Die Teestunde im Wald: Ein Vorlesetipp für schwierige Zeiten

von | 14.03.2021 | Bilderbücher, Buchpranger

Gleich beim ersten Durchblättern ist mir dieses Bilderbuch mit einem feinsinnigen Anklang an das Märchen vom Rotkäppchen als etwas ganz Besonderes aufgefallen. Aber ich war mir nicht sicher, ob es Kindern ebenso gut gefällt. – Von Bücherstädterin Susanne Brandt

Inzwischen kann ich sagen: Tut es! Ich habe es lange nicht mehr erlebt, dass sich Kinder beim Vorlesen – die Jüngsten wie die Älteren gleichermaßen – so intensiv von der Magie der Geschichte und der atmosphärischen Stimmigkeit der Illustrationen berühren lassen.

Da stapft ein kleines Mädchen durch den Schnee, um der Großmutter ein Kuchenpaket zu bringen, das der Vater zu Hause vergessen hatte. Vermutlich geht sie den Weg durch den Wald das erste Mal allein. Erst zögert die Mutter, dann traut sie ihr zu, dass sie das schaffen kann.

Und dann fällt das Mädchen. Der Schnee ist weich, aber die Kuchenschachtel nimmt Schaden – und ihr Mut, den Weg allein zu schaffen, vielleicht auch. Als sie sich aufrappelt und versucht, der Spur des Vaters zu folgen, kommt sie an ein seltsames Haus und wird von einer lustigen Tiergesellschaft zum Tee geladen…

Spätestens jetzt sind die Kinder ganz tief drin in der Magie dieses neuen alten Märchens, haben sich schon auf dem Weg dorthin gut in die Not des Mädchens hineinversetzen können. Und nun sind sie fasziniert von der fröhlichen Teerunde mit Musik, die das Mädchen so freundlich aufnimmt und am Ende sogar – mit frisch gepacktem Kuchenpaket – bis zum Haus der Großmutter begleitet. Endlich am Ziel, möchte sich das Mädchen nochmal zu den Tieren umdrehen. Aber da ist nur noch der große dunkle Wald, der nun hinter ihr liegt.

In einer Rezension zum Buch heißt es treffend: „Das Schwierigste daran, Kinder alleine etwas unternehmen zu lassen, ist, ihnen die Möglichkeit zuzugestehen, dass es nicht klappt.“ (Globe and Mail, Toronto)

Mag sein, dass die Kinder genau das spüren: Das Mädchen wird nicht – wie in vielen anderen Bilderbüchern – zur Superheldin, die ihre Angst überwindet und am Ende alles schafft. Beim Sturz im Schnee kommt sie an ihre Grenzen. Und dass sie am Ende doch noch wohlbehalten bei der Großmutter ankommt, ist nicht auf eigene Superkräfte zurückzuführen. Sie hat auf Hilfe gehofft und sie auf wundersame Weise erhalten.

Immer wieder haben mich die Kinder am Ende gebeten, das Buch nochmal durchzublättern und innezuhalten bei den Doppelseiten mit der freundlichen Tiergemeinschaft, von der niemand weiß, wo sie hergekommen und wo sie am Ende geblieben ist. Als wollten sie sich vergewissern, dass das alles tatsächlich so passiert sein könnte. Wer weiß…

Die Teestunde im Wald. Akiko Miyakoshi. Übersetzt aus dem Japanischen von Karoline Hering. Carl Auer Verlag. 2019.

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