Digital & Gut: Filmfest Bremen 2021

by Worteweberin Annika

Eigent­lich hät­ten Fabel­for­scher Chris­tian und Worte­we­be­rin Annika nicht zu einem Film­fest gehen kön­nen – als Eltern eines acht Monate alten Babys. Corona sei Dank fand das 6. Film­fest Bre­men digi­tal statt und die bei­den konn­ten dabei sein.

Zuge­ge­ben, unser Sofa kann einen Kino­saal nicht wirk­lich erset­zen. Als der Stream am ers­ten Abend aber end­lich läuft, kommt trotz­dem etwas Fes­ti­val­stim­mung auf. Wir star­ten mit dem Film „Lokal­ma­ta­dor“ im Kurz­film­pro­gramm „Kurz & Gut Bre­men: Humor/Satire“, einem Film über das Mini­gol­fen: Die Mini­golf-Legende Alex­an­der tritt im Freund­schafts­spiel gegen New­co­mer Cas­par an. Doch von Freund­schaft ist hier wenig zu spü­ren. Alex­an­der-Dar­stel­ler Adrian Dit­tus macht seine Sache als ein­ge­bil­de­ter, über­heb­li­cher Ex-Profi so gut, dass man vor dem Bild­schirm rich­tig wütend wer­den kann und ihm ein­fach nur ins Gesicht schla­gen möchte (zumin­dest Fabel­for­scher Chris­tian). Auch wenn wir für den 26-minü­ti­gen Film geschla­gene 90 Minu­ten brau­chen, weil zwi­schen­durch das Baby quen­gelt, ist der erste Abend ein Erfolg.

Der zweite Abend

Den Rest des Kurz­film­pro­gramms schauen wir uns am zwei­ten Abend an – die­ses Mal kön­nen wir durch­zie­hen. Die rest­li­chen sie­ben Filme sind sehr unter­schied­lich. Wäh­rend „Sie­ben Samu­rai“ nur eine Minute dau­ert und nicht ganz unse­ren Nerv trifft, sind auch viele über­zeu­gende Bei­träge dabei. Eben­falls um Samu­rai geht es im Film „Coo­king Samu­rai“, der ins­be­son­dere Chris­tian über­zeugt. Darin legt sich die aus­zu­bil­dende Köchin Maya mit ihrem Chef an, weil sie gerne Samu­rai wer­den möchte. Kamera und Effekte erin­nern an einen japa­ni­schen Film aus den 70er Jah­ren (God­zilla mit Reißverschluss).

„Among Humans“ ist eine Meta­pher auf das Anders­sein: Eine Toch­ter stellt ihren Eltern den neuen Freund vor, einen Mann mit Zebra­kopf. Das ist irri­tie­rend, bie­tet aber große Inter­pre­ta­ti­ons­spiel­räume. In „Revolvo“ neh­men zwei Frauen das Gesetz in die eige­nen Hände und ent­füh­ren einen rechts­po­pu­lis­ti­schen Poli­ti­ker, um ihm einen Denk­zet­tel zu ver­pas­sen. Beson­ders lus­tig ist hier der Moment, in dem eine Poli­zis­tin die bei­den kon­trol­liert und im Radio zeit­gleich und auf allen Sen­dern von der Ent­füh­rung berich­tet wird. „Intriga“ zeigt eben­falls eine starke Frau, die ihren untreuen Ehe­mann vor­führt und höchst­wahr­schein­lich geschäft­lich rui­niert. Lei­der wird hier die Pointe durch die Unter­ti­tel schon vor­weg­ge­nom­men, aber trotz­dem hat uns der Film gut unterhalten.

Favo­ri­ten

„Das große Schei­tern“ nimmt die Medi­en­welt gekonnt aufs Korn. Gezeigt wird der Dreh eines Limo­na­den-Wer­be­films, der durch einen über­heb­li­chen Kun­den bald aus­ar­tet. Der über­zeich­nete Blick hin­ter die Kulis­sen und die Kame­ra­fahr­ten machen die­sen Kurz­film zu Anni­kas Favo­ri­ten am zwei­ten Abend.

Chris­ti­ans Herz schlägt vor allem für „Andi“ – und das nicht nur, weil er in Bre­men spielt. Andi heißt eigent­lich ganz anders, doch als er im klei­nen Bahn­hofs­ki­osk steht, mei­nen alle, ihn zu erken­nen. Das ändert sich auch im Taxi nicht, und sogar seine ver­meint­li­che Frau und die Kin­der sehen sich sofort ihrem Ehe­mann und Vater Andi gegen­über. Anfangs freut der Mann sich noch dar­über, in Andis Namen Ziga­ret­ten anschrei­ben zu las­sen, doch dann wird er mehr und mehr selbst zu Andi – nicht immer zu sei­nem Vor­teil. Die absurde Geschichte und der abgrün­dige Witz beschäf­ti­gen Chris­tian auch noch, als der Film schon lange vor­bei ist.

