Eine Geschichte über Tod, Intrigen und eine Drohne

von | 20.02.2017 | Buchpranger, Kinder- und Jugendbücher

Das Motiv der Spionage hat in Kriminalromanen und Thrillern eine lange Tradition. Insbesondere in Politthrillern, deren Handlungen nicht selten im kalten Krieg stattfinden, gehört Überwachung und Bespitzelung der Verdächtigen zur Tagesordnung. Die österreichische Jugendbuchautorin Ursula Poznanski nimmt sich dieses Motivs an und stellt es in einen ungewohnten Kontext. – Von Bücherstädter Florian

Statt Geheimdienste und politische Konflikte von globalen Großmächten bietet Poznanski der Leserschaft eine beschauliche Kleinstadt, in der ein hochbegabter Jugendlicher durch sein ganz besonderes Forschungsprojekt verblüffende Beobachtungen macht. Schnell entsteht eine unheilvolle Geschichte voller seltsamer Begebenheiten und dunklen Geheimnissen.

Jona Wolfram ist 17 Jahre alt und hochbegabt. Seine Intelligenz verschafft ihm ein Stipendium für eine renommierte Universität im fiktiven Rothenheim, in der größtenteils Söhne von reichen Geschäftsmännern und Oligarchen immatrikuliert sind. Was Naturwissenschaften und Mathematik angeht, ist Jona über jeden Zweifel erhaben, doch an sozialer Kompetenz mangelt es ihm gehörig. In seinem Umfeld eckt er stets an und erhält schnell den Ruf eines „Klugscheißers“.
Auch das Verhältnis zu seiner neuen Gastfamilie ist eher unterkühlt. Um mehr über sein Umfeld zu erfahren (und aus reiner Neugier), schickt Jona bald sein liebstes Spielzeug auf die Reise: Elanus, eine hochwertig ausgestattete und selbstgebaute Drohne. Als wäre die Spionage auf eigene Faust noch nicht unterhaltsam genug, steckt er seinen Mitstudenten heimlich kleine Zettel mit bedrohlichen Inhalten zu. Aus einem vermeintlich harmlosen Spaß wird Ernst, als eines Morgens ein Universitätsprofessor tot aufgefunden wird – Selbstmord die Todesursache – und Jona sich dafür verantwortlich wähnt.

Der Selbstmord und weitere mysteriöse Geschehnisse, Verwicklungen und Auffälligkeiten in dem beschaulichen Dorf veranlassen Jona, seine Drohne noch öfter loszuschicken, um der Sache selber auf den Grund zu gehen. Schon bald stellt er fest, dass er nicht nur stiller Beobachter ist, sondern viel mehr selbst in großer Gefahr schwebt. Die vermeintliche Gefahrenquelle lauert aber nicht nur in der Universität, sondern auch in den eigenen vier Wänden.

Jona, der Anti-Held

Trotz auktorialer Erzählform begleitet der Roman durchweg den Alltag von Jona, wobei vor allem seine Gedankenwelt und seine Emotionen in den Vordergrund treten. Seine Gefühle – von Verärgerung über Genugtuung bis hin zu Gewissensbissen – sind den Situationen angemessen, glaubwürdig und überzeugend dargestellt. Die Handlungen Jonas erscheinen nicht immer nachvollziehbar, stehen aber durchaus im Einklang mit seinem impulsiven Charakter. Er repräsentiert einen typischen Anti-Helden, der aber an seinen Herausforderungen wächst und an Reife gewinnt.

Die wichtigsten Protagonisten neben Jona ist die Mitstudentin Marlene und der Nachbar Pascal, mit denen Jona sich anfreundet und die mit der Zeit essentielle Rollen im Roman einnehmen. Während Marlene die gewissenhafte und moralische Instanz darstellt, ist Pascal der humorvolle Kumpeltyp. Die drei Freunde ergänzen sich prächtig und durch ihre gegensätzlichen Wesenszüge ergeben sich immer wieder unterhaltsame Situationen.

Clevere Geschichte und guter Spannungsbogen

„Elanus“ erinnert zeitweise an einen Krimi, in dem Jona unbewusst die Rolle des Detektivs übernimmt. Der Leser tappt lange im Dunkeln, denn es werden ihm viele Puzzleteile vorgelegt, die nicht ineinander zu passen scheinen. Die letztlich entscheidenden Hinweise sind subtil in der Geschichte eingebaut und die Auflösung dementsprechend für den Leser überraschend.

Der Roman kommt eher langsam in Fahrt, wird dann aber sukzessiv spannender und hält diese Spannung konsequent bis zum Ende. Die Kapitel, in denen die Geschichte etwas entschleunigt wird, stören nicht, weil sie einen Einblick ins Innenleben Jonas bieten und somit nie ein Gefühl der Stagnation entsteht. Das Ende des Romans ist unerwartet und versetzt den Leser ins Staunen, wenngleich ein paar Fragen offenbleiben und sich kleinere Logikfehler einschleichen.
Etwas enttäuschend ist die Darstellung vieler Nebencharaktere, die eher farblos und unzugänglich bleiben. Insbesondere über die Gasteltern, die – wie sich herausstellt – eine Leiche im Keller haben, werden zu wenig Hintergrundinformationen preisgegeben.

Auf der Höhe der Zeit

Ein Grund dafür, warum der Roman insgesamt gut funktioniert, liegt in der interessanten, weil aktuellen Thematik. Die Drohnentechnologie entwickelt sich stetig weiter und die Anwendungsbereiche für Drohnen dehnen sich aus. Der Roman verdeutlicht die Schattenseite der Technologie, die Möglichkeit der Überwachung und Nachstellung anderer Zivilisten. Da Poznanskis Beschreibungen der technischen Prozesse und Zusammensetzung der Drohne nachvollziehbar ist, werden auch technikinteressierte Leser Freude an dem Roman haben können. Die Zielgruppe, an die sich das Werk richtet, ist breit gefächert: Krimi- und Thrillerfreunde, ob jugendlich oder erwachsen, sollten „Elanus“ einen Platz in ihrer To-Read-Liste zugestehen.

Elanus. Ursula Poznanski. Loewe Verlag. 2016.

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