Eine Portion Kunstkrimi, bitte!

von | 06.05.2019 | Belletristik, Buchpranger

Statt über Mord und Totschlag, Verfolgungsjagden und Schusswechsel hat Bernhard Jaumann mit „Der Turm der blauen Pferde“ einen Krimi über Kunst geschrieben. Worteweberin Annika ist der Kunstdetektei von Schleewitz auf die Spur des berühmten Gemäldes von Franz Marc gefolgt.

Der bedeutende Unternehmer und Kunstsammler Schwarzer betraut die Detektei von Schleewitz mit einem unerhörten Fall: Angeblich ist Franz Marcs seit dem Zweiten Weltkrieg verschollenes Gemälde „Der Turm der blauen Pferde“ wieder aufgetaucht, zumindest hat Schwarzer ein solches Bild erstehen können. Die Kunstdetektei von Schleewitz wird mit der Ermittlung der Provenienz, also der Herkunft dieses Bildes beauftragt.

Was ist eigentlich „echt“?

Rupert von Schleewitz, Klara Ivanovic und Max Müller sind das Ermittlerteam in Bernhard Jaumanns neuer Krimireihe. Abwechselnd wird aus den Perspektiven der drei erzählt, wobei zudem Rückblenden in die Vergangenheit eingeschoben sind. Die drei begeben sich auf Spurensuche, klopfen verschiedene Etappen ab und landen bald in Berchtesgaden. Wurde das Bild hier aus einem Zug voller Kunstschätze geklaut? Wer war der Verkäufer und wie kam er an das Bild heran? Und ist das Bild tatsächlich echt?

„Die blauen Pferde sagten ihm, dass alles ganz anders war, als er gedacht hatte. Es gab einen Sinn, es gab eine Wahrheit. Sie versteckte sich tief unter der sichtbaren Oberfläche der Welt und hatte eine Farbe, die man nicht vorherahnen konnte. Er würde danach suchen.“ (S. 14)

Mit der Spurensuche verbunden sind im Roman auch allgemeine Reflexionen über Authentizität – was ist denn eigentlich besser an einem „echten“ Marc, wenn er sich optisch nicht von einer Fälschung unterscheidet? Müssen wir unsere Wertvorstellungen in Bezug auf Kunst und auch auf Bereiche des Alltags überdenken?

Drei Detektive

Das Ermittlertrio besteht aus ganz unterschiedlichen Figuren, die in sich und im Zusammenspiel miteinander viel Potenzial für weitere Bände bieten: Klara Ivanovic ist „geradezu ekelhaft vernünftig“, hat ständig Scherereien mit ihrem Vater, einem alternden Künstler und ein unterkühltes Liebesleben. Rupert von Schleewitz hingegen erweckt eher den Eindruck eines Aufreißers, hat aber auch ein Herz, das er schnell und leichtfertig verschenkt. Und Max Müller schließlich ist der typische, etwas spießige Familienvater, den aber auch einige Probleme plagen.

Und so unterschiedlich, wie die Lebensentwürfe dieser drei sich darstellen, so unterscheiden sich auch die Herangehensweisen an den Kriminalfall. Max ist für Computerrecherchen und Archivarbeit zuständig und schießt sich schnell auf eine Lösung ein, Rupert lässt sich emotional leicht in den Fall verwickeln, während Klara mit kühlem Kopf vorgeht. Die Spannung zwischen den Detektiven lässt sich auch in weiteren Bänden gut aufgreifen und weiterentwickeln.

Der Kunstzirkus

Natürlich werden viele Informationen über Kunst und Franz Marc eingestreut, so dass die Lektüre informativ ist. So geht es um entartete Kunst im Nationalsozialismus und die Kunstzüge voller bedeutender Werke aus Görings Privatbesitz, die nach Berchtesgaden geschickt wurden. Doch es bleibt auch spannend, denn obwohl durch Rückblenden vieles für die Lesenden bekannt ist, was das Ermittlerteam noch nicht weiß, bleibt anderes bis kurz vor und auch noch am Ende offen. Jaumann setzt aber nicht auf Tricks und billige Spannungseffekte. Sein Krimi ist ruhig und überlegt erzählt. Besonders gut hat mir die metafiktionale Wendung am Ende gefallen, die große Teile des Romans relativiert.

Ein Kunstkrimi, das ist mal etwas anderes – und es wird zum Glück weitergehen mit der Kunstdetektei von Schleewitz!

Der Turm der blauen Pferde. Bernhard Jaumann. Galiani Berlin. 2019.

 

Bücherstadt Magazin

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