Du siehst gar nicht schwul aus

von | 05.11.2020 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Julius Thesings Buch „You don’t look gay“ ist eine persönliche Auseinandersetzung mit homophober Diskriminierung und gewährt einen guten Einblick in die Sprüche, mit denen Homosexuelle oftmals konfrontiert sind. Da dies nach wie vor ein aktuelles Thema ist, hat Bücherstädterin Julia nicht lange gezögert und sich das nur 96 Seiten kurze Büchlein zu Gemüte geführt.

In diesem Buch erzählt der Autor von sich selbst, von seinem ersten Coming-Out und seinen Erfahrungen. Thesing will mit seiner Geschichte kein Mitleid erzeugen, er will die Leser*innen zum Nachdenken anregen. Er möchte der Gesellschaft einen Spiegel vorhalten und dazu bewegen, das eigene Verhalten zu überdenken und zu reflektieren.

Das erste, was an dem Buch von Julius Thesing auffällt: Es ist altrosé. Das Cover, die Rückseite, der Buchrücken – und auch die Seiten und der Buchschnitt sind es. Das Layout des Textes ist ungewöhnlich: Er läuft in schwarzer Schrift über die Seiten und wird immer wieder durch Absätze mit größeren Buchstaben in roter Schrift unterbrochen. Am besten gefallen mir die zahlreichen Illustrationen im Buch. Diese hat der Autor selbst entworfen. Mein persönlicher Favorit ist eine Seite mit einer Wand voll mit Fotos von glücklichen, schwulen Pärchen.

Alltagshomophobie

Die Illustrationen spielen humorvoll mit Ikonographien oder greifen bitterernste aktuelle Szenarien der Welt auf, vor allem machen sie aber nachdenklich. Eine Illustration zum Beispiel verändert das Gemälde „American Gothic“ von Grant Wood. Während auf dem Original ein Mann mit Heugabel und eine streng schauende Frau abgebildet sind, zeigt die Illustration zwei Männer, wobei einer stark geschminkt ist. Zwei Männer. Ist das witzig? Die Reaktion darauf kann ein Lächeln sein, ein Kopfschütteln, Diskriminierung.

Man blättert in dem Buch und denkt an Bekannte, Freunde. Vielleicht auch an das eigene Verhalten. Der Autor verschafft sich Gehör. Er erzählt seine eigene Geschichte, spickt sie mit statistischen Zahlen, mit Zitaten und mit häufig gestellten Fragen. Zum Beispiel: Wer von beiden ist die Frau? Oder: Das ist doch bestimmt nur eine Phase, oder? Die Zitate sind groß und plakativ eingefügt, damit man sie im Kontext zum Buch bewusster und klarer wahrnimmt.

Was bleibt nach der Lektüre?

Ein Nachdenken, ein Weiterdenken, ein Umdenken. Man wird sich beim Lesen der vielen alltäglichen Diskriminierungen bewusst. Beim Lesen wird schnell klar: Es liegt noch ein langer Weg vor uns. Doch Bücher wie dieses helfen, diesen Weg des Umdenkens zu bestreiten. Thesing öffnet eine Tür und lädt zum Dialog ein. Er zeigt Diskriminierung und Homophobie auf, er macht auf Unrecht aufmerksam, gibt Selbstbewusstsein und Mut mit. Wie sagte der Autor so treffend: „Dieses Buch ist ein Gesprächsangebot, kein Manifest.“ (S. 7)

You don’t look gay. Julius Thesing. Bohem Verlag. 2020.

Bücherstadt Magazin

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