Familienzwist auf asgadianisch

von | 19.11.2017 | Filme, Filmtheater

Freundin weg, Hammer weg, Papa weg und dann steht auch noch Ragnarök bevor. Wenn das mal keine miesen Aussichten sind. Jetzt heißt es entweder Trübsal blasen oder ordentlich auf den Putz hauen. Regisseur Taika Waititi hat sich für das letztere entschieden und liefert mit „Thor – Tag der Entscheidung“ ein Feuerwerk der guten Laune. Geschichtenerzähler Adrian hat sich diesen Spaß nicht entgehen lassen.

Nachdem Thor (Chris Hemsworth) in „Avengers: Age of Ultron“ erfahren hat, dass eine große Bedrohung für Asgard bevorsteht, begibt er sich auf die Suche nach Antworten. Er findet sie bei dem Feuerdämon Surtur, der ihm eröffnet, dass Ragnarök, die nordische Version der Apokalypse, kurz bevorsteht. Auch bringt er Thor auf die Fährte, dass der Odin, der in Asgard gerade regiert, nicht der ist, der er vorgibt zu sein. Da Surtur eine wichtige Rolle bei Ragnarök spielen wird, erschlägt Thor ihn kurzerhand und bringt seine Krone in die Schatzkammer von Asgard. Er erhofft sich dadurch, das Ende aller Tage zu verhindern.

Zu Hause angekommen, enttarnt er den falschen Odin als Loki (Tom Hiddleston). Dieser scheint dem Tod ein weiteres Mal entgangen zu sein. Auf Thors Drängen hin, gehen die beiden Brüder auf die Suche nach ihrem verschwunden Vater. Sie finden ihn schließlich in Norwegen. Kurz bevor Odin „stirbt“, offenbart er seinen Söhnen die Existenz seiner Erstgeborenen: Hela, die Göttin des Todes (Cate Blanchett). Nach Odins Tod würde Hela aus ihrem Gefängnis befreit werden, in das ihr Vater sie vor sehr langer Zeit eingesperrt hat, und nach ihrem rechtmäßigen Erbe, dem Thron von Asgard, verlangen.

Es kommt wie von Odin prophezeit, denn kaum entschwindet dieser, taucht Hela auf und es kommt zum Kampf der drei Geschwister. Bei diesem zerstört Hela ohne Probleme Thors Hammer. Die beiden Brüder versuchen durch den Bifröst zu entkommen, werden jedoch von Hela eingeholt und ins All geschleudert.

Während Hela Asgard erobert, landet Thor durch ein Wurmloch auf dem Müllplaneten Sakaar, der vom exzentrischen Grandmaster (Jeff Goldblum) beherrscht wird. Durch Scrapper 142 (Tessa Thompson) gefangen genommen, muss Thor nun zur Belustigung der Massen als Gladiator in der Arena des Grandmasters antreten, wo er auch seinen ehemaligen Avenger-Kollegen Hulk (Mark Ruffalo) wiedertrifft. Ebenso wie seinen Bruder Loki. Trotz all der Verluste und Niederlagen gibt Thor nicht auf und will ein Team zusammenstellen, um Asgard von Hela zurück zu erobern.

Die richtige Balance

Mit dem Film „5 Zimmer, Küche, Sarg“ und den beiden Thor-Kurzfilmen bewies der neuseeländische Regisseur Taika Waititi, dass er trotz viel schrägem Humor die Ernsthaftigkeit nicht aus den Augen verliert. So merkt man bereits in den ersten Szenen, dass „Thor – Tag der Entscheidung“ dem in keiner Weise nachsteht. Ist anfangs noch zu befürchten, der Film würde zu einem kindischen Klamauk verkommen, so zeigte sich, wie viel Tragik der Film trotz der vielen Gags transportiert. Schließlich geht es in dem Film um Verlust – nicht nur auf der materiellen Ebene, auch der Verlust von Kontrolle. Die komischen Elemente sorgen dafür, dass der Film nicht in die Schwermütigkeit abrutscht.

Auch das Setting ist von Waititi fantastisch gewählt. Er erschafft eine wunderbare Balance zwischen der Welt rund um Thor und die der neun Welten sowie der Kulisse, in dem die „Guardians of the Galaxy“ agieren. So kommt durch Sci-Fi-Kulissen eine Verbindung zwischen den verschiedenen Marvel-Filmen zustande und es entsteht erstmals der Eindruck, dass diese beiden Filmreihen im selben Universum spielen.

Marvel und sein Problem mit den Frauen

Weithin erntet Marvel viel Kritik, dass sie zu wenig Fokus auf ihre weiblichen Charaktere legen. Ein von Fans gewünschter Film über die Vorgeschichte von Natasha Romanoff alias Black Widow blieb bisher unerfüllt und scheint auch nicht in Planung zu sein. Ebenso Gamora aus den „Guardians of the Galaxy“-Filmen schwankt auf demselben Level zwischen bruchstückhafter, tragischer Vorgeschichte und Love Interest.