Schwar­zer Humor

Nach einer Film­fest-Pause schauen wir am letz­ten Abend ins Kurz­film­pro­gramm „Die dunkle Seite des Humors“ rein. „Salon Styx“ erzählt eine humo­ris­ti­sche Geschichte, die nach ihrer Pointe aber nicht nach­klingt, dafür aber sehr unter­halt­sam ist. „The World’s Last House“ erzählt von einem Mann, der Briefe schreibt, und einem, der eine Waffe auf ihn rich­tet – gemeint ist etwas Ande­res, doch was, dar­über rät­seln wir noch heute. Die Hand­lung ist vor­her­seh­bar, die Bil­der von der klei­nen Berg­hütte sind aber schön anzu­se­hen. Der ita­lie­ni­sche Bei­trag „Under sus­pi­cion for a crime of pas­sion aggrava­ted by tri­via­lity“ hat nicht nur einen lan­gen Titel, son­dern besteht auch aus nur einer lan­gen Szene ohne Schnitte. Das Wirr­warr aus Eifer­sucht, Liebe, Betrug und Ver­zweif­lung ist sehens­wert, ins­be­son­dere weil es schau­spie­le­risch und tech­nisch gut erzählt ist. Den letz­ten Film aus die­sem Kurz­film­pro­gramm haben wir lei­der auf Grund sei­ner Länge von 45 Minu­ten nicht mehr schauen können.

Alles in allem war unser Fes­ti­val­be­such eine will­kom­mene Abwechs­lung. Die gezeig­ten Bei­träge – ganz anders als die Stan­dard-Filme, die man aus Kino und Fern­se­hen kennt – haben uns irri­tiert, zum Grü­beln gebracht, wütend gemacht, aber auch herz­haft schmun­zeln las­sen und waren durch die Bank unter­halt­sam. Wir freuen uns jetzt schon auf das 7. Bre­mer Film­fest. Dann sind wir auch gerne wie­der live mit dabei!

Mehr über das Film­fest Bre­men könnt ihr hier lesen.
  • Lokal­ma­ta­dor. Regie & Dreh­buch: Mat­thias Wiss­mann. Mit Adrian Dit­tus, Den­nis Klose, Jana Leu­ten­eg­ger u.a. Deutsch­land. 2020.
  • Sie­ben Samu­rai. Regie & Dreh­buch: Hassan Sheidaei. Iran. 2017.
  • Coo­king Samu­rai. Regie & Dreh­buch: Mar­tin Stretchky. Mit Lisa-Maria Damm, Alberto For­tuzzi, Michael Matu­szew­ski. Deutsch­land. 2020.
  • Among Humans. Regie: Caren Wuhrer. Dreh­buch: Miriam Suad Büh­ler. Mit Jes­sica Kosmalla, Lud­ger Pis­tor, Chris­tina Lind­ner u.a. Deutsch­land. 2019.
  • Revolvo. Regie: Sara Fazi­lat. Dreh­buch: Francy Fabritz. Mit Sara Fazi­lat, Francy Fabritz, Anto­nia Lange u.a. Deutsch­land. 2019.
  • Intriga. Regie: Julian Schön­eich. Dreh­buch: Ulrich Faß­nacht. Mit Vale­ria Lau­bach, Ulrich Faß­nacht, Frie­de­rike Becker u.a. Deutsch­land. 2020.
  • Das große Schei­tern. Regie & Dreh­buch: Max Wal­ter. Mit Hajo Tuschy, Alex­an­der Wip­p­recht, Mareike Hein u.a. Deutsch­land. 2020.
  • Andi. Regie: Timm Kulke. Dreh­buch: Dirk Böh­ling. Mit Dirk Böh­ling, Mar­lis Hir­che, Andreas Eckel u.a. Deutsch­land. 2020.
  • Salon Styx. Regie: Alex­an­der Pes­ka­dor. Dreh­buch: Luigi Ben­na­lone u.a. Mit Edis König, Angi Dolna, Andreas Radl­herr u.a. Öster­reich. 2020.
  • The World’s Last House. Regie: Amir Gho­l­ami. Dreh­buch: Payam Mah­moudi Kur­di­stani, Amir Gho­l­ami. Mit Payam Mah­moudi Kur­di­stani, Amir Gho­l­ami. Iran. 2019.
  • Under sus­pi­cion for a crime of pas­sion aggrava­ted by tri­via­lity. Regie: Cosimo Alemà. Dreh­buch: Armando Maria Trotta. Mit Irene Ferri, Anna Fer­rai­oli Ravel, Pilar Fogliati u.a. Ita­lien. 2018.

Bild: Ofura Kon­zept Film

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