Heike Koschyk alias Emma Garnier im Interview

von | 08.12.2017 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Das ist das Schöne am Schreiben oder am Lesen. Man wächst mit den Büchern.

Kürzlich ist der historische Thriller „Grandhotel Angst“ bei Penguin erschienen. Dass die Autorin Heike Koschyk alias Emma Garnier ganz unterschiedliche Interessen hat und wie sie den Weg zum Schreiben fand, das hat sie Worteweberin Annika im Interview verraten.

 

Foto © Christian Kerber

BK: Auf der Verlagswebsite kann man lesen, dass Sie schon lange planten, einen Roman über das Hotel Angst zu schreiben. Wie lange haben Sie denn recherchiert?

Heike Koschyk: Das kann ich gar nicht so genau sagen. Seit ich dem Hotel im Jahr 2003 zum ersten Mal begegnet bin, gab es immer wieder Wochen intensiver Recherche. Ich habe viel Zeit in der dortigen Bibliotheca Bicknell verbracht und mich in den Archiven über die historischen Hintergründe informiert. Im Laufe der Jahre haben sich unzählige Bücher zum Thema angesammelt, die ich in Antiquariaten erworben habe. Und während des Schreibprozesses haben mir alte Reiseberichte und botanische Schriften dabei geholfen, die Umgebung so authentisch wie möglich nachzuzeichnen.

BK: Was ist es für ein Gefühl, einen Text dann abzuschließen und zur Seite zu legen? Beschäftigen Sie die Figuren auch weiterhin noch?

HK: Einen Text abzuschließen ist immer ein sehr schöner Moment. Man bedankt sich, nimmt Abschied von den Protagonisten und lässt sie gehen. Bei diesem Buch hingegen war es anders. Nells Geschichte klingt noch immer nach. Ihre Entwicklung hat etwas in mir berührt, das ich mir erst bewusst machen musste. Das ist das Schöne am Schreiben oder am Lesen. Man wächst mit den Büchern.

BK: Sie selbst waren in Bordigheira und sind so auf das Hotel aufmerksam geworden. Konnten Sie es auch besichtigen?

HK: Es war lange untersagt, das Hotel zu betreten. Ich hatte nur die Pläne, die mir der zuständige Architekt gegeben hatte, und die historischen Fotos. Erst in diesem Jahr bekam ich die offizielle Erlaubnis dazu. Es war eine unglaublich berührende Erfahrung, durch die Gänge zu gehen, die Räume zu besichtigen. Auf einmal wurde die Geschichte des Romans sehr real.

BK: Wissen Sie, ob inzwischen mit den Renovierungsarbeiten am Hotel begonnen wurde?

HK: Laut Ing. Bessone sollten die Arbeiten im Oktober beginnen. Er sagte mir bei meinem Besuch Anfang August, dass ich wohl die Letzte sei, die das Hotel in dem derzeitigen Zustand fotografieren könne.

BK: Das Hotel ist ja auch sonst ein beliebtes Thema in der Literatur. Was fasziniert Sie persönlich so daran und speziell am Hotel Angst?

HK: Hotels sind meist Spiegelbilder einer Epoche, Schauplatz eines heimatlos gewordenen Lebens. Man befindet sich an einem unbekannten Ort, an dem man sich neu erfinden kann ¬oder abseits des Gewohnten Instabilität erfährt. Beim Grandhotel hat mich die geheimnisvolle Atmosphäre des verfallenen Gebäudes, die einen unwillkürlich an den Untergang der Titanic erinnert, enorm inspiriert. Vor allem der Name Angst regte meine Phantasie an, obwohl die Bezeichnung auf den Besitzer Adolf Angst zurückgeht.

BK: Den neuen Roman haben Sie unter Pseudonym veröffentlicht, normalerweise schreiben Sie unter dem Pseudonym Sophie Bonnet oder auch unter Ihrem Namen Heike Koschyk. Wie und warum ist es zu „Emma Garnier“ gekommen?

HK: Jedes Pseudonym betont eine andere Seite von mir. Sophie Bonnet ist humorvoll, couragiert und liebt den Genuss. Mit Emma Garnier hingegen zeige ich meine nachdenkliche, sensible Seite; hier lebe ich den Hang für das Mystische aus. Die Pseudonyme haben zudem unterschiedliche Schreibstile und sprechen andere Leser an, daher ist es besser, das zu trennen.

BK: Wird es denn weitere Veröffentlichungen unter dem Pseudonym Emma Garnier geben?

HK: Momentan ist noch nichts geplant. Es hängt davon ab, ob mich ein Thema oder ein Gebäude ähnlich inspirieren kann wie das Hotel Angst.

BK: Wie sieht Ihr Tagesablauf aus, wenn Sie an einem Roman arbeiten?

HK: Normalerweise fahre ich um halb neun in mein Schreibbüro und arbeite bis um vier, danach ist Familienzeit. An zwei Tagen in der Woche hilft mir meine Mutter, da kann es schon mal sein, dass ich das Büro erst um acht Uhr verlasse. Manchmal fahre ich in die Unibibliothek und leihe mir Bücher zu den unterschiedlichsten Themen aus. Und wenn der Abgabetermin naht, mache ich ein Schreibwochenende, an dem ich bis spät in die Nacht arbeiten und meinen Gedanken freien Lauf lassen kann.

BK: Auf Ihrer Website erfährt man, dass Sie eine Textilagentur leiteten und als Heilpraktikerin tätig waren, bevor Sie Autorin wurden – darf man sagen, dass das ein eher ungewöhnlicher Weg ist? Wie kam es dazu?

HK: Die unterschiedlichen Berufe spiegeln meine vielfältigen Interessen wider, es ist ähnlich gelagert wie bei den Pseudonymen. In der Modebranche konnte ich meine Liebe für schöne Dinge, Design und Kultur ausleben, als Heilpraktikerin das Interesse für das Tiefsinnige, Naturverbundene und Ätherische. Mit dem Beruf der Schriftstellerin bin ich endlich angekommen. Denn hier kann ich beides miteinander verbinden.

BK: Was lesen Sie in Ihrer Freizeit eigentlich selbst gerne?

HK: Sie ahnen es sicher schon: Ich bin da auf kein Genre festgelegt. Das kann ein Psychothriller sein, ein atmosphärischer Roman oder ein anregendes Sachbuch. Hauptsache, es fesselt mich beim ersten Hineinlesen.

BK: Nun noch unsere bücherstädtischen Fragen: Wenn Sie selbst ein Buch wären, welches wäre das dann?

HK: Das ist eine interessante Frage! Wahrscheinlich wäre ich das Buch zum Film „Die fabelhafte Welt der Amélie.“ Ich mag es, die Welt aus ungewöhnlichen Perspektiven zu betrachten, liebe die magischen Momente im Leben.

BK: Gibt es eine Interviewfrage, die Sie sich schon immer gewünscht haben? Und was wäre Ihre Antwort?

HK: Nein, eigentlich ist alles gesagt. Und gerade habe ich gedacht, dass Sie mir sehr schöne und teils nachdenklich machende Fragen gestellt haben. Herzlichen Dank dafür!

BK: Das freut mich, herzlichen Dank für das Interview!

Weitere Informationen unter: www.emma-garnier.de

http://buecherstadtkurier.com/ein-zimmer-im-angst/

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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