Ein Meisterwerk: Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“

von | 18.08.2019 | #mondbuch, Filme, Filmtheater

[tds_warning]Achtung, dieser Text enthält Spoiler![/tds_warning]

Außerirdische Lebensformen, die Frage nach der Existenz von Gott und die Tiefen des Weltalls: Erzähldetektivin Annette findet, dass der Klassiker „2001: Odyssee im Weltraum“ ein sehenswerter Science-Fiction-Film ist.

Stanley Kubricks 2 ½-stündiger Weltraum-Epos „2001: Odyssee im Weltraum“ (orig.: 2001: A Space Odyssey“; erschienen 1968) ist ohne Zweifel einer der ganz großen Klassiker des Science-Fiction-Genres. Das Drehbuch beruht lose auf der Kurzgeschichte „The Sentinel“ vom britischen Autor Arthur C. Clarke, der nicht nur am Drehbuch des Films mitwirkte, sondern den Stoff auch zu einem Roman (ebenfalls: „2001: A Space Odyssey“) verarbeitete.

Seit Erscheinen gibt der Film Rätsel auf. Vordergründig ist die Geschichte recht schnell erzählt: Eine Gruppe von Affen stößt auf einen schwarzen Monolithen, der ihre Entwicklung zum Menschen in Gang setzt. Diese geht damit einher, dass sie lernen, Werkzeuge zu gebrauchen. Im Jahr 1999 sind die technischen Errungenschaften weit fortgeschritten und die Menschen haben sich ins Weltall aufgemacht. Auf dem Mond stoßen sie auf einen weiteren Monolithen, offenbar Artefakt einer außerirdischen Lebensform.

Im Jahr 2001 schließlich, befindet sich das Raumschiff Discovery One auf dem Weg zum Jupiter, wo weitere Untersuchungen bezüglich des Artefaktes vorgenommen werden sollen. Nur Bordcomputer HAL kennt das Ziel der Mission und versteht ihre Bedeutung. Als die Crew ihn ausschalten möchte, tötet er sämtliche Besatzungsmitglieder. Lediglich Dave Bowman kann sich retten und es gelingt ihm, den Computer abzuschalten.

Auch Dave stößt schließlich auf einen Monolithen und wird von diesem auf eine Reise durch das Universum geschickt. Für gut zehn Filmminuten fliegt er durch ein buntes Farbenmeer, das sich mit Nahaufnahmen seines Auges abwechselt. Schließlich landet er in einem sterilen Raum, wo er sich selbst beim Altern zusehen kann, bis er sich zu einem Fötus in einer schwebenden Fruchtblase wandelt. In der letzten Szene sieht man dieses Sternenkind auf die Erde zu schweben.

Kubrick: Deutungshoheit liegt ganz beim Zuschauer

Kubrick selbst hat sich einer Interpretation des Films stets enthalten. Lieber sollte der Zuschauer selbst dem Film für sich einen Sinn geben. Clarke beschreibt die Mysterien des Universums als Hauptthema – Kräfte und Mächte, die der menschliche Verstand nicht erfassen und schon gar nicht definieren kann. In seinem Roman wird er expliziter und beschreibt den Monolithen als Werkzeug einer außerirdischen Rasse, die selbst bereits sämtliche Stufen der Evolution durchlaufen hat und nun eine Stufe purer Energie erreicht hat.

Sie reisen durch das gesamte Universum und helfen weniger entwickelten Arten, ebendiese evolutionären Schritte zu machen. In diesem Sinne stößt der Monolith die Entwicklung der Affen zum Menschen an. Diese zeichnet sich vor allem durch den Gebrauch von Werkzeugen aus. Auf dem Gipfel seiner (technologischen) Evolution verlässt der Mensch die Erde, um das Weltall zu erforschen. Auf diesem neuen Terrain ist der Mensch sehr von seinen Werkzeugen (hier in Form des Computers HAL) abhängig – zu sehr, sodass er letztendlich sogar von diesen getötet wird.

