Ein Grab in der Wüste

von | 13.03.2019 | Digitale Spiele, Spielstraße

„Spec Ops: The Line“ vom deutschen Entwicklungsstudio Yager Development macht anfangs den Eindruck eines normalen Third-Person-Deckungs-Shooters. Neben den sonst im Jahr 2012 erschienenen Shooter-Spielen geht das Spiel technisch etwas unter, doch hinter der einfachen Fassade versteckt sich ein dramatisches Anti-Kriegsspiel. – Von Geschichtenerzähler Adrian

Dubai liegt nach mehreren heftigen Stürmen unter Tonnen von Sand begraben und der Afghanistan-Veteran Colonel John Konrad wird mit dem 33. Bataillon in die Stadt geschickt, um bei der Evakuierung zu helfen. Jedoch scheint einiges schief zu gehen und der Kontakt zur 33. bricht ab.

Erst einige Zeit später empfängt das Militär eine Radioübertragung von Konrad, der von einem totalen Fehlschlag berichtet. Daraufhin werden die Soldaten Captain Martin Walker, Lieutenant Alphanso Adams und Sergeant John Lugo mit einer Aufklärungsmission nach Dubai geschickt. Doch was als simple Mission begann, wird bald schon zu einem verstörenden und moralisch anzuzweifelnden Horrortrip.

Was zum Teufel!

Wie schon erwähnt, beginnt die Geschichte nicht anders als viele andere Shooter. Man bekommt mit Captain Walker eine spielbare Figur und eine Waffe, mit der man auf seine Gegner schießen muss. Der Akt des Zurückschießens ist verständlich: Jemand schießt auf mich, ich schieße zurück und hoffe, dass mein Angreifer zuerst fällt. Töten oder getötet werden.

Als Spieler trifft man auf viele Situationen, in denen eine Entscheidung zu treffen ist, oder Walker eine trifft, die im ersten Moment innerhalb des Szenarios einer Kriegssituation logisch erscheint – zwar brutal, aber soweit nachvollziehbar. Beispielsweise trifft die Gruppe auf zwei Menschen, die mit Seilen gefesselt an einem Träger hängen und herumzappeln. Scharfschützen zielen auf die beiden und Konrad stellt Walker vor die Wahl. Die beiden seien Verbrecher – der eine sei ein Dieb, der Wasser gestohlen hat, der andere ein Soldat, der den Dieb fangen sollte, woraufhin er fünf unschuldige Menschen tötete – und sie müssten für ihre Taten bezahlen.

Nun soll Walker entscheiden, was er tut: Erschießt er einen der beiden? Nur wen? Oder vielleicht die Scharfschützen? Man muss eine Entscheidung treffen, sonst wird man von Konrads Männern erschossen. Jedoch eröffnet sich Stück für Stück ein Blick hinter alles und das Spiel endet mit einer schockierenden Auflösung. Und schließlich weicht die Geschichte mit einigen dramatischen Bildern dem kompletten Irrsinn.

Die rote Linie zwischen Hoffnung und Dunkelheit

Das Spiel macht keinen Hehl daraus, dass es anders sein will als die anderen Shooter. Es soll keinen Unterschied zwischen Gut und Böse geben, mit dem man sein Tun in anderen Shootern rechtfertigt. Wie der Lead Level Designer von Yager meinte, ist es Ziel des Spiels, dass die Spieler sich schlecht fühlen. So werden den Spielern auch immer wieder Entscheidungen aus der Hand genommen, um den Kontrollverlust darzustellen, dem man in solch einem Szenario unterworfen ist.

Es gibt einige popkulturelle Anspielungen auf bereits bestehende Anti-Kriegs-Medien und allein der Name John Konrad ist solch eine mit Bezug auf Joseph Conrad und seinen Roman „Herz der Finsternis“. Dieser inspirierte schon Francis Ford Coppola zum Anti-Kriegsfilm „Apocalypse Now“.

Einen Moment der Hoffnungslosigkeit symbolisiert Colonel Konrads Aussage, dass Soldaten, die einmal diese bestimmte Linie überschritten haben, nie wieder nach Hause kommen würden.

Der Rest entsteht im Kopf

Das Hauptaugenmerk von „Spec Ops: The Line“ liegt wohl auf der Story, denn nach technischen Standards ist das Spiel eher Mittelfeld. Die Grafik lässt wenige Möglichkeiten, wirkliche Emotionen anhand der Gesichter abzulesen. Es sind vielmehr die Bilder im Gesamten, die den Schrecken transportieren. Durch die Farbwahl, welche sich auf erdige Töne beschränkt, ist zwar die triste Stimmung und die Symbolik, dass nachts alle Katzen grau sind, gut dargestellt. Allerdings heben sich hierdurch die Spielfiguren schwer von der Umgebung ab und so sucht man in manchen Feuergefechten lange, um den letzten verbleibenden Gegner zu lokalisieren.

Ähnliches gilt für die Steuerung. Zwar funktionieren das Deckungssystem und das Gun-Play im Großen und Ganzen, doch es gibt immer wieder hakelige Situationen, in denen Walker sich beispielsweise nicht hinter eine Deckung duckt beziehungsweise nicht über eine solche hinwegspringen will. Oder die Hitbox – den Raum, den ein Objekt einnimmt und in dem man es als Spielfigur berühren kann –, die dem Spielenden einen Strich durch die Rechnung macht, wenn er gerade vor einem Kugelhagel flieht und an der Ecke eines Sandsacks hängen bleibt, wo eigentlich gar kein Sandsack mehr ist.

„Spec Ops: The Line“ lege ich jedem ans Herz, der Shooter mag und mal eine andere Geschichte erleben will. Jedoch muss man sich darauf einstellen, nicht mit dem Gefühl aus dem Spiel zu gehen, dass etwas Positives geschafft wurde.

Spec Ops: The Line. Entwickler: Yager Development. Publisher: 2K Games. 2012. FSK 18.

Screenshots: Geschichtenerzähler Adrian

 

Bücherstadt Magazin

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