Frischer Anstrich für die „Farm der Tiere“

von | 25.02.2021 | Auditorium, Hörbücher

George Orwells „Farm der Tiere“ gehört neben seinem Roman „1984“ zu den meistgelesenen Büchern des 20. Jahrhunderts und es gibt zahllose Übersetzungen dieser dystopischen Klassiker. Eine moderne Neuübersetzung der jeweiligen Romane wurde nun von Christoph Maria Herbst stimmungsvoll eingelesen. Satzhüterin Pia hat mit „Farm der Tiere“ angefangen.

Auf der „Männerfarm“ leiden die Tiere unter dem saufenden Bauern Jones, der sie vernachlässigt und gewaltsam behandelt. Der alte Eber Old Major berichtet ihnen von einem Traum, in dem gegen den betrunkenen Jones rebelliert und so eine Befreiung der Tiere erwirkt wird. Die Rebellion erfolgt nicht lange nach Majors Tod tatsächlich, wenn auch vollkommen ungeplant, nachdem Jones seine Tiere allzu lange nicht mehr gefüttert hatte. Sie sind nun befreit, die Farm wird zur „Farm der Tiere“ und die belesenen Schweine – allen voran der Eber Napoleon – schreiben sieben Gebote des neuen Denksystems „Animalismus“ auf die Scheune.

Mit der Zeit wird die Geschichte düster-dystopisch, als die Leitung der klugen Schweine in eine machtgierige und unterdrückende Struktur ausartet, an deren Ende nicht mehr zwischen Schwein und Mensch unterschieden werden kann. Der Roman wurde schnell als Parabel auf die Geschichte der Sowjetunion interpretiert. Die Schweine sind dabei die Bolschewisten, die Befreiungsrebellion die Februarrevolution, welche letztendlich in die diktatorische Herrschaft Stalins mündete – der Eber Napoleon symbolisiert dabei Josef Stalin. Auch den restlichen tierischen Bewohnern lässt sich ohne weiteres eine eindeutige Position zuschreiben.

Ein Vorwort der etwas anderen Art

Das vom Schriftsteller Ilija Trojanow verfasste und eingelesene Vorwort bietet einen sehr interessanten und kreativen Einstieg in das Hörbuch: Trojanow trifft auf den Ur-Ur-Enkel des klugen, aber zurückhaltenden Esels Benjamin aus „Farm der Tiere“ und interviewt den eigenwilligen Esel, dessen Name ausgerechnet Napoleon ist. Aus diesem Gespräch gewinnen die Hörerinnen und Hörer Erkenntnisse über das Buch, die Zeit und Umstände seiner Entstehung, über Orwell und besonders über die Hintergründe der dystopischen Fabel. Für das Verständnis und die korrekte Einordnung des Romans sowie seiner Metaphorik ist all dies unabdingbar – ohne ließe sich die Tragweite dieser Parabel der Geschichte der Sowjetunion kaum erfassen. Der Stil ist dabei aufgrund seiner Kreativität sehr gelungen.

Aktuell und abwechslungsreich

Die Modernisierung der Übersetzung hat dem Text gutgetan. Besonders die Nennung der englischen Tiernamen – zum Beispiel Bluebell statt Glockenblume – wirken zeitgemäß und auch viele Begrifflichkeiten wurden modernisiert. So heißt es nicht mehr „Leinentücher“, sondern „Laken“, wenn es um die Bettwäsche geht. Besonders jüngeren Menschen dürften die Klassiker so nähergebracht werden, ohne die beängstigende und eindringliche Botschaft zu verlieren.

Christoph Maria Herbst liest die „Farm der Tiere“ angenehm flott und abwechslungsreich. Den verschiedenen Tieren gibt er eindrucksvoll unterschiedliche Stimmen. Während Hörbuchsprecherinnen und -sprecher hin und wieder dazu zu neigen scheinen, tendenziell langsamer zu lesen, hat Herbst eine fesselnde Art, an den richtigen Stellen das Tempo anzuziehen oder rauszunehmen. Der Erzählerpart ist dabei zum Beispiel schneller als die gemächlicheren Stimmen der weniger klugen oder die der älteren Figuren. Das Hörbuch ist mit unter vier Stunden auch angenehm kurzweilig zu hören.

Farm der Tiere. George Orwell. Übersetzung: Lutz-W. Wolff. Gelesen von Christoph Maria Herbst. Random House Audio. 2021.

 

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