Cyberkriminalität – Ein Fall für Sektion 9 (Teil 1)

von | 02.03.2020 | Buchpranger, Graphic Novels, Comics, Manga

Beruhend auf der gleichnamigen, dreiteiligen Manga-Serie von Masamune Shirow, wurde „Ghost in the Shell“ mittlerweile mehrere Male als Film sowie als Serie umgesetzt. Geschichtenzeichnerin Celina ist beeindruckt von diesem umfangreichen Werk, das Science-Fiction, Cybertechnologie, Krimi und Action verbindet und taucht in dessen Tiefen ein.

„Ghost in the Shell“ spielt in einer dystopischen Version der 2030er Jahre. Cybertechnologien, wie beispielsweise künstliche Körperteile, sind weit fortgeschritten und ebenso die Cyberkriminalität. Um den Staatsschutz zu sichern, bedarf es einer speziellen Gruppe: der Sektion 9.

Diese ist eine kleine Eliteeinheit der Polizei aus ausgewählten Mitgliedern, die speziell für Fälle von Cyberkriminalität gegründet wurde. Sie agiert in allen vier Abteilungen des Staatsschutzes sowie in Auslandseinsätzen. Ihre Mitglieder, allen voran Major Kusanagi, sind die Protagonisten von „Ghost in the Shell“.

Mitglieder der Sektion 9 sind:

  • Motoko Kusanagi, eine Frau, die einen vollständig cyborgisierten Körper hat. Als Major übernimmt sie bei Sektion 9 die Einsatzleitung.
  • Batou, ein Kriegsveteran, der zum größten Teil cyborgisiert ist. Beispielsweise hat er zwei künstliche Augen. Gegenüber seiner – wortwörtlichen – harten Schale, besitzt Batou ein weiches Herz. Er ist gerne an Kusanagis Seite.
  • Togusa, ein ehemaliger Polizeibeamter, der erst kurz bei Sektion 9 arbeitet. Bis auf eine Kapazität-Erweiterung für sein Gehirn ist er ein Mensch aus Fleisch und Blut. Er hat auch eine Familie und arbeitet häufig mit Batou zusammen.
  • Daisuke Aramaki, ein älterer Mann und Leiter der Sektion 9, der komplett human ist.
  • Ishikawa, ein Spezialist für Technologie und das Hacken. Ebenso ist er in der Datenmanipulation bewandert. Bei ihm ist, bis auf einzelne Prothesen, vieles von seinem menschlichen Körper erhalten.
  • Saito, ein taktischer Scharfschütze mit einem künstlichen Auge.
  • Borma, ein Waffen- und Sprengstoffspezialist, der ebenso in der Abwehr von Cyberattacken bewandert ist. Er ist teilweise ein Cyborg, was zum Beispiel an seinen Augen zu erkennen ist.
  • Paz, der sich universell in einigen Bereichen auskennt und für Ermittlungen außerhalb des Cyberspace zuständig ist.

Antagonisten

Es gibt vielfach keine greifbaren Antagonisten, da viel komplexere Motive hinter einer Tat stecken. Beispielsweise ist der Puppetmaster ein Ghost oder eine Lebensform, die im digitalen Netz überlebt hat. Somit agiert etwas, das zuerst digital war, auch in der Realität. Der Puppetmaster manipuliert seine Opfer, indem er diesen falsche Erinnerungen einpflanzt. Viele begehen deshalb Verbrechen für ihn oder seine Auftraggeber, obwohl sie sonst so etwas nie tun würden. Allerdings wird in seinem Fall nicht aufgeklärt, ob es sich um eine künstliche Intelligenz oder um ein zufällig entstandenes Bewusstsein handelt.

Die dystopische Vorstellung der Welt

In „Ghost in the Shell” hat sich die Welt massiv verändert. Der asiatische Block hat eine vorherrschende Machtposition und wird von Japan aus angeführt. Im geschichtlichen Verlauf gab es bereits einen dritten, nuklearen Weltkrieg, zwischen den reichsten und am weitesten entwickelten Ländern dieser Welt. Er hat zu großer Zerstörung geführt und zu einer Neuverteilung der Machtverhältnisse. Daraufhin brachen die „Dritte-Welt-Länder“ zusammen und lösten den 4. Weltkrieg aus, der ohne nuklearen Einsatz bestritten wurde. Auch die USA sind in kleine, gegeneinander Krieg führende Unterstaaten zersplittert, gelten aber trotzdem noch als amerikanisches Imperium. Ebenfalls entstand eine neue Sowjetunion, die durch den Krieg stark belastet wurde. Korea hat sich zwar wiedervereint, jedoch herrscht im Land Bürgerkrieg.

Ausgenommen ist der Inselstaat Japan. Er konnte ein verhältnismäßig stabiles Gleichgewicht behalten und ist als einer der mächtigsten und intaktesten Staaten aus dem Krieg hervorgegangen. Jedoch wurden durch die Bomben Teile Japans zerstört, die nach dem Wiederaufbau nun der westlich orientierten Architektur Hongkongs gleichen.

Des Weiteren charakterisiert diese Welt die immer weiter voranschreitende Verschmelzung von Mensch und Maschine. Es ist immer schwerer, einen Unterschied auszumachen, zumal auch ein Zuwachs an künstlicher Intelligenz bereits stark ausgeprägt ist. Was macht nun das Menschsein aus?

