Ein geselliger Sommer in der Normandie

von | 12.03.2023 | Belletristik, Buchpranger

Ein geselliger Sommer in der Normandie, in dem nicht alles ist, wie es scheint: Satzhüterin Pia ist in dem neuen Roman „Eine redliche Lüge“ von Husch Josten der Erzählerin Elise nach Frankreich gefolgt.

Elise blickt aus dem Jahr 2051 zurück ins Jahr 2019: Sie erlebt einen Sommer in der Normandie, genauer in der Domaine de Tourgéville von Margaux und Philippe Leclerc. Elise arbeitet für das Paar mittleren Alters als Haushaltshilfe, möchte ihren Kopf nach dem Studium durch die körperliche Arbeit frei bekommen – und hat alle Hände voll zu tun, handelt es sich bei den Leclercs doch um ein außergewöhnlich geselliges Paar.

Frankreich, Sommer …

Es ist der letzte Sommer vor Corona, was den Wert und die Menge an gesellschaftlichen Zusammenkünften noch unterstreicht. Husch Josten wechselt in ihrem Roman zwischen der rückblickenden Erzählung auch in gegenwärtige Berichte. Diese sind im Präsens geschrieben und nehmen die Leserinnen und Leser in das Geschehen ausgewählter Tischgesellschaften mit.

Dabei sind die meisten dieser Gesellschaften seicht und bedeutungslos – trotz einer großen Bandbreite an Themen und buntgemischter Gästeauswahl. Die Menschen, viele Themen, manche leichter, manche schwerer – es geht um Wahrheiten und Lügen, Untreuen und Politik, Hitler und Nazi-Deutschland … und so Einiges mehr.

… viele Menschen und ein Tag X

Dennoch dümpeln die Themen irgendwie an der Oberfläche, die Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer sind tendenziell klischeehaft oder so seicht, dass sie direkt vergessen werden. Das jedoch, so betont die Erzählerin, könnten wir Leserinnen und Leser auch gerne direkt machen: die Gäste und ihre Namen wieder vergessen. Etwas irritiert es dann doch, dass manche Kapitel seitenweise Gespräche und alle Namen detailreich wiedergeben, während sie doch so unwichtig sein sollen. In der Tat scheinen diese Schilderungen diverser Abende vielmehr das Flair des Sommers einzufangen, und die Essenz der Gastgeberin und des Gastgebers. Denn um diese beiden dreht sich am Ende alles. Alles läuft auf den einen Tag X hinaus, an dem endlich die große Wendung auftreten wird.

„Ich würde gern mit Gabrielle sprechen, aber sie liegt längst im Bett; mich würde interessieren, was sie über Menschen denkt, die ständig einladen oder eingeladen werden, deren Sozialleben eine so wichtige Rolle für sie spielt, dass es sich von ihrem anderen Leben kaum mehr unterscheiden lässt.“ (S. 161)

Zwischenzeitlich steigt die Spannung, was denn nun genau an jenem Tag passieren wird. Die Neugierde ist geweckt und schon früh kommt der Gedanke, dass selbst die heftigste Wendung zwangsläufig ein wenig enttäuschen wird. Am Ende war die Erwartungshaltung tatsächlich etwas zu hochgebauscht, die Reaktion(en) wirkten leicht überzogen oder zumindest nicht vollends nachvollziehbar. Auch kommt das Buch nicht so ganz ohne etwas Pathos und Kitsch aus – ein Sommer in der Normandie, in einem derart speziellen Setting und gesellschaftlichen Umgang, wirkt aber insgesamt wie ein stimmiges Plätzchen für kitschigere Schilderungen.

„Eine redliche Lüge“ ist ein unterhaltsames Buch, das den bei der Leserin oder dem Leser sorgfältig geschürten Erwartungen aber nicht zwingend standhalten kann.

Eine redliche Lüge. Husch Josten. Berlin Verlag. 2022.

Pia Zarsteck

Pia Zarsteck

Pias Liebe zur Literatur hat sie vor Jahren an die Uni Bremen geführt, wo sie bis zum Masterabschluss Germanistik studierte. Heute ist sie Vorsitzende im Bücherstadt e.V., Mama einer Vierjährigen und beruflich ganz woanders unterwegs - aber immer noch vernarrt in Bücher und Spiele. Ein Leben ohne die Bücherstadt kann sie sich nicht vorstellen.

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