Das Dingsda macht sich selbständig

by Zeichensetzerin Alexa

Manch­mal hätte ich auch gerne so ein „Dingsda“ – eine Erfin­dung von einem der Prot­ago­nis­ten aus dem Buch „Die ver­flixte Erfin­dung“ von Mar­tin Wid­mark und Emi­lia Dziubak. Das Dingsda putzt, spült ab, kocht, erle­digt alle ner­vi­gen Haus­ar­bei­ten. Klingt doch cool, oder? Aber es gibt einen Haken. – Von Zei­chen­set­ze­rin Alexa

Cover Die verflixte ErfindungWäh­rend sich Rüdi­ger am liebs­ten in sei­ner Werk­statt auf­hält und Dinge erfin­det, küm­mert sich sein Bru­der Wal­ter um den Haus­halt und das Essen. Rüdi­ger solle mal was erfin­den, das ihm bei der Haus­ar­beit hilft, meint er – und genau das macht Rüdi­ger dann auch: Er baut ein Dingsda, einen klei­nen Robo­ter, der seine Ener­gie über Solar­zel­len auf­lädt. Über Nacht wird Dingsda „leben­dig“. Es bekommt nicht nur Arme und Beine, son­dern beginnt auch zu spre­chen und zuneh­mend klü­ger zu wer­den. Zu klug, fin­den die Brü­der, die sich immer ein­ge­schränk­ter füh­len. Denn was zunächst ziem­lich prak­tisch wirkt, nimmt bald Über­hand: Das Dingsda erle­digt abso­lut alles, sodass Rüdi­ger nicht ein­mal mehr Ideen fin­det, was er noch Prak­ti­sches bauen könnte.

Jetzt haben die Brü­der nichts mehr zu tun und sind plötz­lich genauso unzu­frie­den wie frü­her, als sie noch gar keine Hilfe zu Hause hat­ten. Und es kommt noch schlim­mer: Das Dingsda beginnt, die Brü­der zu kon­trol­lie­ren und zu bestim­men, was gut für sie ist. Wie kön­nen sie die­ses Dingsda wie­der loswerden?

„Die ver­flixte Erfin­dung“ zeigt in einem mär­chen­haf­ten Set­ting eine alt­be­kannte Vor­stel­lung davon, wie sich eine Künst­li­che Intel­li­genz ver­selb­stän­digt und gegen die Inter­es­sen ihrer Erfin­der han­delt. Damit greift das Bil­der­buch Sor­gen und Befürch­tun­gen auf, die mit dem tech­ni­schen Fort­schritt ein­her­ge­hen, ohne sie zu relativieren.

Erzählt wird die Geschichte aus einer eher pes­si­mis­ti­schen Per­spek­tive, die keine alter­na­ti­ven Lösungs­vor­schläge anbie­tet. Es wer­den dabei klare Posi­tio­nen dar­ge­stellt: Die Men­schen sind die Guten, die Maschine ist das Böse. Am Ende gilt es, das Böse zu besie­gen. Dass es den Brü­dern nicht gelingt, das Dingsda end­gül­tig los­zu­wer­den, mag erwach­se­nen Leser*innen wie eine Moral erschei­nen – bei jün­ge­ren Leser*innen könnte das Angst auslösen.

Hier stellt sich die Frage nach der eigent­li­chen Ziel­gruppe. Laut Ver­lags­an­gabe rich­tet sich das Buch an Kin­der ab 5 Jah­ren. Doch weder die Umset­zung noch die Aus­sage des Buches schei­nen mir für die­ses Alter ange­mes­sen: Dem lan­gen Text fehlt ein leben­di­ger Schreib­stil, die Illus­tra­tio­nen sind etwas zu düs­ter und das Ende zu dys­to­pisch. Durch die feh­lende Auf­lö­sung des Pro­blems wer­den Kin­der mit dem Gedan­ken allein gelas­sen, dass die Künst­li­che Intel­li­genz eine Bedro­hung für die Mensch­heit dar­stellt. Es wäre daher enorm wich­tig, die Inhalte des Buches mit den Kin­dern auf­zu­ar­bei­ten, Künst­li­che Intel­li­genz im All­ge­mei­nen zu the­ma­ti­sie­ren und dadurch (be-)greifbarer zu machen – und bes­ten­falls dar­über zu phi­lo­so­phie­ren, wie die Brü­der ihr Pro­blem lösen könnten.

„Die ver­flixte Erfin­dung“ stellt für mich ohne ein der­ar­ti­ges Gespräch eher ein Bil­der­buch für Erwach­sene dar. Beson­ders jene, die Shaun Tans Werke mögen, könn­ten Gefal­len daran fin­den, dass hier Impulse zum Nach- und Wei­ter­den­ken gege­ben wer­den. Auch die Illus­tra­tio­nen von Emi­lia Dziubak erin­nern leicht an Tans Stil, ins­be­son­dere den Umgang mit Farb­ak­zen­ten und ‑tie­fen. Ver­passt wird jedoch eine tief­grei­fen­dere Aus­ein­an­der­set­zung mit Künst­li­cher Intel­li­genz, was das Buch zu einem unter vie­len Wer­ken macht und des­halb nicht beson­ders genug ist, um aus der Masse herauszustechen.

Die ver­flixte Erfin­dung. Text: Mar­tin Wid­mark. Illus­tra­tion: Emi­lia Dziubak. Über­set­zung aus dem Schwe­di­schen: Ole Könne­cke. arsEdi­tion. 2021.

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