten und die Steine ihrer Schätze berauben, die Meilen am Automaten abholen (die am höchsten sind, wenn wir täglich reinschauen, was auch sonst) und gucken, welchen Gast wir heute eventuell auf der Insel haben, der mit uns Handel treiben möchte. Aber vor allem zweimal täglich checken, wie denn gerade die Rübenpreise sind! Aber dazu später mehr.

Naturgestaltung … oder auch: Optimierung, Wirtschaftlichkeit, Wachstum, Profit!

Die eigene Insel zu gestalten ist das Grundelement dieses „Animal Crossing“-Teils (vermutlich auch Grundelement eines jeden Teils, aber ich kenne ja nur diesen). Dabei wird massiv in die Natur eingegriffen. Bäume werden versetzt und gefällt, Gebäude errichtet, Aufgänge und Brücken gebaut. Wir jäten Unkraut, pflanzen und gießen Blumen, ernten Obst und hacken Holz zur Gewinnung von Ressourcen. Am Ende bekommen wir sogar ein Tool an die Hand, mit dem wir Plateaus schaffen oder tilgen, Wege und Teiche anlegen und verschwinden lassen sowie Flussläufe verändern können.

Fast alles auf der Insel können wir dabei auch zu Geld machen – zu Sternis, pardon. Klingt doch gleich viel netter! Wir verdienen also Sternis, indem wir Unkraut, Obst und haufenweise Tierchen verkaufen. Nein, nicht die Nachbarn! Krabbeltierchen und Fische sind unser Ziel, die wir mit dem Kescher beziehungsweise der Angel fangen und zu den eifrigen Neffen Tom Nooks bringen: Nepp und Schlepp. Aber Nepp und Schlepp kaufen nicht nur mit Freuden einfach alles, sondern haben auch täglich neue Dinge in ihrem kleinen Laden anzubieten. Dabei freuen sie sich diebisch über jedes Sterni, das wir bei ihnen lassen und fragen zugewandt: „Gäbe es sonst noch etwas, was wir dir andrehen können?“

Unsere eigene Insel ist natürlich nicht unendlich mit sternibringenden Ressourcen ausgestattet und so können wir über das Meilenticket andere Eilande bereisen, diese bis auf den letzten Stein plündern und zu Hause alles zu Geld – Sternis! – machen. Die Meilen sind Tom Nooks ausgeklügeltes Belohnungssystem für uns kostenlose Arbeitskraft (Tom, du gewiefter Kerl!). Fange einen Schmetterling, sprich mit drei Nachbarn oder hacke Holz – und für all das und mehr gibt es Meilen. Diese lassen sich neben den Meilentickets, mit denen andere Inseln bereist werden können, in bestimmte Objekte zur Inselgestaltung eintauschen oder sogar selbst zu Sternis machen. 500 Meilen werden 3000 Sternis.

Und diese Sternis benötigen wir dringend, denn vom Umzug auf die Insel über den eigenen Hausbau und dessen Erweiterung bis hin zum Bau von Brücken und Co. kostet alles Geld. Viel Geld. Sternis! Aber Tom Nook ist ein tierischer Menschenfreund (hehe) und so können wir die Brücken und Aufgänge über Spenden finanzieren (schade nur, dass wir alleine die Spendenden sind, unsere Nachbarn juckt dies wenig …) und unsere Hauserweiterungen per zinslosem Kredit in selbstgewählten Rückzahlungen ermöglichen (bei den Summen könnte einem allerdings schwindelig werden).

Wollen wir die Geldmittel erhöhen, ohne groß einen Finger zu krümmen, können wir immer noch mit Rüben spekulieren. Sonntags werden diese von einer Händlerin zum jeweiligen Tagessatz verkauft, unter der Woche können wir sie im Laden wieder verkaufen. Je nach Kurs machen wir einen schnellen Gewinn oder aber pusten eine Menge Sternis in den Wind. Bis zum perfekten Kurs können wir die Rüben nämlich nicht horten, weil sie uns bis zum Sonntag drauf verderben und wertlos werden. Gar nicht so simpel und harmlos wie man denkt, dieses niedliche Spielchen!

Tierische Charaktere

Unsere Nachbarn, die mit der Zeit storybedingt immer mehr werden, sind recht ausgefeilt. Mit ihren Eigenheiten und speziellen Arten zu sprechen, sind sie einzigartig und wachsen einem schnell ans Herz – oder nerven bald zu Tode. Aber gut, dass wir Melinda haben! Tom Nooks hündische Helferin nimmt sich unserer Probleme mit den Nachbarn an – sollte es denn ein Problem für uns sein, wie sich diese eigentlich immer freundlichen Inselbewohner kleiden oder ausdrücken (ich habe es noch nicht übers Herz gebracht, aber irgendwann wird es bei der pseudoentspannten Celebrity-Nasenbärin Annabelle bestimmt noch einmal soweit sein). Je mehr man mit den tierischen Nachbarn interagiert, desto inniger wird die Freundschaft. Man schenkt sich gegenseitig Dinge (nur bei aus dem Meer gefischten Stiefeln kann sogar der netteste Affe Ludwig mal ungnädig reagieren) und tauscht Komplimente aus. Hin und wieder – für meinen Geschmack deutlich zu selten – gibt es kleine Minispiele, die eine nette Unterhaltung zwischendurch versprechen.

