Der Weltraum – Unendliche Weiten …

von | 05.10.2021 | Belletristik, Buchpranger

Stell dir vor, du bist High School-LehrerIn. Doch dann wachst du auf. Du befindest dich in einem Raumschiff. Maschinen brummen um dich herum, Schläuche laufen in deinen Arm. Deine Crew-Mitglieder sind tot – schon lange. Du bist allein in den unendlichen Weiten des Weltraums und du hast keine Ahnung, was hier passiert ist. Dir fehlt ein Großteil deiner Erinnerung. Lediglich an einige Schnipsel kannst du dich erinnern. Du bist der einzige Mensch, der den Kollaps der Sonne aufhalten kann. Es geht ums Überleben der gesamten Menschheit. Und du fragst dich, wie zur Hölle du hier hinein geraten bist. So ergeht es Ryland Grace, dem Protagonisten in Andy Weirs „Der Astronaut“. Klingt spannend? Ist es auch. Bücherstädterin Kathrin hat sich auf eine weite Reise begeben, um die Erde zu retten.

 

Die Sonne stirbt

Der Planet Erde steht vor dem Untergang. Die Sonne verliert immer mehr Energie. Dafür verantwortlich sind winzige, unbekannte Mikroben, eine außerirdische Lebensform, die sich von der Energie der Sonne ernähren. Werden sie nicht aufgehalten, wird die Sonne sterben – und das Leben auf der Erde mit ihr. Um die Menschheit zu retten, wird ein bemanntes Raumschiff in die unendlichen Weiten des Weltraums geschickt, um dieses Schicksal vielleicht doch noch abzukehren.

Ryland Grace ist eigentlich Lehrer, findet sich aber als Crewmitglied in dieser aberwitzigen Mission wieder. Wie ist er da nur hineingeraten? Und die wichtigste Frage: Wie soll er die Erde überhaupt retten? Und wohin zum Teufel ist er eigentlich unterwegs? Millionen von Lichtjahren von seinem Heimatplaneten entfernt, ist er ganz auf sich allein gestellt, denn seine Crewmitglieder sind alle tot. Funkkontakt gibt es durch die riesige Entfernung natürlich auch nicht. Noch dazu fehlen ihm Teile seiner Erinnerung. Doch nach und nach kehren sie zurück und zeichnen ein erschreckendes Bild. Ist die Menschheit noch zu retten?

 

Moment mal, habe ich ein Déjà-vu?

Ein Mann, ganz auf sich allein gestellt im Weltraum – dieses Szenario dürfte den einen oder anderen bekannt vorkommen. Dieses erinnert nämlich stark an Andy Weirs Erstlingswerk „Der Marsianer“. Trotz eines vergleichbaren Settings ist „Der Astronaut“ jedoch ganz anders. Der Roman arbeitet mit zwei Zeitebenen. Eine spielt im Hier und Jetzt, in welchem wir den Protagonisten Ryland Grace auf seiner Mission begleiten. Die andere Ebene zeigt die Vergangenheit: Wie konnte ein einfacher High School-Lehrer in diese Sache hinein rutschen? Immerhin hängt von ihm das gesamte Schicksal der Menschheit ab.

Der Einstieg in die Geschichte erfolgt unmittelbar. Genau wie Ryland Grace sind wir komplett ahnungslos, was hier eigentlich los ist. Zusammen mit seinen wiederkehrenden Erinnerungen setzt sich das Puzzle mehr und mehr zusammen. Anders als „Der Marsianer“ ist diese Geschichte deutlich langsamer, was der Spannung aber keinen Abbruch tut. Ganz im Gegenteil, subtil verflechtet Andy Weir Vergangenheit und Gegenwart und streut immer wieder Informationen, aber auch Antworten ein. So werden neue Fragen aufgeworfen, die Handlung vorangetrieben und spannend erzählt.

Dies alles geschieht unter der Prämisse des unendlichen Weltraums in all seiner Stille und nur einem einzigen Protagonisten – eine One-Man-Show also. Doch anders als im „Marsianer“, in welchem Mark Watney diese Rolle übernimmt, bekommt Ryland Grace einen weiteren Mitspieler, der ihm fast die Show stiehlt. Wer das ist und wo dieser plötzlich herkommt, ob es sich dabei um eine außerirdische Lebensform handelt oder etwas ganz anders, wird an dieser Stelle natürlich nicht verraten. Es ist sich also definitiv kein Abklatsch vom „Marsianer“, auch wenn dies zunächst den Anschein haben mag.

Und wie war die Reise?

Bei diesem Buch kommt die Unterhaltung definitiv nicht zu kurz. Es braucht nicht immer riesige, menschenfressende Außerirdische á la „Krieg der Welten“, um die Bedrohung und Grausamkeit zu verdeutlichen. In diesem Fall reichen dazu winzige, außerirdische Mikroben, die sich noch nicht einmal direkt auf der Erde befinden. Was die Bedrohung nicht verringert, sondern im Gegenteil, eine Lösung erschwert.

Zu kurz kommt allerdings das Schicksal der Menschheit, die immerhin der Auslöschung nahe ist. Über das Leben auf der Erde nach Bekanntwerden der drohenden Katastrophe erfahren wir nichts. Außer in den Rückblenden zur Missionsvorbereitung gibt es keinerlei Informationen dazu, wie das Leben der Menschen dadurch beeinflusst wird und welche weiteren Konsequenzen sich aus dieser Situation ergeben. Gibt es Ausschreitungen, Kriege, Panik, Gegenmaßnahmen abseits des bemannten Raumschiffs? Diesen potenziellen Erzählstrang lässt Andy Weir links liegen.

Da die beiden vorhandenen Erzählstränge aber so gut ineinander verwoben werden, die Spannung trotz der ruhigen Erzählweise und Unaufgeregtheit im Angesicht der drohenden Apokalypse nicht leidet und wir diesmal statt einer One-Man-Show sogar eine Two-Man-Show bekommen, gleichen diese Faktoren den kleinen Kritikpunkt deutlich wieder aus. Deswegen gibt es für den „Astronauten“ eine klare Leseempfehlung für alle Scifi-Fans und Hobby-Astronomen.

Der Astronaut. Andy Weir. Aus dem Amerikanischen von Jürgen Langowski. Heyne Verlag. 2021.

Bücherstadt Magazin

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