Die Wesen des Waldes

von | 28.02.2019 | Bilderbücher, Buchpranger

Feen, Kobolde und andere fantastische Wesen haben in der Welt der meisten Erwachsenen keinen Platz, in der von Kindern aber schon. Im Bilderbuch „Die Feen von Cottingley“ behandelt Ana Sender das Thema am Beispiel eines bekannten Falles. Worteweberin Annika hat das Buch mit Begeisterung gelesen.

Die Zahnfee, Prinzessin Lillifee, Melusine, die Feen bei Dornröschen, Tinker Bell… Diese meist kleinen, geflügelten Wesen haben nicht nur in heutiger Literatur und Kultur einen Platz, sondern waren auch schon im Mittelalter bekannt. Wahrscheinlich gehen sie sogar auf die keltische Mythologie zurück. Doch mit der Zeit hat der Glaube an Feen im Gleichschritt mit dem Fortschritt der Wissenschaften immer mehr abgenommen. Beweise dafür, dass es Feen gibt, fehlen – oder etwa nicht?

Ein Guckloch ins Feenreich

Als gegen 1920 Fotos auftauchten, die die Cousinen Elsie und Frances beim Spielen mit kleinen Feen im Wald zeigten, waren sich viele Menschen plötzlich nicht mehr sicher. Arthur Conan Doyle, der Krimiautor, der nach dem Tod eines seiner Kinder Spiritist geworden war, glaubte fest an die Echtheit der Fotos und so machten diese die Runde. Die Expertenmeinungen gingen auseinander und erst 1981 kam man der Entstehungsgeschichte der Bilder auf den Grund, als sich die Cousinen im Interview äußerten. Wie es damals zugegangen sein könnte, das erzählt Ana Sender in „Die Feen von Cottingley“.

Als kleine Mädchen spielen Elsie und Frances in jeder freien Minute im Wald, gemeinsam mit den „Geschöpfen des Waldes“. Ihr Leben ist unbeschwert und das möchten sie gerne mit den Erwachsenen teilen.

„Die Erwachsenen lebten in einer ganz anderen Welt. Die war hart und böse, und unsere Welt sahen sie nicht. ‚Ach, könnten sie doch sehen, was wir sehen!‘ ‚Durch den Vorhang…‘ ‚Oder durch ein Guckloch…‘ ‚Durch ein Fenster…‘ ‚Fotos machen ist wie Fenster öffnen‘, sagte Elsie. Und das machten wir.“

Das Problem dabei sind die eigensinnigen Feen, die sich nicht fotografieren lassen wollen, und so müssen Papier, Buntstifte und Scheren herhalten. Die dadurch entstandenen Fotos werden ein viel größerer Erfolg, als die Mädchen erwartet hätten – mit der Folge, dass der Wald bald völlig überlaufen ist. Die Feen zeigen sich im Gewühl nicht mehr, also müssen die Kinder die Erwachsenen wieder loswerden.

„Die einen wie die anderen hat es wirklich gegeben.“

Frances erzählt die Geschichte der Feen in diesem Bilderbuch rückblickend. Als alte Frau mit grauen Haaren und einer Gehhilfe steht sie am Fenster, betrachtet die Nachbarhäuser und ertränkt dabei ihre Zimmerpflanzen. Sie weiß nicht mehr genau, woran sie sich wirklich erinnert, was ausgedacht ist und was tatsächlich passierte in ihrem Leben, doch sie ist sich sicher, dass es die Feen tatsächlich gegeben hat.

„Viele Jahre sind seitdem vergangen. Fast alles ist anders geworden, und manchmal fällt es mir schwer, meine Erinnerungen von meinen Träumen zu unterscheiden.“

Durch diese Erzählweise behält die Geschichte der zwei Cousinen und ihrer Feen den Glanz des Fantastischen, den Status des Unsicheren. Ob es Feen gibt oder nicht ist eine Frage des Glaubens an die Magie in unserer Welt. Das ist eine schöne Botschaft und verleiht „Die Feen von Cottingley“ deutlich mehr Substanz, als man sie in den meisten heutigen, rosaglitzernden Feengeschichten findet, ohne dass das Bilderbuch für junge LeserInnen weniger interessant wäre.

Nach einer wahren Geschichte

Ganz passend dazu folgen die Bilder von Ana Sender nicht dem Trend ins knallige Reich des Rosa und Pink, sondern sind sehr schlicht gehalten. Die Buntstiftzeichnungen haben meist Schwarzweiß-, Sepia- und Blautöne mit einigen bunten Elementen. Dadurch bleibt viel Raum für die eigene Fantasie und es entsteht auch im Bild der Eindruck von Erinnerungen. Die Wesen des Waldes, aber auch die Menschen, sind außerdem sehr niedlich anzusehen.

Auf der letzten Seite des Bilderbuches wird die Geschichte der echten Cousinen erzählt, an der sich die Autorin orientiert hat. Nur der Zeitpunkt des Geständnisses von Frances und Elsie weicht im Bilderbuch von den wahren Begebenheiten ab. Hier wird auch direkt angesprochen, dass der „berühmte Schriftsteller namens Arthur“ mit den Sherlock Holmes Büchern auf dem Schreibtisch natürlich Arthur Conan Doyle war – ein Fakt, der für Kinder nicht sehr interessant sein dürfte und deswegen aus der erzählten Geschichte auch nur für Erwachsene hervorgeht. Im Zentrum dieser Erzählung stehen die Mädchen und die Wesen des Waldes. Wer im Internet recherchiert, kann sich übrigens selbst überzeugen und dort die Fotos finden, die die Mädchen damals gemacht haben.

Die Feen von Cottingley. Ana Sender. Aus dem Spanischen von Marianne Gareis. NordSüd. 2019.

 

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