Das Auto – Symbol einer neuen Zeit

von | 30.04.2020 | #1920erlesen, Belletristik, Buchpranger

Geschichtenbewahrerin Michaela blättert durch die Feuilletons von Ruth Landshoff-Yorck, „Das Mädchen mit wenig PS“, und versucht, das Lebensgefühl „moderner Mädchen und junger Frauen“ der 20er Jahre zu erfassen.

Das Buch „Wo liegt Berlin“ von Alfred Kerr, in dem seine Feuilletons der Jahre 1895 bis 1900 zusammengefasst sind, brachte mir die Zeit der 1920er und ihre Menschen nah. Umso gespannter war ich auf „Das Mädchen mit wenig PS. Feuilletons aus den zwanziger Jahren“, die Menschen und das neue Lebensgefühl. Ruth Landshoff-Yorck beschreibt das Leben „moderner Mädchen und junger Frauen“, wie wir es uns oft in den goldenen 20er Jahren vorstellen: frei, ungebunden, luxuriös und emanzipiert.

Autos und Männer

Das Symbol des neuen Lebensgefühls der 1920er Jahre, insbesondere das der Frauen, war das Auto. Frauen kannten sich mit der Technik aus, besuchten Automessen und fuhren selbst. Und dem Auto musste anzusehen sein, dass es einer Frau gehörte. Ein Mann wurde nicht nur danach bemessen, welches Auto er fuhr, sondern auch, wie er fuhr. Selbstverständlich fuhr er nicht so gut wie die Frau, die neben ihm saß. Männer sind oft Thema in Ruth Landshoff-Yorcks Feuilletons. Sie werden mit Ironie beschrieben und oft als Snob bezeichnet.

Die emanzipierte Frau

Ruth Landshoff-Yorck hebt ihre Generation von der der Frauen vor dem Ersten Weltkrieg ab. Bildung war für Frauen wichtig, Literatur spielte eine große Rolle, außerdem Selbstständigkeit: Die Frau „hilft dem Mann in den Mantel und trägt ihre Pakete selbst“. Der Umgang zwischen Männern und Frauen war in den 20er Jahren anders als noch vor dem Krieg. Frauen waren selbstbewusst und flirteten. Nach der Eheschließung waren sie nicht nur Ehefrau, sondern auch Kamerad und Freund ihrer Männer.

Dass Frauen arbeiteten, war selbstverständlich. Eine gänzliche Gleichberechtigung gab es jedoch noch nicht. Journalistinnen bekamen nur weibliche Feuilletons und Frauen brauchten wesentlich länger als Männer, um ein eigenes Ressort zu erhalten.

Das andere Gesicht der 20er Jahre

Ruth Landshoff-Yorck berichtet in ihren Feuilletons von Frauen auf Reisen, im Modesalon, auf dem Tennisplatz und auf Bällen, also an Orten, an denen man sich die Menschen der goldenen 20er gerne vorstellt. Die andere Seite, die vorherrschende Armut in der Weimarer Republik, trafen die Damen der gehobenen Gesellschaft nur am Rande und, für den Moment peinlich berührt und mitleidig, beeilten sie sich, mit ihrem Auto weiterzufahren.

Ruth Landshoff-Yorck geht nicht darauf ein, dass die Frauen dieser Gesellschaftsschicht arbeiten mussten und es keine Frage der Emanzipation war, während für die Frauen der höheren Gesellschaft arbeiten zum guten Ton gehörte. Sie hatten eher die Möglichkeit, sich einen Beruf aussuchen zu können, sofern der für Frauen zugelassen war. Die meisten Frauen konnten es sich nicht aussuchen. Aber das war auch nicht das Thema von Ruth Landshoff-Yorck.

„Das Mädchen mit wenig PS“ macht Lust, mehr von Ruth Landshoff-Yorck über die 20er Jahre zu lesen und auch ihre späteren Berichte aus den USA.

Die Autorin

Die Schauspielerin und Autorin Ruth Landshoff-Yorck schrieb in der Weimarer Republik für verschiedene Magazine. Ihre Berichte handeln von „modernen Mädchen und neuen Frauen“, Männern der höheren Gesellschaft in den 20ern, ihren Reisen und den Orten, an denen sich diese Gesellschaft aufhielt. Die Autorin schreibt in ihren Feuilletons amüsant und ironisch von eigenen Erlebnissen, über die Geschichten und Anekdoten der gehobenen Gesellschaft und von den Menschen mit dem neuen Lebensgefühl der goldenen 20er Jahre.

Ruth Landshoff-Yorck wurde 1904 in Berlin geboren, lebte abwechselnd in Deutschland, Italien, Frankreich und der Schweiz, bis sie 1937 in die USA emigrierte und 1966 in New York starb.

Das Mädchen mit wenig PS. Feuilletons aus den zwanziger Jahren. Ruth Landshoff-Yorck. Aviva. 2015.

[tds_note]Ein Beitrag zur Themenwoche #1920erlesen. Hier findet ihr alle Beiträge. [/tds_note]

Illustration: Satzhüterin Pia

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