Hack ‘n‘ Slay im Wunderland

von | 22.10.2019 | #Todesstadt, Digitale Spiele, Specials, Spielstraße

Das Spiel „Alice: Madness Returns“ vom Publisher Electronic Arts ist die Fortsetzung zu American McGee’s „Alice“. Es spinnt die Geschichte um die gleichnamige Heldin aus Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ weiter, nur mit noch etwas mehr Wahnsinn. Geschichtenerzähler Adrian und Geschichtenzeichnerin Celina wollten herausfinden, ob dieser Wahnsinn ansteckend ist.

Da sich die junge Alice Liddell auch nach elf Jahren immer noch die Schuld an dem Feuertod ihrer Eltern gibt, ist sie im Irrenhaus Rutledge untergebracht. Dieses befindet sich mitten im industrialisierten London. Als Alice bei einer Therapiesitzung von Doktor Bumby eine verstörende Vision vom Wunderland hat, weiß sie, dass irgendetwas nicht stimmt. Nach einem Anfall gelangt sie schließlich ins Wunderland und wird mit dessen stetigem Verfall konfrontiert. Schwarzer Schleim durchdringt die Ebenen des Wunderlandes und gebiert absonderliche, puppengesichtige Kreaturen in verschiedenen Größen und Formen. Auch auf die restlichen Bewohner des Wunderlandes scheint der Verfall eine negative Wirkung zu haben.

Trotz anfänglichem Widerstand gesteht Alice sich schließlich ein, dass sie das Wunderland vor der Zerstörung bewahren muss, um ihr Trauma zu überwinden und dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten. Im ständigen Wechsel zwischen Realität und Fantasie versucht sie nun, eine Antwort auf den Sinn hinter diesem Wahnsinn zu finden.

McGee’s Emanzipation

Als McGee im Jahr 2000 das Spiel „Alice“ herausbrachte, sollte es eine Kampfansage an die vor Maskulinitätsklischees strotzenden Videospielhelden sein, als klarer Kontrast zu beispielsweise Shooter-Helden wie dem Doomguy aus der „Doom“-Reihe oder B.J. Blazkowicz aus den „Wolfenstein“-Spielen.

Dies gelang McGee und er erschuf mit Alice eine Protagonistin, auf Grundlage von Lewis Carrolls Romanheldin, die, mit Mumm in den Knochen und einer gehörigen Portion Sarkasmus, Zynismus sowie gesundem Wahnsinn, mehr ist als ein gesichtsloser Hau-Drauf. Auf dieses erfolgreiche Konzept folgte 2011 die Fortsetzung „Alice: Madness Returns“.

Weiter geht der Wahnsinn

Das Weiterspinnen der Geschichte von Lewis Carroll um die junge Alice ist wunderbar gelungen. Vor allem die Adaption des Wunderlandes von einem skurrilen, aber dennoch idyllisch wundersamen Ort zu einer grotesken Dark-Fantasy-Welt mit Steampunk-Elementen fügt sich passend in das Setting ein.

Die Geschichte bietet einen spannenden Rahmen für die Reise durch die verschiedenen Welten des Wunderlandes, sowie den immer grotesker werdenden Verfallszustand. Auch die Passagen, welche in der realen Welt spielen, sind atmosphärisch. Letzteres hätte jedoch ein bisschen mehr Gameplay vertragen können, als ein einfaches durch die Straßen von einer Cut-Scene zur nächsten Laufen.

Allgemein hätte der Geschichte rund um die Rettung des Wunderlandes etwas mehr Substanz gut getan. Die Handlung ist zwar soweit schlüssig und man kann gut mit Alice mitfühlen, doch bei einigen Elementen fehlt die tiefere Erklärung; beispielsweise beim ‚Infernalen Zug‘, der für die Zerstörung des Wunderlandes verantwortlich zu sein scheint oder dem Zusammenhang zwischen den Ereignissen in der realen Welt und im Wunderland.

Wer ist verrückter?

Wer mit Carrolls Geschichte um Alice vertraut ist, wird auch im Spiel viele Gesichter wiedererkennen. Allen voran steht einem die Grinsekatze als stetiger Begleiter mit Rat und Tat sowie immer mit kleineren Sticheleien zur Seite. Andere Charaktere, wie etwa der Hutmacher und seine revoluzze Teegesellschaft, genauso wie der Zimmermann oder die rote Königin, haben jeweils ihre eigene Domäne, welche die jeweiligen, unterschiedlichen Level darstellt. Die Einbettung jener Figuren in ihre Gebiete, etwa die Herzkönigin in ein Schloss aus Spielkarten, ist stimmig inszeniert. Selbst den Hutmacher zum Chef einer Stahlfabrik zu machen, hört sich erst einmal seltsam an, ist jedoch passend umgesetzt.

