Cornelia Boese im Interview

von | 23.11.2022 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Jedes Buch macht Spaß! Und so kniffelig das Thema auch sein mag – das Buch, mit dem ich mich gerade beschäftige, ist immer mein Lieblingsbuch.“

Cornelia Boese arbeitete viele Jahre als Opernsouffleuse, bevor sie umsattelte – heute dichtet sie Kinderbücher. Im Interview hat sie mit Wortweberin Annika über ihre Zeit am Theater, gute Reime und schwedisches Gebäck gesprochen.

BK: Wie Ihre Bilderbuchheldin Theatrine waren Sie lange Opernsouffleuse. Was ist das für eine Arbeit und was hat Ihnen daran besonders gefallen?

CB: Die Souffleuse ist in der Oper sehr wichtig, weil sie den Sängern nicht nur mit dem Text hilft, sondern auch musikalisch eine große Stütze ist. Als Bühnendirigentin und Vorsagerin (Maestra suggeritore) sitzt sie im Souffleusenkasten vorne an der Rampe, hat den Dirigenten über einen kleinen Monitor stets im Blick und begleitet die Sänger während der kompletten Vorstellung (und allen Proben!), indem sie ihnen immer einen Schlag im Metrum voraus die nächsten Silben einsagt und alle Einsätze gibt. Opernsouffleusen warten nicht auf Hänger, sondern sie verhindern sie, bevor sie passieren! Sie müssen auch eine Menge Fremdsprachen beherrschen, weil viele Opern in der Originalsprache aufgeführt werden: außer „Bühnenhochdeutsch“ auch Italienisch, Französisch, Russisch etc. Ich durfte einmal sogar eine französische Oper in Stockholm auf Schwedisch soufflieren. Am besten hat mir an dem Beruf gefallen, so nah am Bühnengeschehen dabei zu sein als kleines, aber wichtiges Schräubchen im Operngefüge.

BK: Ist man als Souffleuse denn tatsächlich „die Frau, die man so leicht vergisst“?

CB: Eine Souffleuse ist dann gut, wenn niemand merkt, dass es sie gibt. Sie bekommt fürs Soufflieren keinen Applaus. Ihre Arbeit bleibt unsichtbar wie sie selbst. Dennoch wird sie am Theater sehr geschätzt und gerne werden bei Premieren Rosen in den Souffleusenkasten gereicht …

BK: Welche Oper haben Sie besonders gerne souffliert – und welche vielleicht auch nicht?

Ich liebe alle Mozartopern sehr und habe ihnen einen Mozart-Opernführer in Versform gewidmet: „Mit einem Hilferuf beginnt’s“ – können Sie erraten, welche Oper gemeint ist?

CB: Was vermissen Sie an der Arbeit am Theater?

Die wunderbaren, kreativen, witzigen und verrückten Theaterkollegen! Die Zauberstimmung und das Dämmerlicht hinter dem Vorhang! Die wunderbare Musik! Die Arbeitszeiten vermisse ich weniger.

BK: Jetzt schreiben Sie stattdessen Kinderbücher – was gefällt Ihnen daran besonders gut?

CB: Für mich gibt es nichts Schöneres, als tolle Themen in humorvolle, treffende und pointierte Verse zu fassen. Sie begleiten mich gedanklich nicht nur am Schreibtisch, sondern auch auf Zugfahrten, beim Paddeln, Radeln oder Wandern, beim Essenkochen und im Schlaf. Ich freue mich jeden Tag, wenn ich dichten darf.

BK: Mit „Wo ist Theatrine?“ haben Sie ein Buch über Ihre ehemalige Arbeitswelt geschrieben, aber in Ihren anderen Titeln geht es auch um ganz andere Themen. Was ist einfacher und was macht vielleicht auch mehr Spaß?

CB: Jedes Buch macht Spaß! Und so kniffelig das Thema auch sein mag – das Buch, mit dem ich mich gerade beschäftige, ist immer mein Lieblingsbuch.

BK: „Wo ist Theatrine?“ wurde mit dem Lesekompass 2022 ausgezeichnet. Was bedeuten Ihnen als Autorin solche Auszeichnungen?