Der japanische Titel bedeutet wörtlich betrachtet: 攻 = Angriff, 殻 = Schale, Hülse; Hülle, 機動隊 = Mobile Einsatztruppe. Bei der Übersetzung ins Englische wurde bewusst die Formulierung Ghost ausgewählt, damit eine klare Abgrenzung zu Spirit und Soul besteht. Zudem scheint der Begriff Shell geeignet, was unter anderem Hülle bedeutet. Der „Geist in der Hülle“ kann somit eine Anspielung auf den künstlichen Menschenverstand sein – ein Geist in einem Cyberbrain, mit dem man in die weiten Netze der Digitalisierung eindringen kann.

Die Manga von Masamune Shirow

Shirow veröffentlichte drei Manga. In seinem ersten Werk „Ghost in the Shell“ (1989-90) werden einzelne Fälle präsentiert, derer sich Sektion 9 annimmt. Dabei werden auch internationale Verschwörungen aufgedeckt und die Teammitglieder stoßen auf den Puppetmaster, eine künstliche Intelligenz, die aus dem Netz hervorgegangen ist. Zum Ende hin gibt es eine missglückte Operation, wegen der sich Major Kusanagi vor Gericht verantworten muss.

Im Manga „Ghost in the Shell 1.5 – Human Error Processor“ (2003 als Sammelband) werden vier Kurzgeschichten um die Sektion 9 – ohne Motoko – präsentiert. Diese sind in Schwarz-Weiß gehalten und weisen einzelne Fälle von Cyberkriminalität auf, die es zu lösen gilt.

Im weiteren Manga „Ghost in the Shell 2 – Manmachine Interface“ (2000) wurde von Shirow eine größtenteils aufwendige und sonst für Manga recht untypische Kolorierung sowie Animation vorgenommen. Dadurch werden bestimmte Atmosphären und beeindruckende, detaillierte sowie farblich akzentuierte Panels erzeugt. Im Manga werden die Geschichten rund um die Inkarnationen von Motoko Kusanagi beschrieben, die nun den Namen Motoko Aramaki trägt. Weitere Sektion 9 Mitglieder tauchen nicht auf. Dazu sollte noch angemerkt sein, dass der Manga recht unverständlich und durcheinander geschrieben ist, sodass vielfach der rote Faden verloren geht.

Shirows Manga-Stil

Besonders auffällig ist, dass es in Shirows Manga signifikante Stilmittel gibt, die in späteren Adaptionen nicht mehr oder nur noch bedingt zum Tragen kommen. Zum einen ist es der Humor, der unter anderem durch vereinfachte, cartoonhafte Darstellungen der Charaktere am Rand zum Ausdruck gebracht wird, die ihre Emotionen oder Nebenbemerkungen einbringen.

Ein weiterer Punkt sind die zahllosen Nebenbemerkungen des Mangaka, in denen er sein Wissen teils zum derzeitigen Forschungsstand zur Cybertechnologie oder seine Erklärungen zum Aufbau des Manga oder der Panels festhält. Dadurch bekommt man einen Einblick in seine Gedankenwelt und merkt, wie viel an Gedankengut in „Ghost in the Shell“ steckt.

Weiterhin nimmt Shirow kein Blatt vor den Mund, beziehungsweise stellt er dar, wie man sich digitalen Sex im Cyberspace vorstellen kann. Auch dass Motoko meist nur leicht bekleidet ist, ist nachvollziehbar, da sie ihren Voll-Cyborgkörper statt als wirkliches Ich eher als Hülle ansieht. Im Manga „Ghost in the Shell 2 – Manmachine Interface“ wirkt das jedoch aufgesetzter, da selbst alle Inkarnationen von Motoko sexy Frauen seien sollen, die schnell mal „aus Versehen“ ihr Höschen zeigen.

Manga: Ghost in the Shell. Mangaka: Masamune Shirow. Übersetzung: Georg Tempel. Egmont Manga. Auflage 2. 2016. (Original von 1989). // The Ghost in the Shell 2 – Manmachine Interface. Mangaka: Masamune Shirow. Übersetzung: Claudia Peter. Egmont Manga. // The Ghost in the Shell 1.5 – Human Error Processor. Mangaka: Masamune Shirow. Übersetzung: John Schmitt-Weigand. Egmont Manga. 2017. // Buch: Ghost in the Shell – The ultimate Guide. 1995-2017. Übersetzung: Costa Caspary u.a. Egmont. 2017.

[tds_note]Am 05.03.20 erscheint der zweite Teil, in dem Geschichtenzeichnerin Celina auf die Animes aus dem „Ghost in the Shell“-Universum eingeht.[/tds_note]

Foto: Geschichtenzeichnerin Celina

 

Bücherstadt Magazin

Bücherstadt Magazin

Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

0 Kommentare

Trackbacks/Pingbacks

  1. Cyberkriminalität – Ein Fall für Sektion 9 (Teil 2) – Bücherstadt Kurier - […] mehr­fach als Film sowie als Serie umge­setzt. Wäh­rend Geschich­ten­zeich­ne­rin Celina im ers­ten Teil auf die grund­le­gende Geschichte und die…

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Wir sind umgezogen!

Wir sind kürzlich umgezogen und müssen noch einige Kisten auspacken. Noch steht nicht alles an der richtigen Stelle. Solltet ihr etwas vermissen oder Fehler entdecken, freuen wir uns über eine Nachricht an mail@buecherstadtmagazin.de – vielen Dank!

Newsletter

Erhaltet einmal im Monat News aus Bücherstadt. Mehr Informationen zum Newsletter gibt es hier.

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner