Durch den Nebel ans Licht: „Die Schneiderin des Nebels“

von | 30.03.2019 | Bilderbücher, Buchpranger

Nach „Die große Wörterfabrik“ und „Der Bär und das Wörterglitzern“ ist nun das dritte gemeinsame Bilderbuch von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo im mixtvision Verlag erschienen: „Die Schneiderin des Nebels“. Zeichensetzerin Alexa ist durch den Nebel spaziert.

Ob Bär, ob Mensch – die Protagonisten in Lestrades Geschichten haben Träume, Wünsche und Gefühle. Ging es in „Die große Wörterfabrik“ um die große Liebe und in „Der Bär und das Wörterglitzern“ um Träume, die Mut erfordern, so widmet sich „Die Schneiderin des Nebels“ nun einem anderen Wunsch: Rosa, die Protagonistin, sehnt sich danach, Zeit mit ihrem Vater zu verbringen.

Gefühle zulassen

Aber dieses Gefühl muss sie zunächst einmal begreifen und zulassen, denn ihre Erinnerungen hat sie hinter einem dicken Schleier aus Nebel versteckt – so wie es auch viele andere Menschen mit all den Dingen tun, die sie nicht sehen wollen. Rosas Talent besteht nämlich darin, aus Nebel Stoffe herzustellen: „Still vergehen die Stunden. Aus den langen Nebelfäden webt Rosa Stoffe für Kleidungsstücke, Vorhänge und Teppiche.“ Und die sind unter den Menschen „heiß begehrt“.

Erst als Rosa einen Brief von ihrem Vater erhält, kommen die Erinnerungen zurück: an den Streit ihrer Eltern und dass ihr Vater irgendwann weggegangen ist. Nun muss sie sich ihren Gefühlen stellen und schafft es dann auch – etwas zu schnell, um dem Buch die nötige Tiefe zu verleihen. So plötzlich wie der Vater wieder in ihr Leben getreten ist, so schnell endet das Buch dann auch.

Kunstvolle Gestaltung

Durch die plötzliche Wendung und die offenen Fragen wirkt „Die Schneiderin des Nebels“ etwas unfertig. So als würden einige Seiten fehlen, in denen Rosas Gefühle noch mehr zum Ausdruck kommen. Die Schwächen der Geschichte werden jedoch gekonnt verdeckt durch die kunstvolle Gestaltung des Buches: Die Illustrationen von Docampo sind atmosphärisch und spiegeln die Emotionen der Protagonistin wider. Transparente Seiten enthalten einerseits schwarz-weiße Zeichnungen oder Text und „vernebeln“ andererseits die darunterliegenden Text- und Bildelemente. Durch das Blättern wirkt es daher, als würde man den Nebelschleier beiseiteschieben und so den Blick auf andere Dinge freigeben.

„Die Schneiderin des Nebels“ ist inhaltlich zwar etwas schwächer als die vorigen Bilderbücher von Agnès de Lestrade und Valeria Docampo, optisch jedoch vermag es zu überzeugen. Besonders spannend beim Betrachten der Bücher ist das Spiel mit Format und Gestaltung. „Der Bär und das Wörterglitzern“ muss zum Beispiel immer mal wieder gewendet werden (weil Umdenken auch etwas mit Mut zu tun hat) und in „Die Schneiderin des Nebels“ wird mit Transparentseiten gearbeitet (weil diese wie auch der Nebel den Blick versperren).

Agnès de Lestrade und Valeria Docampo scheinen ein gutes Team zu sein. Zumindest können sich die Ergebnisse aus ihren Kooperationen sehen lassen. Es bleibt zu hoffen, dass noch viele weitere Bilderbuchkunstwerke von ihnen erscheinen werden.

Die Schneiderin des Nebels. Agnès de Lestrade. Illustration: Valeria Docampo. Übersetzung: Anna Taube. Mixtvision. 2018.

 

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