Ein geselliger Sommer in der Normandie „Eine redliche Lüge“

by Satzhüterin Pia

Eine redliche Lüge

Ein gesel­li­ger Som­mer in der Nor­man­die, in dem nicht alles ist, wie es scheint: Satz­hü­te­rin Pia ist in dem neuen Roman „Eine red­li­che Lüge“ von Husch Jos­ten der Erzäh­le­rin Elise nach Frank­reich gefolgt.

Elise blickt aus dem Jahr 2051 zurück ins Jahr 2019: Sie erlebt einen Som­mer in der Nor­man­die, genauer in der Domaine de Tour­gé­ville von Mar­gaux und Phil­ippe Leclerc. Elise arbei­tet für das Paar mitt­le­ren Alters als Haus­halts­hilfe, möchte ihren Kopf nach dem Stu­dium durch die kör­per­li­che Arbeit frei bekom­men – und hat alle Hände voll zu tun, han­delt es sich bei den Leclercs doch um ein außer­ge­wöhn­lich gesel­li­ges Paar.

Frankreich, Sommer …

Es ist der letzte Som­mer vor Corona, was den Wert und die Menge an gesell­schaft­li­chen Zusam­men­künf­ten noch unter­streicht. Husch Jos­ten wech­selt in ihrem Roman zwi­schen der rück­bli­cken­den Erzäh­lung auch in gegen­wär­tige Berichte. Diese sind im Prä­sens geschrie­ben und neh­men die Lese­rin­nen und Leser in das Gesche­hen aus­ge­wähl­ter Tisch­ge­sell­schaf­ten mit.

Dabei sind die meis­ten die­ser Gesell­schaf­ten seicht und bedeu­tungs­los – trotz einer gro­ßen Band­breite an The­men und bunt­ge­misch­ter Gäs­te­aus­wahl. Die Men­schen, viele The­men, man­che leich­ter, man­che schwe­rer – es geht um Wahr­hei­ten und Lügen, Untreuen und Poli­tik, Hit­ler und Nazi-Deutsch­land … und so Eini­ges mehr.

… viele Menschen und ein Tag X

Den­noch düm­peln die The­men irgend­wie an der Ober­flä­che, die Gesprächs­teil­neh­me­rin­nen und ‑teil­neh­mer sind ten­den­zi­ell kli­schee­haft oder so seicht, dass sie direkt ver­ges­sen wer­den. Das jedoch, so betont die Erzäh­le­rin, könn­ten wir Lese­rin­nen und Leser auch gerne direkt machen: die Gäste und ihre Namen wie­der ver­ges­sen. Etwas irri­tiert es dann doch, dass man­che Kapi­tel sei­ten­weise Gesprä­che und alle Namen detail­reich wie­der­ge­ben, wäh­rend sie doch so unwich­tig sein sol­len. In der Tat schei­nen diese Schil­de­run­gen diver­ser Abende viel­mehr das Flair des Som­mers ein­zu­fan­gen, und die Essenz der Gast­ge­be­rin und des Gast­ge­bers. Denn um diese bei­den dreht sich am Ende alles. Alles läuft auf den einen Tag X hin­aus, an dem end­lich die große Wen­dung auf­tre­ten wird.

„Ich würde gern mit Gabri­elle spre­chen, aber sie liegt längst im Bett; mich würde inter­es­sie­ren, was sie über Men­schen denkt, die stän­dig ein­la­den oder ein­ge­la­den wer­den, deren Sozi­al­le­ben eine so wich­tige Rolle für sie spielt, dass es sich von ihrem ande­ren Leben kaum mehr unter­schei­den lässt.“ (S. 161)

Zwi­schen­zeit­lich steigt die Span­nung, was denn nun genau an jenem Tag pas­sie­ren wird. Die Neu­gierde ist geweckt und schon früh kommt der Gedanke, dass selbst die hef­tigste Wen­dung zwangs­läu­fig ein wenig ent­täu­schen wird. Am Ende war die Erwar­tungs­hal­tung tat­säch­lich etwas zu hoch­ge­bauscht, die Reaktion(en) wirk­ten leicht über­zo­gen oder zumin­dest nicht voll­ends nach­voll­zieh­bar. Auch kommt das Buch nicht so ganz ohne etwas Pathos und Kitsch aus – ein Som­mer in der Nor­man­die, in einem der­art spe­zi­el­len Set­ting und gesell­schaft­li­chen Umgang, wirkt aber ins­ge­samt wie ein stim­mi­ges Plätz­chen für kit­schi­gere Schilderungen.

„Eine red­li­che Lüge“ ist ein unter­halt­sa­mes Buch, das den bei der Lese­rin oder dem Leser sorg­fäl­tig geschür­ten Erwar­tun­gen aber nicht zwin­gend stand­hal­ten kann.

Eine red­li­che Lüge. Husch Jos­ten. Ber­lin Ver­lag. 2022.

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