Die Rolle der Frau im Blockbuster

von | 25.08.2018 | #Kunterbunt, Filme, Filmtheater, Specials

Zeichensetzerin Alexa blickt aus der Perspektive der feministischen Filmtheorie auf „Transformers: Ära des Untergangs“: Die Frau, findet sie, hat in diesem Film schlechte Karten.

Über 40 Jahre sind vergangen, seit Laura Mulveys Essay „Visuelle Lust und narratives Kino“ (Visual Pleasure and Narrative Cinema, 1975) erschienen ist. Ihrer Meinung nach sei die subjektive Kameraperspektive im Film beeinflusst vom „männlichen Blick“, wodurch die Identifikation mit der Figur vorrangig aus der Sicht des Mannes erfolgt. Auf diese Weise wird die Frau im Film zum visuellen Objekt in einer patriarchalen Gesellschaftsordnung. Dabei werden stereotype Bilder von der Frau, deren Rolle und Weiblichkeit transportiert. Mulvey verbindet die „Lust am Schauen“ mit der Psychoanalyse von Freud, der die „Schaulust“ als einen Instinkt darstellt und mit Sexualität in Zusammenhang bringt.

Neben Filmtheorien wie jener von Mulvey, beschäftigten sich Feministinnen in den 70er Jahren mit der Rolle der Frau im Film in Form von journalistischen Beiträgen. Nicht unbedeutend ist hierbei die Zeitschrift „Frauen und Film“, welche sich der feministischen Filmtheorie widmet.

Getrud Koch geht in einem Aufsatz in der Zeitschrift der Frage nach, welchen Zweck feministische Filmkritik erfüllen soll. Es gehe dabei unter anderem um die Entwicklung feministischer Methoden der Filmanalyse, weil Methoden nicht von ihren Intentionen trennbar seien. (Vgl. Koch 1977: S. 5) So wird Filmkritik „zur wissenschaftlichen Methode, zur systematischen Beschreibung, die in der Darstellung des Materials dessen Form kritisch zur Darstellung bringt.“ (Koch 1990: S. 141)

Nach Christiane Rieke hat sich die Rolle der Frau – trotz feministischer Filmtheorie und -kritik – kaum verändert: „Reduziert auf äußere Merkmale bleibt die Frau […] eine Figur, die mit einer komplexen, realen Frau nur wenig gemein hat.“ (Rieke 1998: S. 13)

Obwohl sich seit der Veröffentlichung von Mulveys Essay gesellschaftlich und im Hinblick auf den Feminismus einiges getan hat, trifft die Kritik Riekes auch heute noch zu. Betrachtet man Filme als Spiegel ihrer Zeit, zeigen sich erhebliche Unterschiede in der filmischen Darstellung von Frauen im Vergleich zu dem, was der Feminismus fordert: insbesondere Selbstbestimmung, Gleichberechtigung und das Aufbrechen von traditionellen Rollenklischees. Diese Diskrepanz ist vorwiegend im actionreichen Blockbuster vorzufinden, als Beispiel sei hier der Film „Transformers: Ära des Untergangs“ vorgestellt.

Mensch gegen Maschine – Maschine gegen Mensch

„Transformers: Ära des Untergangs“ erschien 2014 als vierter Teil der Transformers-Reihe. Hier geht es vor allem um actionreiche Kämpfe zwischen Maschinen, genannt Transformers, und zwischen Menschen und Maschinen: Während Harold Attinger (Kelsey Grammer) den Transformers den Kampf ansagt – wobei er keinen Unterschied zwischen den bösen Decepticons und den friedlichen Autobots macht –, stößt Erfinder Cade Yeager (Mark Wahlberg) auf den Autobot Optimus Prime. So werden auch Cade, seine Tochter Tessa (Nicola Peltz) und deren Freund Shane (Jack Reynor) zur Zielscheibe von Attingers Spezialeinheit. Als sei das nicht genug, tauchen die zerstörerischen Decepticons auf und machen ihnen das Leben schwer.

Man folge der Kamera

„In einem ersten Schritt identifiziert sich der Zuschauer mit sich selbst als reinem Wahrnehmungsakt. Anschließend produziert der filmische Diskurs sekundäre Identifikationen, indem er den Zuschauerblick durch den Kamerablick steuert.“ (Winter 1992: S. 61)

Der Zuschauerblick wird durch die Kameraperspektive und – nach Mulvey – dem damit verbundenen „männlichen Blick“ gelenkt: Nahaufnahmen zeigen Tessa von hinten, sind besonders auf ihren Hintern fixiert – die äußeren Merkmale, ihre perfekte Schönheit, ist das, worüber sie über die Kameraeinstellung definiert wird. Sie ist das Objekt, das der Mann besitzen muss wie eine Trophäe. Die Frau bleibt dabei mitsamt ihrer Merkmale austauschbar und für den Handlungsverlauf nicht wichtig. Sie ist die Figur, die den Mann dazu bewegt, etwas zu tun, ihn zu beeinflussen, ohne selbst eine Bedeutung zu haben. Die Handlung wird dabei aktiv vom Mann vorangetrieben, während der Frau die passive Rolle zugeschrieben wird.

Tessa sei „das Beste, das mir je passiert ist“, wie Cade, der Vater, in einer Szene sagt, als handele es sich bei ihr um ein Objekt, das er besitzen kann. Auch wenn sich seine Tochter Sorgen um ihn und seine Finanzen macht, nimmt er sie und ihre Bedenken nicht ernst.

