Willkommen am Bücher-Versum!

von | 08.03.2013 | Gedankenkrümel, Kreativlabor

Atme besser nochmal tief durch, bevor Du durch die Türen hinein in die Tiefen der Universität der Bücherstadt trittst.

Da sich unsere Jubiläumsausgabe April rund um die Bücherstadt dreht, und Anfang März für viele das Semester begonnen hat, begleitet Erika euch zur Universität der Bücherstadt, dem Buch-Versum.

Du stehst vor der Universität der Bücherstadt, Stift und Papier in deinem Handgepäck. Die großen Doppelflügeltüren sehen aus wie Buchrücken. Oder sind das etwa Buchdeckel? Auf den zweiten Blick wirken sie wie die großen Folianten, die mit Leder überzogen sind und deren Ecken mit vergoldeten Metallbeschlägen verstärkt sind. Dort, wo auf dem Buch der Titel prangen würde, steht in goldenen Lettern eingeprägt „Buch-Versum“.
Du denkst daran, dass Dir das ganze Gebäude viel kleiner vorgekommen ist, als du hier warst, um dich anzumelden. Andererseits hast Du damals nichts Anderes im Kopf gehabt, als deine Studienfächer. Du wolltest dich schließlich nicht für das Falsche anmelden, nicht? Und dann musstest du dich da auch noch zurechtfinden – Gott sei Dank hast Du da noch ein paar Bücherstädter getroffen, die Dir weitergeholfen haben.

Und? Bist du bereit, loszulegen?
Die erste Einführungsvorlesung für Mythen- und Märchenschmiede – dafür hast du dich angemeldet, und Du hoffst, dass es genau das ist, was Du gerne machen möchstest. Du hattest überhaupt lange keine Ahnung, was du belegen solltest: das Angebot der Studienrichtungen ist enorm. Schon allein die Bücherstadt-spezifischen Fächer fandest du allesamt unheimlich interessant. Du kommst nicht aus der Bücherstadt, Du bist gerade in eines der kleinen Studentenzimmer in der ehemaligen Stadtmauer gezogen und Dich interessiert alles, was Du von der Bücherstadt hören kannst. Bücherstadt-Geschichte klang mindestens so interessant wie Papierphysik und Erzählwissenschaft. Und dann noch Literarisches Bücherwissen!
Es ist so schwer, sich auf etwas festzulegen… Oder hättest Du Dich vielleicht doch an der Bücherstadt-Akademie für Buchbinderei bewerben sollen? Auch wenn die Aufnahmeprüfungen scheinbar ziemlich „leimig“ sind? (Daran musst Du Dich auch noch gewöhnen: die kleinen Unterschiede in der Sprache. „Leimig“ hast du noch nicht gekannt.)

Atme besser nochmal tief durch, bevor Du durch die Türen hinein in die Tiefen der Universität der Bücherstadt trittst. Hinter diesen Buchrücken wartet das Wissen der Bücherwelt auf Dich. Du wirst es entdecken und es verstehen. Aber bis dahin müssen vielleicht ein, zwei Wochen vergehen. Heute, an Deinem ersten Tag, bist du erst einmal eingeschüchtert von den vielen verschiedenen Wesen, die hier alle an einem Ort versammelt sind. Hat sich dort hinten tatsächlich eine Leseratte in die Sonne gesetzt, dass ihr graubraunes Fell im Frühlingslicht glänzt wie frisch gebürstet? Und schielt sie tatsächlich zur kleinen Schreiberlingsmaus hin, die sich am Fuß einer Statue im Innenhof niedergelassen hat und wohl vollkommen in ihrer Lektüre versunken ist. Oh, und dort drüben, in den Arkaden: tummelt sich dort eine Gruppe von Bücherwürmern? Einer davon trägt eine dicke Hornbrille und führt wohl gerade das Wort. Wer weiß, worüber sie sich gerade unterhalten.
Ob Du wohl auch irgendwann mit einer dieser Gruppen zusammenstehen und mit ihnen über euren Kurs diskutieren wirst?
Keine Panik!

Willkommen!

Du bemerkst jetzt, dass du ein paar Schritte in Richtung der Schreiberlingsmaus gemacht hast – ihre Lektüre scheint so interessant zu sein, Du würdest sie gerne fragen, was sie gerade ließt. Und dann schießt urplötzlich – wie aus dem Nichts! – ein Buch an dir vorbei. Es flattert, um wieder Schwung zu sammeln für den Aufstieg zu einem der geöffneten Fenster. Die Seiten rauschen im Flugwind und Du blinzelst ihm ungläubig hinterher. War das gerade tatsächlich ein Jürgen-von-Foethe-Buch?
Du starrst noch ein paar Minuten hinterher. Bei dir gab es kaum fliegende Bücher, und Du fragst Dich, ob du auch mit einem arbeiten wirst. Wie geht man überhaupt mit solchen Büchern um?
Keine Panik!
Such‘ erst mal den Hörsaal, in dem die Einführungsveranstaltung stattfindet, wegen der Du hergekommen bist. Du hast den Stundenplan, den Du dir provisorisch zusammengeschrieben hast, in deiner hinteren Tasche, und holst ihn schnell hervor.
„Hörsaal 49, Stiege 9, Hauptgebäude, 1|d90372“, ließt du ab und blickst dich suchend um. Die seltsame Kombination am Ende der Ortsangabe ist für dich noch ein Buch mit sieben Siegeln. Wer weiß, vielleicht erklärt die Einführungsveranstaltung ja etwas.
Du hältst Ausschau nach einem Hinweisschild – und tatsächlich, Du hast Glück! Du folgst den Hinweisen, bis Du zu einem der Hörsäle kommst, in dem schon ein ganzer Haufen Erstsemester wartet. Unten steht auch schon ein Professor bereit. Er ist irgendwie alterslos – oder Du sitzt einfach zu weit weg, um ihn genauer zu erkennen. Seinen Namen hast Du Dir auch nicht merken können.

Der Professor dreht sich um und schreibt in großer Blockschrift: „Heinrich Lesezeichen“ an die Tafel, und Du musst lächeln. Professorin Gretchen Mephisto ist für die andere Einführungsvorlesung zuständig, die Du besuchst.

Eine geschätzte halbe Ewigkeit später – irgendwie hat sich die Zeit dann doch mehr in die Länge gezogen als Du erwartet hast – verlässt Du den Hörsaal wieder. Ob du ihn nächste Woche wiederfindest?
Für Deinen ersten Tag hast du dich schon gut geschlagen, und sieh mal! Die Doppelflügeltüren der Universität Buch-Versum sind tatsächlich Bücher: die Seiten rascheln leise, während sie sich vor Dir öffnen.

Atme noch einmal tief durch, bevor Du wieder nach draußen auf das Pflaster der Bücherstadt trittst. Das ist die Luft eines ersten Males, auf das noch viele weitere folgen werden.

Und wie stellt ihr euch die Bücherstadt vor?

Erika

Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

1 Kommentar

  1. Avatar

    Was für eine Vorstellung! Vielen Dank! Ich hatte das Glück, diesen Text vorgelesen zu bekommen. = ) Sehr sehr schön. Ob ich dort angenommen werde, wenn ich mich um einen Studienplatz bewerbe? Ob ich dort auch Vorlesekunst und Illustration studieren kann? Gibt es auch eine Fakultät für Textvertonung? So viele Fragen, die uns Lesern offen sind… die darauf warten, nachgeblättert zu werden.

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