Digital & Gut: Filmfest Bremen 2021

von | 27.04.2021 | Filme, Filmtheater

Eigentlich hätten Fabelforscher Christian und Worteweberin Annika nicht zu einem Filmfest gehen können – als Eltern eines acht Monate alten Babys. Corona sei Dank fand das 6. Filmfest Bremen digital statt und die beiden konnten dabei sein.

Zugegeben, unser Sofa kann einen Kinosaal nicht wirklich ersetzen. Als der Stream am ersten Abend aber endlich läuft, kommt trotzdem etwas Festivalstimmung auf. Wir starten mit dem Film „Lokalmatador“ im Kurzfilmprogramm „Kurz & Gut Bremen: Humor/Satire“, einem Film über das Minigolfen: Die Minigolf-Legende Alexander tritt im Freundschaftsspiel gegen Newcomer Caspar an. Doch von Freundschaft ist hier wenig zu spüren. Alexander-Darsteller Adrian Dittus macht seine Sache als eingebildeter, überheblicher Ex-Profi so gut, dass man vor dem Bildschirm richtig wütend werden kann und ihm einfach nur ins Gesicht schlagen möchte (zumindest Fabelforscher Christian). Auch wenn wir für den 26-minütigen Film geschlagene 90 Minuten brauchen, weil zwischendurch das Baby quengelt, ist der erste Abend ein Erfolg.

Der zweite Abend

Den Rest des Kurzfilmprogramms schauen wir uns am zweiten Abend an – dieses Mal können wir durchziehen. Die restlichen sieben Filme sind sehr unterschiedlich. Während „Sieben Samurai“ nur eine Minute dauert und nicht ganz unseren Nerv trifft, sind auch viele überzeugende Beiträge dabei. Ebenfalls um Samurai geht es im Film „Cooking Samurai“, der insbesondere Christian überzeugt. Darin legt sich die auszubildende Köchin Maya mit ihrem Chef an, weil sie gerne Samurai werden möchte. Kamera und Effekte erinnern an einen japanischen Film aus den 70er Jahren (Godzilla mit Reißverschluss).

„Among Humans“ ist eine Metapher auf das Anderssein: Eine Tochter stellt ihren Eltern den neuen Freund vor, einen Mann mit Zebrakopf. Das ist irritierend, bietet aber große Interpretationsspielräume. In „Revolvo“ nehmen zwei Frauen das Gesetz in die eigenen Hände und entführen einen rechtspopulistischen Politiker, um ihm einen Denkzettel zu verpassen. Besonders lustig ist hier der Moment, in dem eine Polizistin die beiden kontrolliert und im Radio zeitgleich und auf allen Sendern von der Entführung berichtet wird. „Intriga“ zeigt ebenfalls eine starke Frau, die ihren untreuen Ehemann vorführt und höchstwahrscheinlich geschäftlich ruiniert. Leider wird hier die Pointe durch die Untertitel schon vorweggenommen, aber trotzdem hat uns der Film gut unterhalten.

Favoriten

„Das große Scheitern“ nimmt die Medienwelt gekonnt aufs Korn. Gezeigt wird der Dreh eines Limonaden-Werbefilms, der durch einen überheblichen Kunden bald ausartet. Der überzeichnete Blick hinter die Kulissen und die Kamerafahrten machen diesen Kurzfilm zu Annikas Favoriten am zweiten Abend.

Christians Herz schlägt vor allem für „Andi“ – und das nicht nur, weil er in Bremen spielt. Andi heißt eigentlich ganz anders, doch als er im kleinen Bahnhofskiosk steht, meinen alle, ihn zu erkennen. Das ändert sich auch im Taxi nicht, und sogar seine vermeintliche Frau und die Kinder sehen sich sofort ihrem Ehemann und Vater Andi gegenüber. Anfangs freut der Mann sich noch darüber, in Andis Namen Zigaretten anschreiben zu lassen, doch dann wird er mehr und mehr selbst zu Andi – nicht immer zu seinem Vorteil. Die absurde Geschichte und der abgründige Witz beschäftigen Christian auch noch, als der Film schon lange vorbei ist.

