Gewalt ohne Schuldgefühle: Leere Herzen

by Zeichensetzerin Alexa

In Juli Zehs „Leere Her­zen“ lei­ten die Prot­ago­nis­ten Britta Söld­ner und Babak Hamwi ein Geschäft, das sich sui­zid­ge­fähr­dete Men­schen zunutze macht: die Brü­cke. Ihr Kon­zept fußt auf der Grund­lage der unvor­stell­ba­ren Macht eines Men­schen, der mit dem Leben bereits abge­schlos­sen hat. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Als Britta Babak zum ers­ten Mal begeg­net, wirkt es, als würde er von der Brü­cke sprin­gen wol­len. „Mir egal, ob du von der Brü­cke springst oder nicht. Aber wenn du es tust, dann bitte mit etwas Würde“, sagt Britta zu ihm, als sie ihn erneut in Leip­zig am Gelän­der einer S‑Bahn-Brü­cke sieht. So ein Selbst­mord würde ihm immer­hin unglaub­li­che Macht ver­lei­hen, er sei dann „die gefähr­lichste Waffe, die es gibt.“

Dies ist der Beginn ihres lukra­ti­ven, gemein­sa­men Geschäfts. Men­schen, die sich das Leben neh­men wol­len, suchen Britta und Babak auf, durch­lau­fen meh­rere Test­pha­sen und wer­den schließ­lich als „Waf­fen“ ein­ge­setzt. Anhand eines ent­wi­ckel­ten Sys­tems wer­den sui­zi­da­len Nei­gun­gen auf einer Skala aus­ge­wer­tet. Nicht alle errei­chen die letzte Phase, man­che zie­hen ihr Vor­ha­ben zurück, meis­tens, wenn es darum geht, einen Abschieds­brief an die Fami­li­en­an­ge­hö­ri­gen zu ver­fas­sen. Doch als Britta und Babak Kon­kur­renz bekom­men, gerät nicht nur das Unter­neh­men in Gefahr, auch sie selbst wer­den zur Zielscheibe.

„Leere Her­zen“ the­ma­ti­siert die Macht­ver­hält­nisse unter­schied­li­cher Orga­ni­sa­tio­nen, die im Hin­ter­grund agie­ren und auf ihre (gewalt­tä­tige) Weise Ein­fluss auf die Poli­tik neh­men. Britta und Babak wer­den mit ihrem Unter­neh­men reich, ohne die gerings­ten Schuld­ge­fühle zu haben. Es ist ihre Art, ihrem Leben einen Sinn zu verleihen.

Dass die Hör­spiel-Ver­sion sehr gekürzt wurde, ist ins­be­son­dere an feh­len­den Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen und gerin­ger Tiefe zu erken­nen. Den­noch wird die Geschichte ver­ständ­lich trans­por­tiert. Die unter­schied­li­chen Spre­cher­stim­men und der Ein­satz von Hin­ter­grund­ge­räu­schen und Musik machen das Hör­spiel zu einem span­nen­den Hör­erleb­nis. Wer zu die­sem Hör­spiel greift, sei aller­dings auch vor­ge­warnt: Die insze­nierte Gewalt­ein­wir­kung inner­halb einer sui­zi­da­len Test­phase kann beim Hören uner­träg­lich sein.

Leere Her­zen. Juli Zeh. Regie: Tho­mas Wol­fertz. Musik: Marian Lux. Spre­cher: Rai­ner Bock, Bet­tina Hoppe, Jule Böwe u.a. der Hör­ver­lag. 2018.

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