Die Dämonin, die eine Heldin ist

von | 25.03.2021 | Belletristik, Buchpranger

Februar ist Black History Month. Bücherstädterin Vera liest dann mit Vorliebe Bücher schwarzer Autor*innen. Das Fantasy-Debut von Namina Forna, „Die Göttinnen von Otera: Golden wie Blut“ kam für sie dafür genau zur rechten Zeit. Es geht darin um Selbstfindung, Emanzipation und die Erkenntnis, dass man nicht nur gegen Monster, sondern auch gegen ungerechte Systeme kämpfen kann.

Die sechzehnjährige Deka will nur eines: in ihrem Dorf endlich dazugehören, trotz ihrer dunklen Haut. Dazu muss sie nur das Reinheitsritual bestehen, das sie zur vollwertigen Frau der Gemeinschaft erklärt. Und eine Frau, so will es Gott Oyomo, ist dem Mann untergeordnet, sittsam maskiert, und vor allem: rein. Rotes Blut, das bedeutet Reinheit. Fließt es jedoch golden, so ist eine Frau ein Dämon, der eliminiert werden muss. Als „Todesrufer“, grausame Monster, das Dorf angreifen, entdeckt Deka das Undenkbare: Ihr Blut ist flüssiges Gold. Ein Todesurteil? Ja, und nein. Denn egal, welche Grausamkeit man ihr antut, immer wieder kehrt sie lebendig zurück.

Bald wird ihr ein Ausweg geboten: Der Kaiser des Reiches rekrutiert sie, als „Alaki“, als unbesiegbare Kriegerin für eine Armee gegen die Todesrufer. Zum ersten Mal ist sie unter Mädchen, die so sind wie sie, die ihr Leid teilen, die zueinander halten. Bald erkennt Deka jedoch, dass ihre Kräfte die ihrer Blutsschwestern übersteigen. Wieso ist sie anders? Und Deka hinterfragt bald das patriarchale System und die Religion, mit denen sie aufgewachsen ist.

„Und das ist das Schlimmste daran: Der Körper heilt. Die Narben verblassen. Aber die Erinnerungen bleiben für immer.“ (S. 341)

Forna, die in den 90ern mit ihrer Familie aus Sierra Leone in die USA auswanderte, gelingt es, sehr wichtige Themen glaubwürdig zu verhandeln, und macht auch vor unangenehmen Szenen nicht halt. Deka, die zunächst als einzige Schwarze in einem Weißen Dorf aufwächst, erfährt Rassismus und Sexismus – zu denen noch andere Diskriminierungen und Gewalterfahrungen hinzukommen, als ihr Status als Alaki bekannt wird. Aber Deka ist in ihrem Leid nicht allein. So unterschiedlich die Herkunft ihrer Mitstreiterinnen ist, so eint sie die Ungerechtigkeit und Gewalt, die ihnen angetan wurde. Dabei präsentiert Forna Empowerment als Ausweg: Das, was die Mädchen als Außenseiterin kennzeichnet, machen sie selbst zum Ausgangspunkt ihres Stolzes. Welche Wahl haben sie auch sonst?

„Ich habe es satt, Angst zu haben.“ (S. 189)

Doch darüber hinaus hat man das Gefühl, dass das Buch trotz der über 500 Seiten zu viel auf einmal will, so als hätte Forna versucht, so viele Jugend-Fantasy-Punkte unterzubringen wie möglich: Geheimnisse um die Herkunft, eine Romanze, ein magisches Haustier, Wendungen und Enthüllungen, die sich zum Schluss überschlagen. Was den Lesegenuss aber leider auch trübt, ist, dass die Wendungen häufig sehr passiv präsentiert werden. Anstatt mit Deka zusammen aktiv Entdeckungen zu machen, Plot Twists zu erleben und daran zu wachsen, werden zu viele wichtige Erklärungen in nachträglich eingeworfenen Fließtexten gegeben. So hat man als Leser*in das Gefühl, an den wichtigsten Stellen außen vor gelassen zu werden.

Es scheint, als hätte Forna mit dem Auftakt der Trilogie ihre Erzählstimme und den Feinschliff in ihrem Worldbuilding noch nicht gefunden. Dennoch ist der Roman eine spannende Abwechslung zur gewohnten Fantasy aus weißer Perspektive in westlichem Setting.

Die Göttinnen von Otera (Band 1): Golden wie Blut. Namina Forna. Aus dem Amerikanischen von Bea Reiter. Loewe. 2020.

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