Ein Recht auf Langeweile

von | 26.03.2016 | Bilderbücher, Buchpranger

im-land-der-wolkenNichts ist angeblich schrecklicher als Langeweile. Dieses Nichtstun, in dem man versinkt wie in einem viel zu weichen Federbett. Zu gemütlich ist dieses Bett, um es verlassen zu wollen. Und legt sich die Faulheit daneben, ist der Tag sowieso gelaufen. Bis einen das schlechte Gewissen aufsucht. Meist klopft es abends, kurz vor dem Einschlafen, an die Tür und erinnert uns an unsere Pflichten. Wir werden unruhig, vielleicht sogar panisch, weil die Zeit rast und die Verpflichtungen rufen – wie konnten wir uns nur so gehen lassen? Plötzlich erscheint alles unmöglich und überhaupt ist die ganze Welt schlecht und das Leben, das man führt, anzuzweifeln. Am liebsten würde man diese Gedanken abschalten, aber sie sind hartnäckig. Bis der Schlaf uns von ihnen reißt.

Ist Nichtstun wirklich so schlecht? „Im Land der Wolken kennen die Menschen keine Langeweile“, heißt es im Bilderbuch „Im Land der Wolken“ von Alexandra Helmig und Anemone Kloos. „Der Himmel ist voller Ideen, die in verschiedenen Wolken vorbeifliegen.“ Die Menschen in diesem Buch wissen gar nicht, wie es ist, nichts zu tun zu haben. „Nichtstun“ ist etwas so Fremdartiges, dass der Junge Henry, der einfach mal nichts tut, als krank und seltsam beschimpft wird. Keiner traut sich in seine Nähe, aus Angst, sich mit „Nichtstun“ anzustecken. Keiner außer Sara. Zwar ist auch sie durch das Verhalten Henrys verunsichert, aber ihre Neugier ist zu stark, um sich von ihm fernzuhalten. Und so lernt auch sie das „Nichtstun“ kennen …

Sehr einfach ist diese Geschichte gehalten, doch umso klarer ist deren Aussage. Gerade durch die farbenfrohen Illustrationen wird die ideenreiche Welt widergespiegelt. Ideen, die von den Wolken kommen und die Menschen dazu animieren, ständig etwas tun zu müssen. So sehr sind sie den Wolken verfallen, dass sie „Angst haben, die besten zu verpassen“.

Etwas verpassen – würden sie das tatsächlich? In diesem Kontext erscheinen die vielfältigen Farben und Motive vielmehr als Reizüberflutung. Kein Wunder also, dass der Protagonist Henry Kopfschmerzen von den Wolken bekommt. So vollgefüllt ist das Leben dieser Menschen, dass kein Raum bleibt für eigene Ideen. Dabei können erst durch Nichtstun und Langeweile – und vor allem in dieser Kombination – die besten Ideen entstehen. Kann Nichtstun also wirklich schlecht sein? Vielleicht sollten wir uns noch einmal mit unserem schlechten Gewissen unterhalten. Heute Abend dann. Aber diesmal mit diesem Buch an unserer Seite.

Zeichensetzerin Alexa

Im Land der Wolken. Alexandra Helmig. Illustration: Anemone Kloos. Mixtvision. 2016.

 

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

2 Kommentare

  1. Avatar

    Manchmal habe ich den Eindruck das das Wort `Langeweile` in unserer Gesellschaft negativ gesehen wird.

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    • Avatar

      Oh, den Eindruck habe ich leider auch. Ein Grund mehr, dieser Einstellung entgegen zu wirken! 🙂

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