Eine tragisch-düstere Wikinger-Sage

by Geschichtenerzähler Adrian

The Northman„The North­man“ (2022) ist der aktu­elle Film von Regis­seur Robert Eggers, der bereits mit sei­nen bei­den Vor­gän­ger­wer­ken „The VVitch“ und „The Light­house“ vor allem Cine­as­ten und Genre-Kino­gän­ger begeis­tern konnte. Nun wagt Eggers sich in die Zeit der Nord­män­ner und an ein düs­te­res, his­to­ri­sches Rache-Drama, das sich Geschich­ten­er­zäh­ler Adrian ange­schaut hat.

Das Jahr 895: Nach­dem der Wikin­ger­kö­nig Aur­van­dil (Ethan Hawke), auch der Raben­kö­nig genannt, zwar sieg­reich, aber schwer ver­wun­det, auf sein Insel­reich Hrafnsy im Nord­at­lan­tik zurück­ge­kehrt ist, plant er sei­nem 10-jäh­ri­gen Sohn Amleth den Thron zu übergeben.

Bevor jene Über­gabe voll­zo­gen wer­den kann, wird Aur­van­dil von sei­nem Halb­bru­der Fjöl­nir (Claes Bang) getö­tet. Amleth gelingt die Flucht und er schwört, sei­nen Vater zu rächen, seine Mut­ter Gud­rún (Nicole Kid­man) zu ret­ten und Fjöl­nir zu töten.

Viele Jahre spä­ter ist Amleth (Alex­an­der Skars­gård) zu einem bru­ta­len Krie­ger her­an­ge­wach­sen und plün­dert und brand­schatzt mit einer Bande die Dör­fer im Land der Rus. Nach solch einem Raub­zug sieht er die Mög­lich­keit, sei­nen Rache­plan durch­zu­füh­ren. Getarnt als Sklave für Fjöl­nir schmug­gelt sich Amleth auf ein Boot, wo er unter ande­rem die Skla­vin Olga (Anya Tay­lor-Joy) kennenlernt.

His­to­risch

Schon mit „The VVitch“ bewies Eggers, dass er ein Händ­chen für his­to­ri­sche Akku­ra­tesse hat, bezie­hungs­weise gro­ßen Wert dar­auf legt. Bei „The North­man“ ori­en­tiert er sich an einer alt­dä­ni­schen Sage, die auch die Grund­lage für Shake­speares Drama „Ham­let“ ist. So ver­sucht er zum einen, den All­tag der Men­schen aus die­ser Zeit wie­der­zu­ge­ben, und zum ande­ren taucht der Film immer wie­der in die Mythen- und Sagen­welt der Wikin­ger ein.

Meh­rere Male wer­den Rituale dar­ge­stellt, um etwa den Göt­ter­va­ter Odin zu ehren oder man sieht, wie sich Krie­ger um ein Feuer in Trance tan­zen, um so als blut­rüs­tige Ber­ser­ker in die Schlacht zu zie­hen. Jene Riten beinhal­ten meist hal­lu­zi­no­ge­nen Mit­tel und ani­ma­li­sches Ver­hal­ten, wie etwa Wolfs­heu­len. All­ge­mein bekom­men die Zuschau­en­den einen skur­ri­len, jedoch pas­sen­den Ein­blick in die Glau­bens­welt der Wikinger.

Folk­lo­ris­tisch

Ein­zig bei Ritua­len macht „The North­man“ jedoch nicht halt, denn immer wie­der tau­chen Gestal­ten aus der nor­di­schen Mytho­lo­gie auf oder Anzei­chen ihres Wir­kens. So beginnt bei­spiels­weise der Film mit dem Auf­tau­chen von zwei Raben, was klar auf Göt­ter­va­ter Odin hin­deu­tet. Spä­ter steht der All­va­ter selbst ein Blin­zeln lang als Schat­ten­ge­stalt in einen blauen Man­tel gehüllt neben dem halb­to­ten Amleth, der sich dar­auf­hin auf dem Pferd einer Wal­küre wie­der­fin­det, die ihn nach Wal­halla brin­gen will.

Nie drif­tet der Film aber in eine zu fan­tas­ti­sche Rich­tung ab. Alle Auf­tritte von mytho­lo­gi­schen Figu­ren kön­nen etwa durch Hal­lu­zi­na­tio­nen, Nah­tod­erfah­run­gen und Wunsch­träu­men erklär­bar gemacht wer­den. Zudem unter­strei­chen sie die Wich­tig­keit und Inten­si­tät des Glau­bens zu die­ser Zeit, denn glaubt man nur fest genug an etwas, sieht man über­all Omen und das Wir­ken von Göt­tern. Ähn­lich ver­hält es sich mit Berich­ten über Marien- und Engels­er­schei­nun­gen im christ­li­chen Glauben.

