Die schönste Monsterjagd seit langem

von | 25.02.2020 | Digitale Spiele, Open World Games, Spielstraße

Seit Netflix im Jahr 2019 die Serie „The Witcher“ herausgebracht hat, ist die Story um den Hexer Geralt von Riva wieder präsenter. Im Rahmen unserer Reihe „Open World Games“ veröffentlichen wir die Rezension von Stadtbesucher Max Schettler zu „The Witcher 3: Wild Hunt“, die bereits 2015 in Ausgabe 18 erschienen ist, noch einmal.

Mythen sind in der Welt des „Witchers“ leider nicht so harmlos wie in der unseren, sondern häufig überraschend schnell, bissig und tendenziell humorlos. Vampire, Ghule und Werwölfe gehören hier zur Tagesordnung und machen der Bevölkerung das Leben schwer. Davon profitiert der Protagonist, Geralt von Riva, ein Hexer, der solche Ungeheuer beseitigt. Soweit so klischeehaft.

Kein Held in strahlender Rüstung

Doch wie im echten Leben ist es auch beim Witcher nicht immer so einfach. Geralt ist kein Held in strahlender Rüstung. Das Monstertöten ist sein Beruf und das will er sich entsprechend entlohnen lassen. Auf der anderen Seite sind die Monster häufig nicht böse, sondern handeln aus nachvollziehbaren Motiven, was es nicht unbedingt erleichtert, sie zu erledigen.

Im Prolog wird man bereits damit konfrontiert: Ein Greif, der die Bauern angreift, möchte eigentlich nur ungestört brüten, bis die lokale Garnison sein Nest zerstört und seine Gefährtin ermordet. Diese Welt in der Grauzone verleiht dem Spiel seinen besonderen Reiz. Wo die Spieler in anderen Spielen gar keine irrelevanten oder klar bewerteten Entscheidungen treffen müssen, stehe ich hier häufig vor einem echten Dilemma. Eigentlich ist keine der Optionen moralisch richtig und die Konsequenzen unabsehbar. Wenn es ginge, würde ich mich am liebsten überhaupt nicht entscheiden – fast so wie im echten Leben.

Als ob all dies noch nicht genug wäre, wird Geralt noch in die Handlung verstrickt. Allem Anschein nach hat es die „Wilde Jagd“ auf Geralts Ziehtochter Ciri abgesehen. Sie ist durch ihre Abstammung mit besonderen Kräften ausgestattet, die sie in der Vergangenheit schon öfter in Schwierigkeiten gebracht haben. Die Suche nach Ciri führt an allerhand alten Bekannten vorbei, sowohl aus den Büchern als auch den vorhergehenden Spielen, insbesondere an den Zauberinnen Triss Merigold und Yennefer Vengeberg. Mit ihnen hat Geralt eine intime Vergangenheit, was nun wieder für Spannungen und weitere Entscheidungen sorgt.

Eine offene Welt

Die Spieler tauchen nach einem kurzen Intro direkt in die Welt ein. Dabei steuern sie Geralt aus der Schulterperspektive durch die atemberaubend schöne Landschaft. Es dauert nicht lange, bis die ersten Gegner auftauchen, die aber schnell erledigt sind. Dank des jederzeit einstellbaren Schwierigkeitsgrades ist das Spiel zugänglich für eine große Bandbreite an Spielern.

Zum ersten Mal in der Spielserie können Spieler eine offene Welt erkunden, die sich aus Sumpflandschaften, bergiger Umgebung, einer Stadt und Farmland zusammensetzt. Diese Schauplätze sind aus den Büchern zwar bekannt, waren aber bisher nicht Teil der direkten Handlung, sondern waren mehr in Rückblendungen vorhanden. Nach dem Prolog geht die Reise zunächst in das Sumpfgebiet, welches durch den herrschenden Krieg verwüstet wurde. Das sorgt für Nährstoff für Böses aller Art und somit auch Arbeit für Geralt.