Nun warb Marvel mit Cate Blanchett als Hela für die erste weibliche Gegenspielerin; also eine Hauptantagonistin. Jetzt kann man natürlich hoffen, dass solch ein wichtiger Charakter gut beleuchtet wird, um dessen Motive für die Zuschauer verständlich darzustellen. Falsch gedacht. Helas Vorgeschichte und Motive sind in einem Satz erzählt – und zudem ohne Spoiler. Sie war wahnsinnig und ihr Vater Odin sperrte sie ein. Es ist eine ganz einfache „Daddy hat mich nicht mehr lieb“-Geschichte. Ja, Helas Geschichte ist tragisch, jedoch so platt präsentiert, dass es eine Schande ist für die Comicnemesis von Thor. Allgemein wirkt Oscar-Preisträgerin Blanchett ziemlich unmotiviert in ihrer Rolle, was man der Charakterschauspielerin kaum verdenken kann. Andererseits muss man gestehen, dass es auch eine ziemlich schwere Aufgabe ist, sich gegen Loki als Antagonisten durchzusetzen.

Ein Lichtblick ist dagegen Tessa Thompson, welche als gefallene aber dennoch taffe Walküre eine wunderbare Rolle abliefert. Der kurze Einblick in ihre Vergangenheit ist emotional und packend, sodass es gar nichts weiter bedarf, um sich in ihren Charakter hinein zu fühlen. Der einzige fade Beigeschmack ist hierbei, dass sie mit ihrer Rolle Jaimie Alexander – welche in den ersten beiden Thor-Filmen die Kriegerin Sif verkörperte – als starken weiblichen Charakter ablöst. Diese hat nämlich keinen Auftritt in „Thor – Tag der Entscheidung“.

Ein Hoch auf Charakterentwicklung

Bis auf Hela machen jedoch alle Hauptcharaktere eine merkliche Charakterentwicklung durch. Thor durchläuft, vergleichbar mit dem ersten Thor-Film, eine weitere Selbstfindungsphase. Auf die Knie gezwungen durch viele Verluste macht sich Thor daran, neue Wege zu finden und nicht aufzugeben. Dadurch verändert sich auch sein Charakter, ebenso wie sein Haarschnitt.

Seinem Bruder Loki merkt man an, dass er sich im Vergleich zum ersten Thor-Film stark weiterentwickelt hat. Zwar kann man ihm immer noch nicht ganz vertrauen, was Teil seiner Rolle ist, aber dennoch glaubt man immer mehr, Lokis guten Kern zu sehen. Obwohl Hulks Geschichte um sein Weltraumabenteuer ziemlich beschnitten wurde, basiert ein Großteil des Szenarios in diesem Film doch auf der Comicstoryline „Planet Hulk“. Es wird einem bewusst, dass der „Große Grüne“ nicht nur der brutale Hau-Drauf ist. Er ist nicht nur ein wütender Bruce Banner, sondern hat einen eigenen eigenständigen Charakter und kämpft mit sich und seiner ständigen Wut. Zur Entwicklung von Walküre ist zu sagen, dass auch sie mit tragischem Verlust zu kämpfen hat. Man erlebt, wie sie fällt, wie sie versucht, den Schmerz mit Alkohol zu unterdrücken, und durch das Annehmen dieses Schicksals stärker als zuvor wieder daraus hervorgeht.

Ein kurzes saures Aufstoßen

Neben dem Verschwinden von Sif und Jane Foster ist es zudem traurig anzusehen, wie die Freunde von Thor beinahe schon „peinlich beseitigt“ werden. Während Hogun wenigstens noch ein paar Sätze sagen darf, bevor Hela ihn tötet, haben Fandral und Volstagg keinerlei Chance mehr dazu. Es wirkt ziemlich aufgesetzt wie Thors Freunde einfach ausgetauscht werden. Ebenso wie das Ausbleiben jeglicher Reaktion von Thors Seite zum Tod seiner ehemals besten Freunde.

Stop! Hammertime!

Der Film ist bis auf die enttäuschende Antagonistin ein gelungener Film. Nach dem schwachen zweiten Teil sorgt Nummer drei wieder für mehr Pepp im Thor-Universum. Die Charaktere bringen Stimmung in den Kinosaal und vor allem das Zusammenspiel zwischen den beiden Geschwistern Thor und Loki ist ein Fest für die Lachmuskulatur. „Thor – Tag der Entscheidung“ ist auf jeden Fall eine Empfehlung für alle Fans von Superhelden-Filmen und auch darüber hinaus.

Thor – Tag der Entscheidung. Regie: Taika Waititi. Drehbuch: Christopher Yost et. al. Darsteller: Chris Hemsworth, Tom Hiddelston, Jeff Goldblum, Cate Blanchett u.v.m. Walt Disney. USA, 2017.

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