Gewalt ohne Schuldgefühle: Leere Herzen

von | 25.11.2018 | Auditorium, Hörspiele

In Juli Zehs „Leere Herzen“ leiten die Protagonisten Britta Söldner und Babak Hamwi ein Geschäft, das sich suizidgefährdete Menschen zunutze macht: die Brücke. Ihr Konzept fußt auf der Grundlage der unvorstellbaren Macht eines Menschen, der mit dem Leben bereits abgeschlossen hat. – Von Zeichensetzerin Alexa

Als Britta Babak zum ersten Mal begegnet, wirkt es, als würde er von der Brücke springen wollen. „Mir egal, ob du von der Brücke springst oder nicht. Aber wenn du es tust, dann bitte mit etwas Würde“, sagt Britta zu ihm, als sie ihn erneut in Leipzig am Geländer einer S-Bahn-Brücke sieht. So ein Selbstmord würde ihm immerhin unglaubliche Macht verleihen, er sei dann „die gefährlichste Waffe, die es gibt.“

Dies ist der Beginn ihres lukrativen, gemeinsamen Geschäfts. Menschen, die sich das Leben nehmen wollen, suchen Britta und Babak auf, durchlaufen mehrere Testphasen und werden schließlich als „Waffen“ eingesetzt. Anhand eines entwickelten Systems werden suizidalen Neigungen auf einer Skala ausgewertet. Nicht alle erreichen die letzte Phase, manche ziehen ihr Vorhaben zurück, meistens, wenn es darum geht, einen Abschiedsbrief an die Familienangehörigen zu verfassen. Doch als Britta und Babak Konkurrenz bekommen, gerät nicht nur das Unternehmen in Gefahr, auch sie selbst werden zur Zielscheibe.

„Leere Herzen“ thematisiert die Machtverhältnisse unterschiedlicher Organisationen, die im Hintergrund agieren und auf ihre (gewalttätige) Weise Einfluss auf die Politik nehmen. Britta und Babak werden mit ihrem Unternehmen reich, ohne die geringsten Schuldgefühle zu haben. Es ist ihre Art, ihrem Leben einen Sinn zu verleihen.

Dass die Hörspiel-Version sehr gekürzt wurde, ist insbesondere an fehlenden Hintergrundinformationen und geringer Tiefe zu erkennen. Dennoch wird die Geschichte verständlich transportiert. Die unterschiedlichen Sprecherstimmen und der Einsatz von Hintergrundgeräuschen und Musik machen das Hörspiel zu einem spannenden Hörerlebnis. Wer zu diesem Hörspiel greift, sei allerdings auch vorgewarnt: Die inszenierte Gewalteinwirkung innerhalb einer suizidalen Testphase kann beim Hören unerträglich sein.

Leere Herzen. Juli Zeh. Regie: Thomas Wolfertz. Musik: Marian Lux. Sprecher: Rainer Bock, Bettina Hoppe, Jule Böwe u.a. der Hörverlag. 2018.

 

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