Die Figuren wirken nicht wie pures Name-dropping – was bedeutet, dass bekannte Gesichter zwar gut für das Marketing sind, jedoch unpassend in die Welt integriert werden –, sondern sind merklich mit einem durchdachten Konzept in das Geschehen integriert.

Upgrade in Grafik…

Auch wenn „American McGee’s Alice“ story-technisch ein gelungenes Spiel ist, ist es nicht gut gealtert. Das Hinwegsehen über die veraltete Grafik kaschiert jedoch nicht die spielspaßbrechenden Bugs und das ungenaue Gameplay.

Umso mehr merkt man dem Nachfolger die Verbesserungen an, denn „Alice: Madness Returns“ ist ein wunderschönes Spiel. Beispielsweise in der düsteren Steampunk-Fabrik des Hutmachers oder in der trüben Unterwasserwelt mit ihren leuchtenden Quallen und Unterwasserpflanzen spiegelt sich das grafische Know-how wider. Allgemein sehen die verschiedenen Welten, die Alice durchreist, grandios gestaltet aus.

… und Steuerung

Ebenfalls sind in der Steuerung deutliche Verbesserungen zu erkennen. Sprung- und Kampfsequenzen sind viel genauer, durch verbessertes Treffer- und Tastenfeedback. Fühlten sich Kämpfe im ersten Teil noch an, als würde man mit einem Zahnstocher auf einen Wattebausch einhauen, so steckt hinter den Schlägen nun viel mehr ‚Wumms‘ – wortwörtlich vor allem, wenn man mit dem Pferdekopfhammer kämpft. Auch Jump ’n‘ Run-Passagen sind leichter zu meistern, da die Steuerung nicht mehr so schwammig ist wie im ersten Teil.

Level-Irrsinn

An sich teilt sich die Welt des Wunderlandes in fünf verschiedene Level – Domäne des Hutmachers, Illusionstiefen, Orientalischer Hain, Königinland, das Puppenhaus – sowie den ‚Infernalischen Zug‘ als letztes Gebiet. Jedes Gebiet hat – neben einem anderen Dress für Alice – ein eigenes Thema, allerdings beinhaltet jedes davon zum größten Teil Jump ’n‘ Run-Abschnitte sowie Arenen für Kämpfe.

Jeder Level setzt sein Thema in einem zu ihm passenden Stil um, mit verschiedenen, zur Umwelt passenden Gegnertypen und Sprungpassagen. Kämpft man unter Wasser gegen Fischwesen und hüpft über Quallen durch Korallenriffe, erwarten einen im Orientalischen Hain Origami-Insekten und Ma-Jongg-Stein-Plattformen.

In jedem Gebiet gibt es zudem immer wieder geheime Bereiche, in denen man beispielsweise Sammelgegenstände – etwa Erinnerungen von Alice – finden kann, mal leichter versteckt, mal herausfordernder. Ebenfalls zu sammeln sind die sich versteckenden Schweinenasen, die sich jedoch durch ein Grunzen verraten. Gibt man ihnen eine ordentliche Portion Pfeffer, eröffnen sie geheime Wege.

Ein bisschen Hilfe

Neben den Ratschlägen der Grinsekatze steht Alice noch ein ordentliches Waffenarsenal zur Verfügung. Die erste Waffe, die man im Spiel bekommt, ist die Vorpal-Klinge. Sie stellt die klassische, schnelle Einhandwaffe dar. Für den Nahkampf hat man noch das Steckenpferd – einen pferdeköpfigen Hammer –, welches zwar langsamer ist, aber dafür jegliche Verteidigung der Gegner durchbricht.

Auch für den Fernkampf ist Alice mit der Pfeffermühle und dem Teekessel ausgerüstet. Während die Pfeffermühle eher wie ein Maschinengewehr funktioniert, ist der Teekessel eine Art Mörser, der heißen Tee auf die Gegner schießt. Alle Waffen lassen sich mithilfe von Zähnen, die man sammelt oder durch die Zerstörung von Gegnern oder Behältern erhält, aufrüsten, um somit ihre Stärke zu erhöhen. Als kleines Extra bekommt Alice zudem noch die Fähigkeit zu schrumpfen, um so durch Schlüssellöcher an versteckte Orte zu gelangen.

Alles, was es braucht, ist Wahnsinn!

„Alice: Madness Returns“ ist vollkommen zu genießen, auch ohne den Vorgänger gespielt zu haben. Für Sammelfreunde lohnen sich mehrere Spieldurchgänge. Die Welt und das Szenario funktionieren und verzaubern nach acht Jahren immer noch. Jedoch empfehlen wir auf jeden Fall die Konsolen-Version, beziehungsweise einen Controller, da die Portierung für Maus und Tastatur grauenvoll umgesetzt wurde.

Alice: Madness Returns. Leitender Entwickler: American McGee. Publisher: Electronic Arts. Erschienen für: Windows, Xbox 360, Playstation. 2011. Getestet auf: Windows und Playstation 3.

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Bilder: EA
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