Eine Abenteuergeschichte getarnt als Sachbuch

von | 27.08.2020 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Der Titel „Erebus“ hat Fabelforscher Christian sofort neugierig gemacht. Dass der Autor auch noch Sir Michael Palin heißt, Mitglied der berühmten Komikertruppe Monty Python, war eine Überraschung zweifelsohne – aber eine angenehme!

Sir Michael Palin beginnt mit seiner Geschichte ganz am Anfang, noch vor der triumphalen Antarktisexpedition der HMS Erebus und auch vor ihrer verhängnisvollen Expedition in die Arktis – ausgesandt, um die berüchtigte Nordwestpassage vom Atlantik in den Pazifik zu finden und als erste zu durchqueren. Die Leser erfahren von den politischen Umständen, die schließlich zum Bau der Erebus führten und dass sie bereits bei ihrer Fertigstellung nicht mehr so recht ins Konzept der sich neu ausrichtenden Royal Navy passen wollte.

Die Napoleonischen Kriege waren beendet und für Bombarden, wie die Erebus gab es kaum noch Verwendung. Dennoch wurde das Schiff auf seine erste Reise geschickt. Unter dem Kommando von Commander George Haye und später Commander Philip Broke wurden knapp zweieinhalb Jahre Patrouillendienst im Mittelmeer absolviert. Kaum zurück in England schien die Dienstzeit auch schon wieder vorbei zu sein und die Erebus wurde zur Reserve abgestellt und auf die Reede gelegt.

Auf in den Süden

Lange Zeit sah es danach aus, dass die Erebus dort ihr restliches Dasein würde fristen müssen, doch ihre zwar langsame, aber sehr robuste Konstruktion und der neu erstarkende Entdeckerdrang der Briten bescherten ihr ein unerwartetes Comeback. In den Augen der Admiralität war sie wie geschaffen, den widrigen Bedingungen in den Polarmeeren zu trotzen. So ist es nicht verwunderlich, dass die Erebus nach einigen Umbauten zusammen mit der ähnlich gebauten HMS Terror als Schiff für eine Antarktis-Expedition ausgewählt wurde.

Als Kommandant wurde James Clark Ross benannt, der ein paar Jahre zuvor als erster Mensch den magnetischen Nordpol erreicht hatte. Unter seiner Führung gelang es den beiden Schiffen auf ihrer vier Jahre dauernden Mission weiter in den Süden vorzudringen, als je eine Expedition zuvor. Ross‘ Männer konnten dabei unschätzbare Erkenntnisse zum Erdmagnetismus gewinnen und eine ganze Reihe geografischer Entdeckungen machen. So wurden zum Beispiel die beiden nach den Schiffen benannten Vulkane Mount Erebus – der südlichste aktive Vulkan der Erde – und Mount Terror von Ross‘ Männern entdeckt.

Verhängnisvoller Norden

Auch ausgelöst vom Triumph der großen Antarktisexpedition glaubte man, dass nun alles möglich sei – auch eine Durchfahrt der Nordwestpassage. Und welche Schiffe wären wohl besser für ein solches Unterfangen geeignet, als die Erebus und die Terror? Kurzerhand wurde eine neue Expedition ausgerüstet und in Richtung Nordpolarmeer entsandt. Befehligt wurde die Erebus auf dieser Reise, die ihre letzte werden sollte, von Sir John Franklin, dem „Mann, der seine Stiefel aß“ (S. 47). Zuvor war Franklin Gouverneur in Van-Diemens-Land, dem heutigen Tasmanien und hatte die Männer der Ross-Expedition während des antarktischen Winters als Gäste aufgenommen.

Obwohl ich vor nicht allzu langer Zeit eine Dokumentation über die Entdeckung des Wracks der Erebus gesehen hatte, hat mich das Buch von Anfang an mitgerissen. Gekonnt präsentiert Sir Michael Palin eine Flut an Daten und Fakten zur Erebus und erzeugt ganz nebenbei eine derartige Spannung, dass man unbedingt weiterlesen möchte – und das in einem Sachbuch! Auch die letzte Reise der Erebus rekonstruiert er anhand der vorliegenden Fakten schlüssig und stichhaltig und lässt ein eindringliches, aber realistisches Bild von den letzten Monaten der Franklin-Expedition entstehen.

Enthalten sind neben mehreren schwarz-weißen Abbildungen und Karten, die einzelne Reiseetappen nachzeichnen, auch einige Seiten mit farbigen Abbildungen, unter anderem von Mannschaftsmitgliedern, Fundstücken der Franklin-Expedition und dem Wrack der Erebus.

Erebus. Sir Michael Palin. Aus dem Englischen von Rudolf Mast. Mare. 2019.

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