Der Monolith auf dem Mond und auch derjenige, auf den Dave später stößt, sind Posten der Außerirdischen, die den Fortschritt der Menschheit überwachen sollen. Im letzten Teil bringen sie die menschliche Evolution an Dave zum Abschluss, indem sie diesem sämtliches Wissen des Universums zu Teil werden lassen. Er lernt und begreift Dinge, von deren Existenz der Mensch andernfalls niemals etwas gewusst hätte. Angedeutet wird dieser Entwicklungsprozess durch Daves Altern. Im letzten Schritt muss der Mensch (Dave) sich nun von seinem Körper trennen und somit den eigenen (körperlichen) Tod überwinden. Als Sternenkind wird er nun zur Erde geschickt, um dem Rest der Menschheit auf diese letzte Stufe zu verhelfen. 2001 zeichnet die Entwicklungsgeschichte des Menschen nach und zeigt, was nach Kubricks Meinung der nächste Schritt sein wird.

Mögliche Interpretation: Der Mensch braucht keinen Gott mehr

Eine mögliche Interpretation, der auch Kubrick zustimmt, ist die Suche nach Gott. Sein Film wolle nicht weniger als eine „wissenschaftliche Definition von Gott“ geben. Dabei hat er jedoch keinen metamorphen und erst recht keinen biblischen Gott im Sinn. Vielmehr geht er davon aus, dass es bei der riesigen Anzahl an Planeten und Sonnensystemen im Universum sehr wahrscheinlich ist, dass es nicht nur andere Planeten mit intelligentem Leben geben muss, sondern viele dieser Lebensformen viel älter sind als die Menschheit und damit sehr wahrscheinlich auf einer höheren Entwicklungsstufe stehen als wir.

„Wenn man sich vor Augen hält, welche gigantischen technologischen Durchbrüche der Mensch in ein paar Millionen Jahren erlangt hat – welche evolutionären Entwicklungen müssen wesentlich ältere Lebensformen dann durchlaufen haben? Sie haben sich vielleicht von ihrem Dasein als biologische Spezies, die im Besten Fall fragile Hüllen für den Geist darstellen, in unsterbliche Entitäten purer Energie entwickelt. Ihre Möglichkeiten wären unbegrenzt und ihre Intelligenz unfassbar für den menschlichen Verstand.“

Dass wir die Außerirdischen niemals sehen, ist dabei ganz bewusst so gewollt. Nach Kubricks Idee sind sie einfach zu weit entwickelt, als dass sie eine Form hätten, die wir Menschen uns vorstellen können. Stattdessen kommunizieren sie mit uns durch den Monolithen. Als Dave in seiner letzten Szene den Arm zu eben diesem Monolithen hebt, ist dies vergleichbar mit Michelangelos Adam, der seine Hand nach Gott ausstreckt. Der hochentwickelte Mensch braucht keinen Gott mehr, denn die einzige „Macht“ ist Wissen.

[tds_council]Übrigens: Verschwörungstheoretiker glauben, Kubrick sei das Mastermind hinter der gestellten Mondlandung nur wenige Monate nach Erscheinen seines Filmes. Einen interessanten Essay hierzu findet man zum Beispiel hier: http://realitysandwich.com/23226/kubrick_apollo/.[/tds_council]

Fazit: Ein genialer Film – überzeugt euch selbst

Kubricks Film ist es definitiv wert, gesehen zu werden. Sicher, leicht verständlich ist er nicht. Aber lässt man sich auf die Erzählung ein, wird man mit einer immensen Fülle an Ideen und Gedanken belohnt, die den eigenen geistigen Horizont erweitern. Das können gewiss nicht viele Science-Fiction-Filme von sich behaupten. Und wem Kubricks Interpretation des Stoffes doch zu abstrakt ist, der kann sich selbst einen Gefallen tun und stattdessen (oder zumindest vorher) zu Clarkes Roman greifen. Bereuen wird man es auf keinen Fall.

2001: Odyssee im Weltraum. Regie: Stanley Kubrick. Schauspieler u.a.: Keir Dullea, Gary Lockwood, William Sylvester. Warner Bros. USA , Großbritannien. 1968. Bilder: Warner Bros.

[tds_note]Ein Beitrag zur Themenwoche #mondbuch. Hier findet ihr alle Beiträge. // Dieser Text ist zuerst in der 19. BK-Ausgabe erschienen. In dieser widmeten wir uns bereits Themen rund um Science-Fiction und Weltall. Ihr findet die Ausgabe in unserem Archiv, wo ihr sie einsehen und kostenlos downloaden könnt.[/tds_note]

 

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