Die Aufarbeitung der Debatte um Restitutionen

von | 08.05.2021 | Buchpranger, Sach- und Fachbücher

Das Buch „Afrikas Kampf um seine Kunst – Geschichte einer postkolonialen Niederlage“ von der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy zeigt auf, wie lange und umfangreich bereits über Restitutionen von afrikanischen Kulturgütern diskutiert wird. Geschichtenzeichnerin Celina ist dem Buch in die Debatten der 1960er bis 1980er Jahre gefolgt.

In der Einleitung geht Savoy auf die Arbeit mit dem Sozialwissenschaftler, Autor und Musiker Felwine Sarr ein. Beide erhielten im März 2018 vom französischen Präsident Emmanuel Macron den Auftrag, Möglichkeiten und Kriterien der Rückgabe von kolonialen Kulturgütern französischer Museen an afrikanische Länder zu erkunden. Sie hielten ihre Erkenntnisse im Abschlussbericht „Rapport sur la restitution du patrimoine culturel africain“ (zu Deutsch: „Bericht über die Restitution afrikanischer Kulturgüter“) fest.

Bei dieser Forschungsarbeit scheint der Kunsthistorikerin unter anderem besonders ins Auge gefallen zu sein, dass eben jene Debatte – im Buch mit Fokus auf Deutschland – um Restitutionen schon einmal geführt wurde. Diese hatte ihren Höhepunkt von 1978 bis 1982, ist aber danach in Vergessenheit geraten. Es kam zu einer kolonialen Amnesie. Genau diese Erkenntnis nimmt Savoy als Ausgangspunkt für ihre Publikation. In dieser wird geschildert, wie und warum es dazu kam. Welche Strukturen und Ideologien dahinterstecken. Welche Stimmen sich einst für und gegen Restitutionen aussprachen und welche Gründe die jeweiligen Akteure anführten. Ebenso wie Politik und besonders Museen an diesem Diskurs beteiligt waren.

Das Buch startet nach der Einführung im Jahr 1965 und endet an sich mit 1985. Hinzu kommt der Epilog, der verdeutlicht, was uns die Vergangenheit lehrt und ebenfalls eine Perspektive in die Zukunft weist. Bemerkenswert ist an Savoys Arbeit, wie präzise, umfangreich und engagiert sie forscht und dabei jede Menge Material aus verschiedenen Archiven sowie Zeitungen, Publikationen und Bildmaterial heranzieht, um die Geschichte der postkolonialen Niederlage zu schreiben.

Darüber hinaus sei gesagt…

Auffällig ist, dass verschiede Personen – sowohl Befürworter als auch Gegner –, die sich unterschiedlich in die Debatte über diese Jahre hinweg einbrachten, von Savoy eingeführt und deren Stellungnahmen sowie ihre jeweiligen Kontexte besprochen werden. Dabei werden auch mal längere Zitate eingebettet, die dazu beitragen, die Personen, ihre Argumente und wie sie über etwas sprechen genau unter die Lupe zu nehmen.

Ebenso werden die Restitutionsforderungen der afrikanischen Länder, besonders von Nigeria aber auch Tansania, betrachtet und analysiert. Zudem werden andere Einflussfaktoren, wie die Frage nach gesetzlicher Legalität und historische Dimensionen, beispielsweise Rückbezüge auf die NS-Zeit, miteingebracht. Teilweise scheint es im Buch zu Wiederholungen zu kommen, was daran liegt, dass einige Personen, besonders solche, die Restitutionen ablehnten, nie müde wurden, auf ihre Argumente zu bestehen.

Schreibstil

Bénédicte Savoy hat das Buch nachvollziehbar strukturiert, indem sie es chronologisch aufgebaut hat und ein roter Faden erkennbar ist. Der Inhalt ist allgemeinverständlich geschrieben und trotzdem wissenschaftlich fundiert, sodass auch Leser*innen, die nicht Kunst oder Geschichte studiert haben, der Publikation sehr gut folgen können. Es handelt sich somit um ein Sachbuch der Kunst- und Kulturwissenschaft. Dies ist als positiver Aspekt hervorzuheben, da somit vielen Menschen die Teilhabe an der heutigen Debatte ermöglicht wird.

Darüber hinaus schafft Savoy es, wortgewandt und spannungsreich zu erzählen. Dabei gibt die Autorin den Lesenden das Gefühl, die historische Geschichte aktiv mitverfolgen zu können. Diese Art des Schreibstils ist auch in anderen Publikationen von Savoy augenfällig.

Bénédicte Savoy

Savoy ist Professorin für Kunstgeschichte an der TU Berlin und am Collège de France in Paris. Sie beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit Kunstraub und Beutekunst sowie mit den Kulturgütern, die Ländergrenzen überquert haben, und mit Restitutionen. Dies zeichnet sich auch an ihren bisher erschienenen Publikationen ab, unter anderem „Nofretete. Eine deutsch-französische Affäre 1912–1931.“ (2011), „Die Provenienz der Kultur. Von der Trauer des Verlusts zum universalen Menschheitserbe.“ (2018) und „Museen. Eine Kindheitserinnerung und die Folgen.“ (2019).

Damals wie heute

„Afrikas Kampf um seine Kunst – Geschichte einer postkolonialen Niederlage“ ist allen zu empfehlen, die sich mit der Geschichte der Debatte um Restitutionen auseinandersetzen möchten, zumal es sich um ein wichtiges und heute erneut viel diskutiertes Thema handelt. Erstaunlich ist hierbei, wie die damaligen Argumente den heutigen ähneln. Dieses Buch bietet erstmals eine entscheidende Grundlage für weiterführende Gespräche und Schritte hinsichtlich der Restitutionen.

[tds_note]Empfehlung: Videobeitrag von aspekte zum Buch auf der ZDF-Website.[/tds_note]

Afrikas Kampf um seine Kunst – Geschichte einer postkolonialen Niederlage. Bénédicte Savoy. C. H. Beck. 2021.

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

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