Eine Frau und ihre Mission

von | 17.11.2018 | Filme, Filmtheater

Im oscargekrönten „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ ist eine Mutter auf der Suche nach Vergeltung für den Mord an ihrer Tochter. Ihr Mittel zum Weg: drei Plakattafeln, auf denen sie den Polizeichef anklagt. Mit den Tafeln und ihrer kompromisslosen und hasserfüllten Haltung bringt sie bald die ganze Gemeinde gegen sich auf. – Von Bücherstädter Florian Fabozzi

Nachdem ihre Tochter Opfer einer Vergewaltigung wurde, doch der Täter noch immer auf freiem Fuß ist, entschließt Mildred Hayes (Frances McDormand) aus Ebbing, einer Gemeinde in Missouri, selbst aktiv zu werden. Sie erwirbt die Rechte auf drei ungenutzte Plakatwände an einer Landstraße, die sie mit bohrenden Vorwürfen bedruckt. Zum Sündenbock hat sie den Polizeichef Willoughby (Woody Harrelson) auserkoren. „Raped While Dying“, „Still no Arrests?“ und „How come, Chief Willoughby?“ sind die Sätze, die nun jeder Autofahrer liest, der sich auf die Durchfahrt nach Ebbing begibt.

Ihre Absicht, die Aufmerksamkeit der Massen auf den Todesfall zu lenken, gelingt ohne Weiteres. Die Medien berichten und auch der Polizeichef selbst sucht nach einem Gespräch mit ihr. Ihm gelingt es allerdings nicht, Mildred zu beschwichtigen, die davon überzeugt ist, dass die Polizei sich eher auf die Diskriminierung der afro-amerikanischen Bevölkerung konzentriert, als auf die Aufklärung von Mordfällen.

Die Gemeindebewohner solidarisieren sich mit dem Polizeichef, der ein hohes Ansehen genießt. Zudem leidet er an Krebs im fortgeschrittenen Stadium. Mildred lässt sich jedoch nicht von ihrem Weg abbringen. Von Verbitterung und Skepsis zerfressen, weist sie ihre Widersacher zurecht und schreckt auch vor körperlicher Gewalt nicht zurück. Die Stimmung in der Gemeinde wird zusehends aggressiver und als bald ihre Plakatwände abgebrannt werden, schreitet Mildred schließlich zu ihrer radikalsten Tat.

Ein hochkarätiger Cast

Schon ein Blick auf den Cast versetzt die geneigten Filmfans in Verzückung. Da ist zum einen die fabelhafte Frances McDormand, die sich für ihre Darstellung als Mildred über den zweiten Oscar in ihrer langen Laufbahn freuen durfte. Zum anderen Sam Rockwel, der den Oscar als bester Nebendarsteller erhielt. Flankiert werden die zwei Preisträger unter anderem von Woody Harrelson (bekannt aus „Zombieland“ und „Die Tribute von Panem“), Caleb Landry Jones („Get Out“), Lucas Hedges („Manchester by the Sea“) und Peter Dinklage („Game of Thrones“).

„Three Billboards“ in eine Genre-Schublade zu pressen, wäre vergebene Mühe. Schließlich pendelt der Film permanent zwischen Rache-Thriller und schwarzer Komödie, gewinnt im Verlauf mehr und mehr an Tiefe, vor allem dann, wenn einige Charaktere einen Wandel vollziehen und Mildreds steinharte Fassade zu bröckeln beginnt.

In vielerlei Hinsicht bewegt sich Regisseur Martin McDonagh, der das Drehbuch selbst entwickelt hat, auf den Spuren von Quentin Tarantino: das Rachemotiv einer Frau, der Unrecht widerfuhr und die nun auf Vergeltung aus ist. In einer Gesellschaft, deren Einwohner von Impulsivität und unterdrücktem Hass erfüllt sind, kommt es dabei zu rasanten und derb-witzigen Dialogen, gefolgt von schlagartigen, nicht selten blutigen Gewaltszenen. Zwischen Belustigung und Schock liegen für die Zuschauer oft nur wenige Sekunden. Die Gemeindeeinwohner lassen – entsprechend dem Stereotyp von Südstaatenbewohner – rassistische Tendenzen durchblicken, auch das kennt man von Tarantinostreifen. Der Soundtrack, der an alte Spaghettiwestern erinnert, rundet den Tarantinoesken Gesamteindruck ab.

Skurrile Charaktere sorgen für Lacher

Dass die komischen Elemente bei „Three Billboards“ gegenüber den tragischen letztendlich die Oberhand behalten, liegt nicht zuletzt an einigen skurrilen Charakteren und deren Zusammenspiel miteinander. Sei es der aggressive und rassistische Officer Jason Dixon (gespielt von Oscargewinner Sam Rockwell), der eigentlich doch nur ein unsicheres Muttersöhnchen ist, oder der kleinwüchsige James (Peter Dinklage), der mit allen noch so lächerlichen Mitteln um die Liebe Mildreds kämpft und später zu einem Komplizen wird. Regisseur McDonagh findet auch Gefallen daran, sich bitterer Ironie zu bedienen, etwa wenn der rüpelhafte Officer Dixon erstmals sein unmoralisches Verhalten in Frage stellt – während sich um ihn herum unbemerkt Feuer ausbreitet.

Die meisten Charaktere sind vielschichtig, bewegen sich in Grauzonen. Auf Einteilungen in Gut und Böse verzichtet der Regisseur. Selbst bei der Protagonistin, der vermeintlichen Identifikationsfigur, werden vergangene Verfehlungen offenbart. Letztendlich bleiben die Zuseher doch auf der Seite Mildreds, deren Handeln letztlich ein Ausdruck von Verzweiflung ist und eine spezielle Form der Trauerbewältigung. Der Mörder ihrer Tochter ist unbekannt – es fehlt das greifbare Projektionsobjekt für ihren Hass, den sie stattdessen auf den Polizeichef und die ganze Gemeinde bezieht. Der Film stellt die Frage in den Raum, zu welchen Taten Trauer legitimiert und wo man diesbezüglich die Grenze ziehen muss. Auch hinterfragt „Three Billboards“ den Sinn von Selbstjustiz, schließlich entwickeln sich die Dinge für Mildred, trotz allen Aufwands, letztlich nicht so, wie erhofft.

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri. Regie und Drehbuch: Martin McDonagh. Darsteller: Frances McDormand, Woody Harrelson, Sam Rockwell u.a. 20th Century Fox. USA und Großbritannien. 2017. FSK 12.

 

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