Die Weite des Spiels ist gleichzeitig aber auch seine Schwäche. Nicht jeder Charakter, den man trifft, hat etwas Relevantes zu sagen. Die Personen, mit denen man interagieren kann, sind besonders markiert. Das stört die Atmosphäre. Eine kleinere dichtere Welt wäre vielleicht stimmiger gewesen. Abgesehen davon wirkt die Welt aus einem Guss und hat an allen Ecken und Enden etwas Interessantes zu bieten. Die Nebenaufgaben sind liebevoll erstellt und spannend lösbar. Auch bei diesen Aufgaben gilt es, häufig Entscheidungen zu treffen. Bei den Dialogen hat man stets die Möglichkeit zu entscheiden, wie das Gespräch verlaufen soll. Dadurch kann man sich sehr gut mit dem Protagonisten identifizieren und aktiv die Entwicklung seines Charakters mitgestalten.

Zusätzlich zu den glaubwürdigen Charakteren sorgt die Grafik für eine tolle Atmosphäre. Die Wind- und Wettereffekte lassen einen Sturm derart realistisch erscheinen, dass man sich beim nächsten Unterstand verkriechen will, um das schlechte Wetter abzuwarten. Das Spiel ist ein absoluter Hingucker geworden, sofern man einen leistungsfähigen Rechner hat.

Gelungenes Rollenspiel für Erwachsene

Wenn man es schafft, sich von der Aussicht oder den Nebentätigkeiten loszureißen, kann man sich der tatsächlichen Handlung des Spiels widmen. Diese ist, wie die der anderen Spiele auch, zeitlich nach den Büchern angesiedelt. Die Thematik der Bücher, die sich hauptsächlich um Ciri dreht, wird im neusten Teil stärker aufgegriffen. Ciri ist neben Geralt sogar ein spielbarer Charakter. Mit Hinblick auf die Vorlage ist es nicht weiter verwunderlich, dass die „Wilde Jagd“ ein Interesse an ihr hat, da sie schon viel früher die Kräfte Ciris missbrauchen wollten. Analog zu den Büchern ist auch die Rolle des Hexers. Er begibt sich eher unfreiwillig in die Gefilde der Mächtigen, die versuchen, ihn für ihre Zwecke einzuspannen und auszunutzen. Geralt gefällt das eher weniger, was sehr gut im Spiel dargestellt wird.

Der Abschluss der Witcher-Trilogie ist ein durchweg gelungenes Rollenspiel für Erwachsene. Die dichte Atmosphäre in der nicht-stereotypen Spielwelt wird aufgelockert durch den raubeinigen Humor Geralts und seinen zwischenmenschlichen Beziehungen. Das hebt das Spiel stark aus dem Einheitsbrei von Orks und Elfen hervor. Als bisher größtes Projekt des Entwicklers CD Projekt RED wurde offenkundig besonders Wert auf die Zugänglichkeit gelegt, sodass Neulinge auch ohne Kenntnis der vorigen Teile einen leichten Einstieg in die Reihe finden. Wer Freude daran hat, sich für bis zu 120 Stunden von einer faszinierenden Welt aufsaugen zu lassen, findet hier definitiv Freude daran. Falls nach dem Spiel noch Lust auf mehr vorhanden ist, sollten die beiden vorigen Teile und die fünf Bücher eine Weile unterhalten.

Buch: Das Erbe der Elfen. Andrzej Sapkowski. Übersetzung: Erik Simon. dtv. 2008. // Spiel: The Witcher 3: Wild Hunt. CD Projekt RED. 2015. Ab 18 Jahren. // Screenshots: CD Projekt RED.

 

[tds_note]Ein Beitrag zur Themenreihe „Open World Games“. Vom 17. bis zum 25. Februar 2020 stellen wir euch in der Spielstraße anhand von augewählten Open-World-Spielen unterschiedliche Open-World-Konzepte vor. Hier werden alle Beiträge gesammelt. Wir wünschen allen viel Freude beim Lesen und sind gespannt auf eure Kommentare!

 

Grafik (Open World Map): Satzhüterin Pia[/tds_note]

 

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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