Eine tragisch-düstere Wikinger-Sage

von | 22.06.2022 | Filme, Filmtheater

„The Northman“ (2022) ist der aktuelle Film von Regisseur Robert Eggers, der bereits mit seinen beiden Vorgängerwerken „The VVitch“ und „The Lighthouse“ vor allem Cineasten und Genre-Kinogänger begeistern konnte. Nun wagt Eggers sich in die Zeit der Nordmänner und an ein düsteres, historisches Rache-Drama, das sich Geschichtenerzähler Adrian angeschaut hat.

Das Jahr 895: Nachdem der Wikingerkönig Aurvandil (Ethan Hawke), auch der Rabenkönig genannt, zwar siegreich, aber schwer verwundet, auf sein Inselreich Hrafnsy im Nordatlantik zurückgekehrt ist, plant er seinem 10-jährigen Sohn Amleth den Thron zu übergeben.

Bevor jene Übergabe vollzogen werden kann, wird Aurvandil von seinem Halbbruder Fjölnir (Claes Bang) getötet. Amleth gelingt die Flucht und er schwört, seinen Vater zu rächen, seine Mutter Gudrún (Nicole Kidman) zu retten und Fjölnir zu töten.

Viele Jahre später ist Amleth (Alexander Skarsgård) zu einem brutalen Krieger herangewachsen und plündert und brandschatzt mit einer Bande die Dörfer im Land der Rus. Nach solch einem Raubzug sieht er die Möglichkeit, seinen Racheplan durchzuführen. Getarnt als Sklave für Fjölnir schmuggelt sich Amleth auf ein Boot, wo er unter anderem die Sklavin Olga (Anya Taylor-Joy) kennenlernt.

Historisch

Schon mit „The VVitch“ bewies Eggers, dass er ein Händchen für historische Akkuratesse hat, beziehungsweise großen Wert darauf legt. Bei „The Northman“ orientiert er sich an einer altdänischen Sage, die auch die Grundlage für Shakespeares Drama „Hamlet“ ist. So versucht er zum einen, den Alltag der Menschen aus dieser Zeit wiederzugeben, und zum anderen taucht der Film immer wieder in die Mythen- und Sagenwelt der Wikinger ein.

Mehrere Male werden Rituale dargestellt, um etwa den Göttervater Odin zu ehren oder man sieht, wie sich Krieger um ein Feuer in Trance tanzen, um so als blutrüstige Berserker in die Schlacht zu ziehen. Jene Riten beinhalten meist halluzinogenen Mittel und animalisches Verhalten, wie etwa Wolfsheulen. Allgemein bekommen die Zuschauenden einen skurrilen, jedoch passenden Einblick in die Glaubenswelt der Wikinger.

Folkloristisch

Einzig bei Ritualen macht „The Northman“ jedoch nicht halt, denn immer wieder tauchen Gestalten aus der nordischen Mythologie auf oder Anzeichen ihres Wirkens. So beginnt beispielsweise der Film mit dem Auftauchen von zwei Raben, was klar auf Göttervater Odin hindeutet. Später steht der Allvater selbst ein Blinzeln lang als Schattengestalt in einen blauen Mantel gehüllt neben dem halbtoten Amleth, der sich daraufhin auf dem Pferd einer Walküre wiederfindet, die ihn nach Walhalla bringen will.

Nie driftet der Film aber in eine zu fantastische Richtung ab. Alle Auftritte von mythologischen Figuren können etwa durch Halluzinationen, Nahtoderfahrungen und Wunschträumen erklärbar gemacht werden. Zudem unterstreichen sie die Wichtigkeit und Intensität des Glaubens zu dieser Zeit, denn glaubt man nur fest genug an etwas, sieht man überall Omen und das Wirken von Göttern. Ähnlich verhält es sich mit Berichten über Marien- und Engelserscheinungen im christlichen Glauben.

Zu viel Rache

Auch wenn es der Film schafft, die Zuschauenden mit seinen atmosphärischen Bildern und beeindruckenden Landschaftsaufnahmen in diese düstere Welt zu ziehen, stellt sich nach kurzer Zeit eine gewisse Ernüchterung und Langeweile ein. Dies liegt nicht mal an den 137 Minuten Lauflänge, sondern an der Geschichte, die „The Northman“ in dieser Zeit erzählen will. Die Geschichte handelt, bis auf einige kleine Bruchstücke, von Rache. Jedoch bietet die Handlung nicht wirklich mehr und das ist eindeutig zu wenig, um einen Streifen dieser Länge zu füllen.

Im Trailer ist die markante Szene zu sehen, in der Amleth seinen Schwur immer wieder wie ein Mantra aufsagt – Vater rächen, Mutter retten, Fjölnir töten. Bestünden Skarsgårds Textzeilen einzig aus diesem Mantra, es hätte wenig Unterschied in der Handlung gemacht – zumindest kommt im Laufe des Films das Gefühl auf, so häufig wie Amleth über seine Bestimmung, wie er es nennt, spricht.

Zu laut

Jedoch trägt nicht die Geschichte allein dazu bei, dass „The Northman“ ab einem gewissen Punkt anstrengend wird. Auch die Musik macht den Film in einigen Momenten nicht gerade leicht anzusehen. Scheinbar ist es seit geraumer Zeit in Hollywood ein Trend, die musikalische Untermalung so zu überdrehen, dass es unangenehm wird. Bereits Denis Villeneuves „Dune“ war in manchen Teilen wegen seiner viel zu lauten und gerade schrillen sowie kratzigen Musik schwer zu ertragen. Christopher Nolans übertrieb es mit „Tenet“ soweit, dass seine Musik sogar die Dialoge übertönte.

Nun reiht sich auch „The Northman“ in jene Sparte von Filmen ein, die mit ihrer musikalischen Untermalung mehr abschrecken, als dass diese zur Immersion beiträgt. Allein die ersten Minuten dröhnen so sehr, dass einem die Ohren wehtun.

Und die Moral von der Geschicht …

Den Bildern und dem Setting sowie deren Umsetzung nach ist „The Northman“ ein beeindruckendes Werk geworden. Eggers beweist erneut, dass er ein Regisseur ist, der Historie sehr ernst nimmt. Zudem ist die schauspielerische Leistung von etwa Anya Taylor-Joy, Nicole Kidman und vielen anderen eine eindrucksvolle Darbietung. Selbst der kurze Auftritt von Willam Defoe ist fantastisch in Szene gesetzt.

Jedoch steigt und fällt ein Unterhaltungsmedium mit seiner Geschichte und die bietet für 2:17 Stunden – mit Abspann – zu wenig Futter. Somit geht „The Northman“ zu schnell die Luft aus und fühlt sich am Ende schwer und gezwungen an. So zeigt der Film als Moral für Amleth ebenso wie für die Drehbuchautoren eindringlich: Gibt man der Rache zu viel Raum, macht sie mehr kaputt, als dass sie hilft.

Dieser Film, ohne die Rachegeschichte und als Dokumentation für beispielsweise „Terra X“ umgesetzt, wäre eine wunderbare und lehrreiche Erfahrung. Natürlich dann mit etwas weniger Blut.

The Northman. Regie: Robert Eggers. Drehbuch: Robert Eggers, Sjón Sigurdsson u.a. Mit: Alexander Skarsgård, Anya Taylor-Joy, Nicole Kidman u.a. Focus Features, Universal Studios. 2022. FSK: 16.

Adrian Ziebarth

Adrian Ziebarth

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