CB: Jede Auszeichnung ist natürlich eine Riesenfreude! Besonders schön finde ich unerwartete Preise, die unverhofft vom Himmel fallen …

BK: Wenn man für Kinder in Reimen schreibt, wie Sie das in Ihren Büchern tun, was ist da besonders wichtig?

CB: Egal, ob ich für Kinder oder Erwachsene dichte – ich versuche immer, die Satzstellung nicht künstlich zu verdrehen und so zu schreiben, als würde sich der Text fast zufällig reimen. Die Verse sollen leicht und flüssig zu lesen sein, Spaß machen und ein Augenzwinkern beinhalten.

BK: Gibt es für Sie irgendwelche Reim-No-Gos – Reime, die Sie niemals benutzen würden, weil sie vielleicht zu abgenutzt sind?

CB: Reime müssen sich immer dem Inhalt unterordnen – gut formuliert und im richtigen Zusammenhang muss ein Mäuschen in seinem Häuschen nicht banal klingen. Was ich aber unbedingt vermeide, sind falsche Reime oder Fehler im Versmaß.

BK: Wie verläuft denn eigentlich die Arbeit mit Illustrator*innen, wenn man an einem Bilderbuch wie „Theatrine“ arbeitet?

CB: In den meisten Fällen liefere ich den Verlagen zuerst Idee und Text, danach wird das Buch illustriert, ohne dass ich in diesen Prozess involviert bin. Bei „Theatrine“ war es anders: Die Illustratorin Dorota Wünsch besuchte mich in Würzburg bei einer Theaterführung auf Mattheos Spuren. Wir liefen den ganzen Tag treppauf und treppab durch alle Werkstätten, Proberäume und Säle, sprachen mit vielen Theaterleuten auf der Bühne und hinter den Kulissen und machten tausend Fotos.

BK: Was sind Ihre aktuellen Projekte, dürfen Sie schon etwas verraten?

CB: Momentan arbeite ich (u.v.a.!) an einem Vorlesebuch für Groß und Klein und an den Versen für ein Kinderkonzert. Ganz besonders freue ich mich, dass mein Bilderbuch „Der Tierigent“ (Gerstenberg 2019) vertont worden ist und die Geschichte des kleinen Spatzen, der so gerne ein Instrument spielen möchte, im Dezember 2022 im Mainfranken Theater Würzburg auf die Bühne kommt.

BK: Und dann noch unsere zwei bücherstädtischen Sonder-Fragen: Wenn Sie selbst ein Buch wären, was für eins wäre das dann?

CB: Ich wäre ein schwedisches Backbuch! In Schweden ist es Tradition, zum Kaffee sieben Sorten Gebäck zu servieren und als krönenden Abschluss eine Torte auf den Tisch zu zaubern. So wäre ich gerne!

BK: Und gibt es eine Frage, die Sie sich schon immer in einem Interview gewünscht haben? Was würden Sie antworten?

CB: Hm, vielleicht: Was war Ihr schönstes Erlebnis als Opernsouffleuse? Zum Würzburger Mozartfest durfte ich einmal eine Oper von Antonio Salieri, die 200 Jahre im Dornröschenschlaf gelegen hatte, ins Deutsche übersetzen. Natürlich sollte alles perfekt gereimt, lustig und gut singbar sein! Die Uraufführung wurde ein voller Erfolg, ich saß im Kasten und soufflierte meinen eigenen Text und durfte beim Schlussapplaus hoch ins Rampenlicht und mich ausnahmsweise auch einmal verbeugen.

Annika Depping

Annika Depping

Als Chefredakteurin versucht Annika in der Bücherstadt den Überblick zu behalten, was mit der Nase zwischen zwei Buchdeckeln, zwei Kindern um die Füße und dem wuchernden Grün des Kleingartens im Nacken nicht immer einfach ist. Außerhalb der Bücherstadt ist Annika am Literaturhaus Bremen mit verschiedenen Projekten ebenfalls in der Welt der Geschichten unterwegs.

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