Der Kampf zwischen Gut und Böse kurzweilig erzählt

von | 27.06.2016 | Filmtheater, Serien

Die erste Staffel von „Seraph of the End“ erfindet das Rad nicht neu. Der Kampf zwischen Vampiren und Menschen um die Vorherrschaft auf dieser Welt wird nicht zum ersten Mal präsentiert. Und dennoch hat der Anime des japanischen Animationsstudios Wit Studio einen hohen Unterhaltungswert, findet Erzähldetektivin Annette.

Seraph of the End Staffel 1Basierend auf der gleichnamigen Manga-Reihe von Takaya Kagami (Idee), Daisuke Furuya (Storyboards) und Yamato Yamamoto (Zeichnungen) erzählt die Anime-Serie „Seraph of the End“ von Dämonen, Vampiren und Menschen, die sich in einer postapokalyptischen Welt gegenüberstehen. Im Mittelpunkt der Anime-Adaption von Regisseur Daisuke Tokudo steht der junge Yūichirō Amane, ein Soldat in der Monddämonen-Armee, einer Eliteeinheit des japanischen Militärs. Hier kämpft er gegen Vampire und andere Monster, vornehmlich jedoch gegen seine eigenen Dämonen.

Bereits die erste Episode der Serie steigt ohne Umschweife in die dramatische Handlung der Geschichte ein. Im Schnelldurchlauf rottet ein mysteriöses Virus alle Menschen über 13 Jahren aus und stellt die überlebenden Kinder und Jugendlichen unter die Aufsicht von Vampiren. Den vermeintlichen Schutz müssen sie sich mit absolutem Gehorsam und regelmäßigen „Blutspenden“ erkaufen. Auch Yu und seine Freunde aus dem Hyakuya-Waisenhaus sind unter den Überlebenden. Gemeinsam mit seinem Freund Mikaela Shindō plant er die Flucht. Doch der Versuch misslingt und Yu kann als einziger aus der Gruppe mit dem Leben davon kommen. Außerhalb der Vampirstadt trifft er auf Guren Ichinose, den Anführer der Monddämonen-Einheit, und schwört im Namen seiner toten Freunde, sämtliche Vampire umzubringen.

Fortan ist diese Aufgabe Yus einziger Antrieb, weiter zu leben. Dabei gibt sich „Seraph of the End“ alle Mühe, die Handlungen seiner Protagonisten mit Sinn aufzuladen. In Rückblenden wird immer wieder Bezug auf die heile Welt des Waisenhauses und die Familie genommen, die Yu an die Vampire verloren hat. Für westliche Zuschauer, die an sentimentale Hollywood-Streifen gewöhnt sind, mag die Erzählweise hin und wieder etwas abgehackt wirken. Zu wenig scheinen Gegenwart und Vergangenheit in der Erzählstruktur zusammen zu passen. Die Rückblenden sind teilweise recht plump eingebaut und auch die japanische Synchronisation wirkt stellenweise übertrieben. Das geübte Anime-Publikum kennt diese typische Narrationsstruktur jedoch und findet sich schnell zurecht. Dennoch wirken einige Zusammenhänge eher erzwungen und die Entwicklung der Personen nicht immer bis ins Letzte durchdacht.

Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß

So hat auch Mika wider Erwarten den Hinterhalt des Vampirs Ferid Báthory überlebt, wurde jedoch gegen seinen Willen selbst zum Blutsauger. Während er Yu davor bewahren möchte, von den Menschen ausgenutzt zu werden, möchte dieser seinen Freund aus den Fängen der Vampire retten. Diese starke Schwarz-Weiß-Malerei ist gleichzeitig eine Schwäche und eine Stärke der Serie. Auf der einen Seite wirken die Figuren überzeichnet und werden sämtlich auf einen oder wenige Hauptcharakterzüge reduziert. Yu ist der einzelgängerische Held, dessen tragische Vergangenheit ihn gelehrt hat, keinerlei Beziehungen zu seinen Mitmenschen aufzubauen, um nicht einen erneuten Verlust erleben zu müssen. Sein innerer Dämon wird im Laufe seiner Armee-Ausbildung zu einem wortwörtlichen.

Zur Verstärkung im Kampf werden die Soldaten mit Dämonen-Waffen ausgestattet, was bedeutet, dass sie einen Vertrag mit einem solchen Dämon eingehen müssen. Auf dem Spiel stehen für sie dabei nicht weniger als Körper und Seele. Mika wiederrum ist ein desillusionierter Idealist, der nach dem missglückten Fluchtversuch und der Indoktrination durch die Vampire seinen Platz in keiner der beiden Welten sieht. Um zu überleben ist er auf die regelmäßige Einnahme von Blut angewiesen. Nachdem er früher selbst als Blutbank der Vampire diente, hat sich diese Rolle nun ins Gegenteil verkehrt.

Auf der anderen Seite gelingt es „Seraph of the End“ in eben diesem Spannungsfeld die Begriffe Gut und Böse grundsätzlich in Frage zu stellen. Verfolgen die Menschen – namentlich die „Japanische Kaiserliche Dämonenarmee“ – nur hehre Ziele? Oder haben die Vampire Recht, wenn sie behaupten, die Welt vor der Arroganz der Menschheit retten zu müssen? Doch sind sie selbst mehr als bloße Sklavenhalter? Selbstverständlich sind beide Seiten gänzlich von ihrer moralischen Überlegenheit überzeugt und entsprechend eifrig im Kampf gegen den Gegner. Diese gegensätzlichen Positionen gipfeln in der Beziehung zwischen Mika und Yu, die sich einerseits auf feindlichen Seiten eines großen Krieges gegenüberstehen, andererseits jedoch füreinander die jeweils wichtigste Person auf Erden, wenn nicht gar einziger Überlebensantrieb, sind. Die Deutungshoheit liegt jedoch beim Publikum.

Yu und Mika

To be continued…

Die erste Staffel von „Seraph of the End“ dient als etwas längere Einführung in die eigentliche Geschichte. Manga-Leser wissen, dass die Verbindung zwischen Mika und Yu noch wesentlich grundlegender für das Geschehen auf der Erde ist, als es die ersten zwölf Episoden erklären. Eine Rolle werden die titelgebenden Seraph spielen, die die Auslöschung der Vampire zum Ziel haben. Ihr Name ist dabei nicht ohne Grund von einer besonders bedeutsamen biblischen Engel-Klasse abgeleitet. Doch die weitere Handlung soll hier natürlich nicht vorweggenommen werden.

Bereits Staffel 1 zeigt dabei eine deutliche qualitative Entwicklungskurve und macht Lust auf mehr. Im Verlauf der Episoden vermischt sich die Ernsthaftigkeit der Grundhandlung mit zunehmendem Humor, gleichzeitig werden die Kämpfe brutaler und blutiger. Auch die Protagonisten werden reifer, wenn sie sich charakterlich auch nur sehr langsam weiter entwickeln. In jedem Fall ist „Seraph of the End“ nicht für kleine Kinder geeignet, was sich auch in der FSK-Kennzeichnung ab 16 zeigt. Wem Brutalität und Bäche aus Blut nichts ausmachen und wer sich auf die stark polarisierende Handlung einlassen kann, wird mit kurzweiliger Unterhaltung belohnt.

Die zweite Staffel von „Seraph of the End“ feierte am 10.10.2015 in Japan Premiere. Ein europäisches Erscheinungsdatum ist noch nicht bekannt.

Seraph of the End – Vampire Reign, Staffel 1. Regie: Daisuke Tokudo. Autor der Vorlage: Takaya Kagami. Wit Studio, Japan, 2015. In Deutschland erschienen bei Universal Pictures, 2016.

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