Gute Idee, stimmige Umsetzung: Nach einer guten Handlung sucht man allerdings vergebens.

von | 29.10.2014 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

Liebesgeschichte, Teenagerprobleme und etwas Fantasy – Dem Buch „Das Mädchen, das Geschichten fängt“ von Victoria Schwab fehlt es an Spannung und Tiefe. Sätzchenbäckerin Daniela erklärt, warum. 

Nach dem Unfalltod ihres Bruders zieht die Familie der sechzehnjährigen Mackenzie in das ehemalige Hotel Coronado, um ein neues Leben zu beginnen. Während Mackenzie sich noch an die Erinnerungen ihres Bruders klammert, versuchen ihre Eltern zu vergessen. Ihr will das nicht gelingen, denn sie weiß, nach dem Tod sterben Menschen nicht einfach: Sie werden in einer Bibliothek archiviert. Seit Jahren fängt sie als Wächterin bereits entlaufende, archivierte Erinnerungen, so genannte Chroniken ein, und bringt sie zurück ins Archiv.

Das Doppelleben, das sie seitdem führt wird nach dem Umzug immer schwieriger aufrecht zu erhalten, besitzt ihr neues Zuhause doch Unmengen an Türen, die in die „Narrows“ führen, wo entlaufende Chroniken ihr Unwesen treiben. Dass hier auch noch vor etlichen Jahren etwas Schlimmes geschah, bringt Mackenzie dazu weiter nachzuforschen und damit die Grenzen als Wächterin zu überschreiten.

Voraussehbare Handlung

Was dem „Mädchen, das Geschichten fängt“ von Victoria Schwab fehlt, ist die Geschichte. Selbst für ein Jugendbuch ist diese so linear, dass den Leser so gut wie nichts überraschen kann. Das meiste ahnt man bereits drei Seiten im voraus, bei anderen Dingen muss man sogar zwei Drittel des Buches warten, bis diese dann endlich aufgelöst werden und einige Hinweise bleiben am Ende einfach offen liegen.

Es wirkt, als wäre hier versucht worden auf einer guten Idee ein möglichst einfaches Gerüst aufzuziehen, das junge Mädchen ansprechen soll. Neben direkt zwei gut aussenden Jungs, gibt es Teenagerprobleme wie den Wunsch, einmal ganz normal sein zu können. Eigentlich ein Erfolgsrezept.

Das Buch ist aus der Ich-Perspektive und im Präsens geschrieben. Dies entfaltet sich prächtig in alltäglichen Szenen, in denen Mackanzie mit ihren Eltern oder ihrer Freundin spricht. Die unterschiedlichsten Interessen der Charaktere kommen sehr gut rüber und wirken nicht aufgesetzt. Die Trauer um ihren Bruder ist ausreichend, aber nicht zu viel beschrieben. Man fühlt mit der Protagonistin und ihrer Familie mit und findet sich in Alltagssituationen als Leser wieder. Auch gibt es im Buch immer wieder Szenen, in denen sich Mackanzie an ihren Großvater erinnert, der ihr die Aufgabe, die Chroniken einzufangen, vererbt hat. Diese Szenen sind in der Du-Perspektive geschrieben und fügen sich gut zwischen die eigentlichen Szenen ein.

Wenn es nur darum gehen würde, wäre das Buch ein sehr schönes Jugendbuch. Leider gibt es da noch diese merkwürdige Handlung, die sich im Gegensatz zu den liebevollen Alltagsszenen holprig liest. Das geht über unrealistischen, überzogenen Kampfszenen bis hin zu langweiligen Verfolgungsjagden und der bereits beschriebenen mäßig spannenden Handlung.

Vollgepackt mit Klischees

Am Anfang wirkt Mackenzie zudem etwas zu überbegabt, wenn man bedenkt, dass sie zu früh mit ihrer Arbeit als Wächter begonnen hat. Gleichzeitig entwickelt sie sich im Laufe des Buches aber immer mehr zu einer eher durchschnittlich guten Wächterin, was leider durch unrealistische Handlungen ihrerseits gestört wird. Durchgehend drängt sich die Frage auf, warum sie das eine so perfekt kann, während sie von dem anderen überhaupt keine Ahnung hat.

Nicht einmal die Liebesgeschichte kann überzeugen. Von dem klischeehaften „Dinge fallen lassen“ über dumme Sprüche ist hier so gut wie alles vorhanden, was man schon zu Genüge aus anderen Büchern kennt. Warum Mackenzie sich dann aber doch dafür entscheidet, spontan heftigst mit dem einen Jungen herumzuknutschen, bleibt oberflächlich.

Als Fantasyleser sollte man dieses Buch erst gar nicht anfangen, da die doch sehr schön klingende Idee schnell in simple Verstrickungsmuster verfällt. Was das Buch rettet, sind die schönen Erinnerungsszenen und die überzeugenden alltäglichen, zwischenmenschlichen Beziehungen. Auch, dass das Ende doch nicht so schrecklich ist wie erwartet, lässt einen positiv auf das Buch zurückblicken.

Das Mädchen, das Geschichten fängt. Victoria Schwab. Übersetzung: Julia Walther. Heyne. 2014.

 

Bücherstadt Magazin

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