Ein Recht auf Langeweile

by Zeichensetzerin Alexa

im-land-der-wolkenNichts ist angeb­lich schreck­li­cher als Lan­ge­weile. Die­ses Nichts­tun, in dem man ver­sinkt wie in einem viel zu wei­chen Feder­bett. Zu gemüt­lich ist die­ses Bett, um es ver­las­sen zu wol­len. Und legt sich die Faul­heit dane­ben, ist der Tag sowieso gelau­fen. Bis einen das schlechte Gewis­sen auf­sucht. Meist klopft es abends, kurz vor dem Ein­schla­fen, an die Tür und erin­nert uns an unsere Pflich­ten. Wir wer­den unru­hig, viel­leicht sogar panisch, weil die Zeit rast und die Ver­pflich­tun­gen rufen – wie konn­ten wir uns nur so gehen las­sen? Plötz­lich erscheint alles unmög­lich und über­haupt ist die ganze Welt schlecht und das Leben, das man führt, anzu­zwei­feln. Am liebs­ten würde man diese Gedan­ken abschal­ten, aber sie sind hart­nä­ckig. Bis der Schlaf uns von ihnen reißt.

Ist Nichts­tun wirk­lich so schlecht? „Im Land der Wol­ken ken­nen die Men­schen keine Lan­ge­weile“, heißt es im Bil­der­buch „Im Land der Wol­ken“ von Alex­an­dra Hel­mig und Ane­mone Kloos. „Der Him­mel ist vol­ler Ideen, die in ver­schie­de­nen Wol­ken vor­bei­flie­gen.“ Die Men­schen in die­sem Buch wis­sen gar nicht, wie es ist, nichts zu tun zu haben. „Nichts­tun“ ist etwas so Fremd­ar­ti­ges, dass der Junge Henry, der ein­fach mal nichts tut, als krank und selt­sam beschimpft wird. Kei­ner traut sich in seine Nähe, aus Angst, sich mit „Nichts­tun“ anzu­ste­cken. Kei­ner außer Sara. Zwar ist auch sie durch das Ver­hal­ten Hen­rys ver­un­si­chert, aber ihre Neu­gier ist zu stark, um sich von ihm fern­zu­hal­ten. Und so lernt auch sie das „Nichts­tun“ kennen …

Sehr ein­fach ist diese Geschichte gehal­ten, doch umso kla­rer ist deren Aus­sage. Gerade durch die far­ben­fro­hen Illus­tra­tio­nen wird die ideen­rei­che Welt wider­ge­spie­gelt. Ideen, die von den Wol­ken kom­men und die Men­schen dazu ani­mie­ren, stän­dig etwas tun zu müs­sen. So sehr sind sie den Wol­ken ver­fal­len, dass sie „Angst haben, die bes­ten zu verpassen“.

Etwas ver­pas­sen – wür­den sie das tat­säch­lich? In die­sem Kon­text erschei­nen die viel­fäl­ti­gen Far­ben und Motive viel­mehr als Reiz­über­flu­tung. Kein Wun­der also, dass der Prot­ago­nist Henry Kopf­schmer­zen von den Wol­ken bekommt. So voll­ge­füllt ist das Leben die­ser Men­schen, dass kein Raum bleibt für eigene Ideen. Dabei kön­nen erst durch Nichts­tun und Lan­ge­weile – und vor allem in die­ser Kom­bi­na­tion – die bes­ten Ideen ent­ste­hen. Kann Nichts­tun also wirk­lich schlecht sein? Viel­leicht soll­ten wir uns noch ein­mal mit unse­rem schlech­ten Gewis­sen unter­hal­ten. Heute Abend dann. Aber dies­mal mit die­sem Buch an unse­rer Seite.

Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Im Land der Wol­ken. Alex­an­dra Hel­mig. Illus­tra­tion: Ane­mone Kloos. Mixtvi­sion. 2016.

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2 comments

wortsonate 26. März 2016 - 10:05

Manch­mal habe ich den Ein­druck das das Wort ‚Lan­ge­weile‚ in unse­rer Gesell­schaft nega­tiv gese­hen wird.

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Zeichensetzerin Alexa 29. März 2016 - 13:36

Oh, den Ein­druck habe ich lei­der auch. Ein Grund mehr, die­ser Ein­stel­lung ent­ge­gen zu wirken! 🙂

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