Schwarzer Humor

Nach einer Filmfest-Pause schauen wir am letzten Abend ins Kurzfilmprogramm „Die dunkle Seite des Humors“ rein. „Salon Styx“ erzählt eine humoristische Geschichte, die nach ihrer Pointe aber nicht nachklingt, dafür aber sehr unterhaltsam ist. „The World’s Last House“ erzählt von einem Mann, der Briefe schreibt, und einem, der eine Waffe auf ihn richtet – gemeint ist etwas Anderes, doch was, darüber rätseln wir noch heute. Die Handlung ist vorhersehbar, die Bilder von der kleinen Berghütte sind aber schön anzusehen. Der italienische Beitrag „Under suspicion for a crime of passion aggravated by triviality“ hat nicht nur einen langen Titel, sondern besteht auch aus nur einer langen Szene ohne Schnitte. Das Wirrwarr aus Eifersucht, Liebe, Betrug und Verzweiflung ist sehenswert, insbesondere weil es schauspielerisch und technisch gut erzählt ist. Den letzten Film aus diesem Kurzfilmprogramm haben wir leider auf Grund seiner Länge von 45 Minuten nicht mehr schauen können.

Alles in allem war unser Festivalbesuch eine willkommene Abwechslung. Die gezeigten Beiträge – ganz anders als die Standard-Filme, die man aus Kino und Fernsehen kennt – haben uns irritiert, zum Grübeln gebracht, wütend gemacht, aber auch herzhaft schmunzeln lassen und waren durch die Bank unterhaltsam. Wir freuen uns jetzt schon auf das 7. Bremer Filmfest. Dann sind wir auch gerne wieder live mit dabei!

[tds_note]Mehr über das Filmfest Bremen könnt ihr hier lesen.[/tds_note]

  • Lokalmatador. Regie & Drehbuch: Matthias Wissmann. Mit Adrian Dittus, Dennis Klose, Jana Leutenegger u.a. Deutschland. 2020.
  • Sieben Samurai. Regie & Drehbuch: Hassan Sheidaei. Iran. 2017.
  • Cooking Samurai. Regie & Drehbuch: Martin Stretchky. Mit Lisa-Maria Damm, Alberto Fortuzzi, Michael Matuszewski. Deutschland. 2020.
  • Among Humans. Regie: Caren Wuhrer. Drehbuch: Miriam Suad Bühler. Mit Jessica Kosmalla, Ludger Pistor, Christina Lindner u.a. Deutschland. 2019.
  • Revolvo. Regie: Sara Fazilat. Drehbuch: Francy Fabritz. Mit Sara Fazilat, Francy Fabritz, Antonia Lange u.a. Deutschland. 2019.
  • Intriga. Regie: Julian Schöneich. Drehbuch: Ulrich Faßnacht. Mit Valeria Laubach, Ulrich Faßnacht, Friederike Becker u.a. Deutschland. 2020.
  • Das große Scheitern. Regie & Drehbuch: Max Walter. Mit Hajo Tuschy, Alexander Wipprecht, Mareike Hein u.a. Deutschland. 2020.
  • Andi. Regie: Timm Kulke. Drehbuch: Dirk Böhling. Mit Dirk Böhling, Marlis Hirche, Andreas Eckel u.a. Deutschland. 2020.
  • Salon Styx. Regie: Alexander Peskador. Drehbuch: Luigi Bennalone u.a. Mit Edis König, Angi Dolna, Andreas Radlherr u.a. Österreich. 2020.
  • The World’s Last House. Regie: Amir Gholami. Drehbuch: Payam Mahmoudi Kurdistani, Amir Gholami. Mit Payam Mahmoudi Kurdistani, Amir Gholami. Iran. 2019.
  • Under suspicion for a crime of passion aggravated by triviality. Regie: Cosimo Alemà. Drehbuch: Armando Maria Trotta. Mit Irene Ferri, Anna Ferraioli Ravel, Pilar Fogliati u.a. Italien. 2018.

Bild: Ofura Konzept Film

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