Frischer Anstrich für die „Farm der Tiere“

by Satzhüterin Pia

George Orwells „Farm der Tiere“ gehört neben sei­nem Roman „1984“ zu den meist­ge­le­se­nen Büchern des 20. Jahr­hun­derts und es gibt zahl­lose Über­set­zun­gen die­ser dys­to­pi­schen Klas­si­ker. Eine moderne Neu­über­set­zung der jewei­li­gen Romane wurde nun von Chris­toph Maria Herbst stim­mungs­voll ein­ge­le­sen. Satz­hü­te­rin Pia hat mit „Farm der Tiere“ angefangen.

Auf der „Män­ner­farm“ lei­den die Tiere unter dem sau­fen­den Bau­ern Jones, der sie ver­nach­läs­sigt und gewalt­sam behan­delt. Der alte Eber Old Major berich­tet ihnen von einem Traum, in dem gegen den betrun­ke­nen Jones rebel­liert und so eine Befrei­ung der Tiere erwirkt wird. Die Rebel­lion erfolgt nicht lange nach Majors Tod tat­säch­lich, wenn auch voll­kom­men unge­plant, nach­dem Jones seine Tiere allzu lange nicht mehr gefüt­tert hatte. Sie sind nun befreit, die Farm wird zur „Farm der Tiere“ und die bele­se­nen Schweine – allen voran der Eber Napo­leon – schrei­ben sie­ben Gebote des neuen Denk­sys­tems „Ani­ma­lis­mus“ auf die Scheune.

Mit der Zeit wird die Geschichte düs­ter-dys­to­pisch, als die Lei­tung der klu­gen Schweine in eine macht­gie­rige und unter­drü­ckende Struk­tur aus­ar­tet, an deren Ende nicht mehr zwi­schen Schwein und Mensch unter­schie­den wer­den kann. Der Roman wurde schnell als Para­bel auf die Geschichte der Sowjet­union inter­pre­tiert. Die Schweine sind dabei die Bol­sche­wis­ten, die Befrei­ungs­re­bel­lion die Febru­ar­re­vo­lu­tion, wel­che letzt­end­lich in die dik­ta­to­ri­sche Herr­schaft Sta­lins mün­dete – der Eber Napo­leon sym­bo­li­siert dabei Josef Sta­lin. Auch den rest­li­chen tie­ri­schen Bewoh­nern lässt sich ohne wei­te­res eine ein­deu­tige Posi­tion zuschreiben.

Ein Vor­wort der etwas ande­ren Art

Das vom Schrift­stel­ler Ilija Tro­ja­now ver­fasste und ein­ge­le­sene Vor­wort bie­tet einen sehr inter­es­san­ten und krea­ti­ven Ein­stieg in das Hör­buch: Tro­ja­now trifft auf den Ur-Ur-Enkel des klu­gen, aber zurück­hal­ten­den Esels Ben­ja­min aus „Farm der Tiere“ und inter­viewt den eigen­wil­li­gen Esel, des­sen Name aus­ge­rech­net Napo­leon ist. Aus die­sem Gespräch gewin­nen die Höre­rin­nen und Hörer Erkennt­nisse über das Buch, die Zeit und Umstände sei­ner Ent­ste­hung, über Orwell und beson­ders über die Hin­ter­gründe der dys­to­pi­schen Fabel. Für das Ver­ständ­nis und die kor­rekte Ein­ord­nung des Romans sowie sei­ner Meta­pho­rik ist all dies unab­ding­bar – ohne ließe sich die Trag­weite die­ser Para­bel der Geschichte der Sowjet­union kaum erfas­sen. Der Stil ist dabei auf­grund sei­ner Krea­ti­vi­tät sehr gelungen.

Aktu­ell und abwechslungsreich

Die Moder­ni­sie­rung der Über­set­zung hat dem Text gut­ge­tan. Beson­ders die Nen­nung der eng­li­schen Tier­na­men – zum Bei­spiel Bluebell statt Glo­cken­blume – wir­ken zeit­ge­mäß und auch viele Begriff­lich­kei­ten wur­den moder­ni­siert. So heißt es nicht mehr „Lei­nen­tü­cher“, son­dern „Laken“, wenn es um die Bett­wä­sche geht. Beson­ders jün­ge­ren Men­schen dürf­ten die Klas­si­ker so näher­ge­bracht wer­den, ohne die beängs­ti­gende und ein­dring­li­che Bot­schaft zu verlieren.

Chris­toph Maria Herbst liest die „Farm der Tiere“ ange­nehm flott und abwechs­lungs­reich. Den ver­schie­de­nen Tie­ren gibt er ein­drucks­voll unter­schied­li­che Stim­men. Wäh­rend Hör­buch­spre­che­rin­nen und ‑spre­cher hin und wie­der dazu zu nei­gen schei­nen, ten­den­zi­ell lang­sa­mer zu lesen, hat Herbst eine fes­selnde Art, an den rich­ti­gen Stel­len das Tempo anzu­zie­hen oder raus­zu­neh­men. Der Erzäh­ler­part ist dabei zum Bei­spiel schnel­ler als die gemäch­li­che­ren Stim­men der weni­ger klu­gen oder die der älte­ren Figu­ren. Das Hör­buch ist mit unter vier Stun­den auch ange­nehm kurz­wei­lig zu hören.

Farm der Tiere. George Orwell. Über­set­zung: Lutz‑W. Wolff. Gele­sen von Chris­toph Maria Herbst. Ran­dom House Audio. 2021.

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