Die Geschichte von Herrn Sommer

by Zeichensetzerin Alexa

„Nir­gendwo ist der, der über­all ist.“

*Klick* ama​zon​.de; Cover © Dio­ge­nes

DIE GESCHICHTE VON HERRN SOMMER, geschrie­ben von Patrick Süs­kind, ist eine beson­dere Geschichte. Sie erzählt mit einer unge­wöhn­li­chen Leich­tig­keit, mit Witz und Humor über das Leben, vor allem aber über den selt­sa­men Mann namens Herr Som­mer. Dabei spielt er noch nicht ein­mal die Haupt­rolle in der Geschichte, ist stets im Hin­ter­grund des Ich-Erzäh­lers, der von sich und sei­nem Leben erzählt und sich des Öfte­ren fragt: wer ist eigent­lich Herr Som­mer? Und warum ist er stän­dig in Wanderschaft?

Das Buch beginnt mit dem Flie­gen: „Zu der Zeit, da ich noch auf Bäume klet­terte…“ Frü­her ein­mal, vor vie­len Jah­ren und Jahr­zehn­ten, als der Ich-Erzäh­ler noch jung war, nur ein wenig über einen Meter groß maß und Schuh­größe acht­und­zwan­zig hatte, da war er so leicht, dass er flie­gen konnte. Vor allem, wenn der Wind auf­kam und ihn mit sich riss… doch warum spricht er sei­ten­lang vom Flie­gen? Eigent­lich will er die Geschichte vom Herrn Som­mer erzäh­len. Also beginnt der Ich-Erzäh­ler, nach­dem er so weit abge­schweift ist und über das Flie­gen, Gali­leo Gali­lei und des­sen Fall­ge­setz gespro­chen hat, noch­mal von vorn: „Zu der Zeit, da ich noch auf Bäume kletterte…“

Locker leicht schreibt der Autor über einen klei­nen Jun­gen, der wie alle ande­ren Kin­der im Dorf, zur Schule geht, wie er sich zum ers­ten Mal ver­liebt, Fahr­rad fah­ren lernt und Kla­vier­un­ter­richt bekommt. Beson­ders die Kla­vier­stun­den prä­gen ihn. Jedes Mal, wenn er ein Stück feh­ler­frei vor­spielt, erhält er von der Mut­ter der Kla­vier­leh­re­rin einen Keks. Die Mut­ter ist eine gebrech­li­che, alte Frau, die stets in ihrem Ses­sel sitzt und dem Jun­gen mit zit­tern­den Fin­gern einen Keks hin­hält, sobald er sich ihr genä­hert hat. Spielt er jedoch auch nur einen fal­schen Ton, beginnt die Leh­re­rin zu schreien und droht ihm: sollte er die­sen einen Feh­ler noch ein­mal machen, würde er es bit­ter bereuen. Der Ich-Erzäh­ler, der kleine Junge, ein­ge­schüch­tert von sei­ner toben­den Leh­re­rin, ver­sucht es noch ein­mal und kon­zen­triert sich so sehr dar­auf, den Feh­ler nicht zu machen, dass er ihn schließ­lich doch macht…

Der Druck der Schule wird hier beson­ders deut­lich und zeigt dem Leser, dass man wirk­lich nur dann lernt, wenn man es frei­wil­lig und gerne macht. Dabei ist der Ich-Erzäh­ler so wiss­be­gie­rig! Stän­dig fragt er sich, was es mit Herrn Som­mer auf sich hat und warum die­ser sich so selt­sam ver­hält. Ob er wohl unter Klaus­tro­pho­bie lei­det? Viel­leicht läuft er immer davon, um jeman­dem aus dem Weg zu gehen? Doch vor wem sollte er davon lau­fen? Und warum ist er immer so in Eile? Immer, wenn ihn jemand anspricht, redet er so schnell und undeut­lich, dass man nur noch Wort­fet­zen wie „keine Zeit“ ver­steht, und im nächs­ten Augen­blick ist Herr Som­mer schon wie­der ver­schwun­den. Mit sei­nem Ver­hal­ten erin­nert er so man­chen Leser an die heu­tige Zeit, in der immer mehr Men­schen in Arbeits­wahn ver­fal­len, stän­dig in Eile sind und nie­mals Zeit haben. Schnell und rast­los wie Herr Sommer.

„Nir­gendwo ist der, der über­all ist“, lau­tet ein Zitat von Seneca und beschreibt die Aus­sage des Buches wohl am bes­ten. Denn obwohl Herr Som­mer stän­dig unter­wegs ist, gibt es nie­man­den, mit dem er in Bezie­hung steht, nie­man­den, der ihn zu Hause oder andern­orts erwar­tet. Denn er ver­weilt nie lange an einem Ort. Aus feh­len­der Bin­dungs­fä­hig­keit? Wer weiß…

„Die Geschichte von Herrn Som­mer“ ist also eine wahr­lich beson­dere Geschichte. Eine inter­es­sante, wit­zige, lehr­rei­che. Über das Bestehen und Ver­ge­hen, über die Ruhe und Rast­lo­sig­keit – in einer längst ver­gan­ge­nen Zeit, die über­trumpft wird von der Schnel­lig­keit der heu­ti­gen Zeit. Unter­stützt wird der Text mit Bil­dern von Sempe, einem fran­zö­si­schen Zeich­ner und Kari­ka­tu­ris­ten, der 2008 mit dem inter­na­tio­na­len Kunst­preis „e.o.plauen Preis“ aus­ge­zeich­net wurde. Auch für „Das Geheim­nis des Fahr­rad­händ­lers“ arbei­tete er mit Patrick Süs­kind zusam­men. Die­ser ist mit sei­nem Roman „Das Par­füm“ (1985) welt­be­kannt geworden.

Alexa

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