Tessa ist es auch, die gerettet werden muss. Sie weiß nicht, wie sie der Gefahr ausweichen kann und entscheidet sich dafür, nach Hilfe zu rufen; sie schlüpft in die Opferrolle, aus der sie nicht wieder herauskommt. In den Szenen, in denen die Männer (Freund und Vater) versuchen, sie zu retten, taucht sie kaum bis gar nicht auf der Bildfläche auf. Als sie wieder erscheint, fällt sie abermals in eine Opferrolle: In dieser Szene müssen die drei Charaktere fliehen. Doch anstatt den Männern zu folgen, ergibt sie sich ihrer Höhenangst, kreischt und will wieder umkehren – womit sie zur Last wird, die die Männer davon abhält, ihr Leben zu retten. Im Gegensatz zu ihrem (hormongesteuerten) Verhalten, haben sich die Männer unter Kontrolle.

„Das gemeinsame Grundproblem der unterschiedlichen Ansätze der feministischen Filmtheorie ist die untergeordnete Darstellung von Frauen innerhalb der traditionellen filmischen Erzählweise.“ (Rieke 1998: S. 26) Diese Darstellung wird nicht nur durch Stereotype verstärkt, sondern auch durch sexistische Bemerkungen verdeutlicht. Es geht um Frauen „mit fetten Busen“, darum, wie „viele Mädels“ der Protagonist bereits in den Saal eingeladen hat und um doppeldeutige Sätze wie „Nimm ihn in die Hand“.

Die Rolle, welche Tessa hier annimmt, ist jene der Hilflosen beziehungsweise einer Frau, die ohne den Mann nicht überleben kann. Sie muss und will sich verstecken, weil sie Angst vor der Maschine hat.

Frauen und Technik

Die Rollenkonstellation ist klar nach Stereotypen definiert: Der Vater ist Erfinder und kann mit Technik umgehen, der Freund ist gutaussehender Rennfahrer, die Tochter eine bildhübsche Schulabgängerin. Im Vergleich zu den männlichen Rollen ist sie jedoch diejenige, die keinen Erfolg erzielen kann: Mit dem Stipendium hat es nicht geklappt, von Technik hat sie keine Ahnung und beim Rennfahren kann sie nur daneben sitzen und assistieren.

Die Rollenkonstellation ist dabei nicht nur zwischen den Protagonisten Tessa, Shane und Cade klar festgelegt, sondern auch bei den Nebenrollen. In diesem Film fungieren die Frauen entweder als Assistentinnen, Sexualobjekte oder Personen, die Probleme verursachen. Die Führungskräfte sind mit einer Ausnahme alle Männer, doch auch auf der Führungsebene wird die Frau nicht als ebenbürtig angesehen. So erklärt der Mann beispielsweise in einer Szene ebendieser Frau, wie die neue Technik funktioniert – und sie ist diejenige, die sich darauf einlassen muss.

Frauen und Technik – das wird in diesem Film als etwas sich Ausschließendes dargestellt. Deutlich wird das nicht nur anhand der Rolle der Frau im Film, sondern auch daran, dass unter den Autobots keine weibliche Stimme vertreten ist.

Eine Veränderung?

Inwieweit hat sich die Rolle der Frau tatsächlich gewandelt? Filme wie „Transformers: Ära des Untergangs“ verdeutlichen, dass sich der Blick auf die Rollenverteilung in der filmischen Umsetzung zumindest in actionreichen Blockbustern, die mit stereotypen Verhaltensmustern und Rollenverteilungen arbeiten, kaum verändert hat.

Andrea Braidt stellt die berechtigte Frage: Wer steuert eigentlich wen? Hollywood das Publikum oder das Publikum Hollywood? (Vgl. Braidt 2008: S. 31) Dass solche Filme so großen Erfolg erzielen, kann an der Marketingstrategie der Filmindustrie liegen, aber auch am Interesse des Publikums. Dies zu untersuchen wird auch weiterhin Ziel der feministischen Filmtheorie und Filmkritik sein.

Hierbei ist ein reflektierter Umgang mit dem Medium Film und speziell mit dem „Blockbuster“, welcher bei Filmen wie diesem Wert auf Unterhaltung und Effekthascherei legt, wünschenswert. Ebenso wie eine gezielte Auseinandersetzung mit der Rollenkonstellation im populären Unterhaltungsfilm.

Zum Weiterlesen:

  • Blanchet, Robert: Blockbuster. Marburg. 2003.
  • Braidt, Andrea B.: Film-Genus. Gender und Genre in der Filmwahrnehmung. Marburg. 2008.
  • Koch, Getrud: Kritik und Film, gemeinsam sind wir unausstehlich. 1990.
  • Koch, Getrud: „was ist und wozu brauchen wir eine feministische filmkritik?“. In Frauen und Film. 1977.
  • Mulvey, Laura: Visual Pleasure and Narrative Cinema. In Narrative, Apparatus, Ideology, hg. Philip Rosen, 198-209. New York: Columbia University Press. 1986 (1975).
  • Riecke, Christiane: Feministische Filmtheorie in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt am Main. 1998.
  • Skarics, Marianne: Popularkino als Ersatzkirche? Das Erfolgsprinzip aktueller Blockbuster. Münster. 2004.
  • Wuss, Peter: Filmanalyse und Psychologie: Strukturen des Films im Wahrnehmungsprozeß. Berlin. 1993.
  • Winter, Rainer: Filmsoziologie. Eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft. München. 1992.
  • Wortklauberin Erika: Blick und Blickrichtung im Kino
  • Zeitschrift „Frauen und Film“: www.frauenundfilm.de
Ein Beitrag zum Special #Kunterbunt. Hier findet ihr alle Beiträge.

Bilder: Paramount Pictures

 

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