Neben den Inselbewohnern und der Nook-Familie gibt es vor allem noch die Eule Eugen, die das inseleigene Museum leitet. Hier können wir alle Insekten und Fische stiften sowie auf der Insel gefundene Fossilien analysieren lassen. Das von außen so unscheinbare Gebäude ist von innen ungefähr in den Dimensionen von Hermines verzauberter Handtasche gehalten und wirklich detailreich und schön aufbereitet. Wenn ihr mich fragt, ist dies der eigentliche Grund, beim Spiel dabei zu bleiben: Das Museum will gefüllt werden! Zu den abgegebenen Tieren und Fossilien will Eugen auch gerne einiges an Wissen loswerden – lediglich die Insekten behagen ihm so gar nicht. Dass er aber bei all dem netten Wissen die Spinnen fälschlicherweise den Insekten zuordnet, macht mich zugegebenermaßen fuchsig.

Klick – klick – klick

Absolut nervig: Alle Dialoge müssen immer und immer wieder durchgeklickt werden. Beim Einkaufen in Nepps und Schlepps Laden, bei Tom und Melinda im Rathaus, bei allen mobilen Händlern und bei Eugen im Museum. Und es sind immer die gleichen Sätze! Wenn wir ein Insekt fangen, einen Fisch angeln, immer wird dieses Tierchen mit den gleichen Sprüchen präsentiert. Wenn wir am NookPortal (eine Art Geldautomat im Rathaus) Meilen einlösen wollen, unser Konto oder den Kredit verwalten wollen, klick – klick – klick. Es ist wirklich enervierend. Besonders wenn wir Meilen in Sternis umwandeln wollen, können wir nur je ein Coupon generieren. Wenn es also direkt zehn sein sollen, klicken wir uns einen Wolf, denn die Anzahl anpassen können wir weder hier noch beim Herstellen unserer Werkzeuge oder Fischköder.

Social Gaming

„Animal Crossing: New Horizons“ lässt sich sehr gut allein spielen – zu tun gibt es genug, wenn es auch in gewisser Weise repetitiv ist. Zusätzlichen Spaß bringen die verschiedenen Formen des gemeinsamen Bestreitens des Inselabenteuers. Ganz simpel ist dies als Couch-Koop möglich: Hier wird einfach ein zweiter Spieler mit eigenem Account auf derselben Konsole hinzugeholt und mit eigenen Joy-Cons kann dieser (in abgespeckter Form) mit auf der Insel leben.

Außerdem kann über den lokalen sowie den online Modus zusammengespielt werden. Für letzteres wird allerdings eine Nintendo Switch Online-Mitgliedschaft benötigt. Über den Flugsteig können wir also entweder diesen für unsere Freunde öffnen oder selbst zu deren Inseln reisen. Hier können wir uns weitgehend frei bewegen – lediglich für den einheimischen Spieler sind gewisse Interaktionen ausgeschaltet – zu aufregend ist zum Beispiel für Eugen der Besuch, als dass er in dieser Zeit gestiftete Objekte entgegennehmen könnte! Besucher können fröhlich Unruhe stiften (Äste von Bäumen schütteln zum Beispiel), vor Ort gefangene und gesammelte Dinge im Laden verkaufen, das Museum besichtigen oder mit den dortigen Bewohnern interagieren. Ein nettes Gimmick ist hierbei, dass die Bewohner später auch auf den Besuch zu sprechen kommen. Als ich zum Beispiel Wortspieler Nicos Insel fröhlich mit Ästen übersäht habe, sprach ein Inselbewohner ihn später darauf an, was ich doch eine elanvolle Bäumeschüttlerin sei. Naja, ein bisschen Spaß muss sein! Und diesen kann man nebst diverser Nervereien mit „Animal Crossing: New Horizons“ definitiv haben.

Animal Crossing: New Horizons. Publisher: Nintendo. 2020. Nintendo Switch. Genre: Lebenssimulation. Einzelspieler/ Mehrspieler. FSK 0.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #BKUmwelt. Hier findet ihr alle Beiträge.

Illustration: Sathüterin Pia[/tds_note]

Pia Zarsteck

Pia Zarsteck

Pias Liebe zur Literatur hat sie vor Jahren an die Uni Bremen geführt, wo sie bis zum Masterabschluss Germanistik studierte. Heute ist sie Vorsitzende im Bücherstadt e.V., Mama einer Vierjährigen und beruflich ganz woanders unterwegs - aber immer noch vernarrt in Bücher und Spiele. Ein Leben ohne die Bücherstadt kann sie sich nicht vorstellen.

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