Ein Einhorn im Weingarten

von | 17.04.2018 | Belletristik, Buchpranger

Es ist die Zeit des Einhorns. Einhörner, wo man auch hinsieht: Einhornseife, Einhornkekse, Einhorntaschen, Einhornpostkarten … Nein, jetzt mal ernsthaft: Damit hat Peter S. Beagles neuste Erzählung „In Kalabrien“ nun gar nichts zu tun. Zeilenschwimmerin Ronja war hin und weg von diesem Einhorn, das ganz ohne Glitzer auskommt.

Claudio braucht keinen Kontakt zur großen, weiten Welt. Er ist völlig damit zufrieden, sich um die Tiere und Pflanzen auf seinem abgelegenen Hof zu kümmern und grummelnd mit dem Postboten zu sprechen. Doch als Claudio eines Tages einem Einhorn gegenüber steht, weiß er, dass etwas Besonderes geschehen wird.

„Dann bückte er sich, um den schwarzen Kater Mezzanotte hinter den Ohren zu kraulen. Während er sich wieder aufrichtete und in seine abgewetzte, heiß geliebte Lederjacke schlüpfte, dachte er: In dem Kleidungstück steckt ein Gedicht. Genüsslich streckte er die Arme aus, gähnte, kratze sich den struppigen Nacken und sah das Einhorn in seinem Weingarten.“ (S. 18f.)

„In Kalabrien“ ist eine wunderschön erzählte, märchenhafte Geschichte, die sich so ruhig und gelassen lesen lässt wie Claudio seinem Alltag begegnet. Zwischen Bauernhof und Einhorn verstecken sich tiefgründige Gedanken, die man ganz nach Belieben intensiv betrachten oder im Lesefluss untergehen lassen kann. Auf kaum mehr als 160 Seiten vermischen sich italienisches Flair, mystisches Einhorn, eine Organisation ähnlich der Mafia, Romantik und die Auswirkungen der Globalisierung und der neuen Medien zu einem erstaunlich stimmigen Bild.

Der US-Amerikanische Autor Peter S. Beagle ist unter anderem für den Roman „Das letzte Einhorn“ (1970) bekannt, der 1982 auch als Zeichentrickanimation verfilmt wurde. „In Kalabrien“ besitzt eine gänzlich andere Herangehensweise an den Mythos Einhorn. Die Erzählung ist in einer Realität angesiedelt, die der unseren zu entsprechen scheint, vom Einhorn einmal abgesehen. Phantastisch bleibt sie dennoch.

„In Kalabrien“ richtet sich eher an ein erwachsenes Publikum. Die Geschichte übt eine wahre Sogwirkung aus und ist eigentlich viel zu schnell vorbei. Andererseits macht genau diese märchenhafte Flüchtigkeit ihren Reiz noch größer.

In Kalabrien. Peter S. Beagle. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Oliver Plaschka. Hobbit Presse/Klett-Cotta. 2018. Erhältlich in der Buchhandlung deines Vertrauens.

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