Zu viel Rache

Auch wenn es der Film schafft, die Zuschau­en­den mit sei­nen atmo­sphä­ri­schen Bil­dern und beein­dru­cken­den Land­schafts­auf­nah­men in diese düs­tere Welt zu zie­hen, stellt sich nach kur­zer Zeit eine gewisse Ernüch­te­rung und Lan­ge­weile ein. Dies liegt nicht mal an den 137 Minu­ten Lauf­länge, son­dern an der Geschichte, die „The North­man“ in die­ser Zeit erzäh­len will. Die Geschichte han­delt, bis auf einige kleine Bruch­stü­cke, von Rache. Jedoch bie­tet die Hand­lung nicht wirk­lich mehr und das ist ein­deu­tig zu wenig, um einen Strei­fen die­ser Länge zu füllen.

Im Trai­ler ist die mar­kante Szene zu sehen, in der Amleth sei­nen Schwur immer wie­der wie ein Man­tra auf­sagt – Vater rächen, Mut­ter ret­ten, Fjöl­nir töten. Bestün­den Skars­gårds Text­zei­len ein­zig aus die­sem Man­tra, es hätte wenig Unter­schied in der Hand­lung gemacht – zumin­dest kommt im Laufe des Films das Gefühl auf, so häu­fig wie Amleth über seine Bestim­mung, wie er es nennt, spricht.

Zu laut

Jedoch trägt nicht die Geschichte allein dazu bei, dass „The North­man“ ab einem gewis­sen Punkt anstren­gend wird. Auch die Musik macht den Film in eini­gen Momen­ten nicht gerade leicht anzu­se­hen. Schein­bar ist es seit gerau­mer Zeit in Hol­ly­wood ein Trend, die musi­ka­li­sche Unter­ma­lung so zu über­dre­hen, dass es unan­ge­nehm wird. Bereits Denis Ville­neu­ves „Dune“ war in man­chen Tei­len wegen sei­ner viel zu lau­ten und gerade schril­len sowie krat­zi­gen Musik schwer zu ertra­gen. Chris­to­pher Nolans über­trieb es mit „Tenet“ soweit, dass seine Musik sogar die Dia­loge übertönte.

Nun reiht sich auch „The North­man“ in jene Sparte von Fil­men ein, die mit ihrer musi­ka­li­schen Unter­ma­lung mehr abschre­cken, als dass diese zur Immersion bei­trägt. Allein die ers­ten Minu­ten dröh­nen so sehr, dass einem die Ohren wehtun.

Und die Moral von der Geschicht …

Den Bil­dern und dem Set­ting sowie deren Umset­zung nach ist „The North­man“ ein beein­dru­cken­des Werk gewor­den. Eggers beweist erneut, dass er ein Regis­seur ist, der His­to­rie sehr ernst nimmt. Zudem ist die schau­spie­le­ri­sche Leis­tung von etwa Anya Tay­lor-Joy, Nicole Kid­man und vie­len ande­ren eine ein­drucks­volle Dar­bie­tung. Selbst der kurze Auf­tritt von Wil­lam Defoe ist fan­tas­tisch in Szene gesetzt.

Jedoch steigt und fällt ein Unter­hal­tungs­me­dium mit sei­ner Geschichte und die bie­tet für 2:17 Stun­den – mit Abspann – zu wenig Fut­ter. Somit geht „The North­man“ zu schnell die Luft aus und fühlt sich am Ende schwer und gezwun­gen an. So zeigt der Film als Moral für Amleth ebenso wie für die Dreh­buch­au­to­ren ein­dring­lich: Gibt man der Rache zu viel Raum, macht sie mehr kaputt, als dass sie hilft.

Die­ser Film, ohne die Rache­ge­schichte und als Doku­men­ta­tion für bei­spiels­weise „Terra X“ umge­setzt, wäre eine wun­der­bare und lehr­rei­che Erfah­rung. Natür­lich dann mit etwas weni­ger Blut.

The North­man. Regie: Robert Eggers. Dreh­buch: Robert Eggers, Sjón Sigurds­son u.a. Mit: Alex­an­der Skars­gård, Anya Tay­lor-Joy, Nicole Kid­man u.a. Focus Fea­tures, Uni­ver­sal Stu­dios. 2022. FSK: 16.

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