Flusskreuzfahrt mit dreifachem Wortwert

von | 10.11.2019 | Belletristik, Buchpranger

In der Normandie regnet es tote Vögel – und nur der Protagonist in Victor Pouchets Debüt „Warum die Vögel sterben“ scheint sich dafür zu interessieren. Mit ihm ist Worteweberin Annika auf Flusskreuzfahrt gegangen.

Der Ich-Erzähler des Romans begibt sich von Paris aus auf der Seine Princess auf Flusskreuzfahrt, um dem rätselhaften Vogelsterben in der Normandie auf den Grund zu gehen. Immerhin ging der Regen auch auf sein Heimatstädtchen nieder – sollte die drohende Apokalypse mit ihm selbst zu tun haben?

Mit „landschaftlicher Ungeduld“ und Vollpension schippert er einer sehnsüchtig erwarteten Lösung entgegen. Sie wird ihn hoffentlich angemessen berühmt machen, wenn das seine niemals fertigwerdende Doktorarbeit schon nicht kann. Wahllos beginnt er mit Recherchen in der Bibel, bei Plinius, im „Buch der Verdammten“, kramt in Kindheitserinnerungen an Hitchcocks Film „Die Vögel“ und gerettete Tauben. Auch wenn er dem Naturphänomen so nicht wirklich beikommen kann, nähert er sich anderen Antworten, über sich, über das Leben.

„Scrabble ist so frustrierend wie das Leben: […] Es gibt Menschen mit zweifachem Wortwert, Nachmittage mit dreifachem, Y-Tage (zehn Punkte), sehr viele E-, A- und S-Vormittage (ein Punkt), vor allem aber gibt es Tage, wo wir aus all den vor uns liegenden Buchstaben nicht ein einziges Wort zusammensetzen können.“ (S. 105)

Wie sein Autor und wie ein Naturforscher und Museumsgründer, auf den er unterwegs stößt, heißt der Erzähler Victor Pouchet. Auf seinem Scrabble-Brettchen hat er lauter unverknüpfbare Buchstaben angesammelt: eine beendete Beziehung, die angefangene Doktorarbeit, ein belastetes Verhältnis zum Vater und zur Heimat, wenig Zuversicht.

Auch wenn es dem Erzähler am Ende nicht gelingt, alle losen Fäden zu verknüpfen, ist „Warum die Vögel sterben“ doch ein Buch der kleinen Wahrheiten, klug beobachtet und sprachschön erzählt. In diesen Beschreibungen schwelgt man gerne, lässt sich auch über die Recherchen ausführlich informieren, ohne dass Langeweile aufkommt. Dieses Debüt ist angenehme anspruchsvolle Unterhaltung, ein Buch, das Spaß macht, aber nicht unbedingt lange nachwirkt.

Warum die Vögel sterben. Victor Pouchet. Aus dem Französischen von Yvonne Eglinger. Berlin Verlag. 2019.

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