Kill or be killed – „Chang“, ein Stück Zeitgeschichte

von | 17.06.2020 | #BKUmwelt, Filme, Filmtheater

Während heutzutage jedes Kind „King Kong“ kennt, ist kaum jemandem bewusst, dass dieselben Filmemacher einige Jahre zuvor im Dschungel mit echten, wilden Tieren drehten. Bücherstädterin Zarah hat sich „Chang“ dort angesehen, wo er gedreht wurde: in Südostasien, bei brütender Hitze.

Eine Stadt im Norden von Laos, es ist früher Abend, eine kaum erkennbare Brise weht durch die drückende Hitze. Die ersten Laternen sind angegangen und tauchen die Straße in beinahe rosarotes Licht.

Hinter einer schmalen weißen Mauer mit Metallzaun die Anlage eines Luxushotels. Akkurat gemähter Rasen, Kieswege, schmale Palmen. Und mitten auf der größten Rasenfläche: eine Leinwand, davor einzelne Stühle. Noch wird nichts auf die weiße Fläche projiziert, weit und breit ist niemand zu sehen.

Aber um Punkt 18 Uhr, die Sonne ist nun vollständig untergegangen, so früh tatsächlich schon, finden sich einige Menschen ein, verteilen sich auf den Sitzen, bestellen überteuertes Bier, das absurderweise genauso heißt wie der Filmklassiker, der nun auf diese Leinwand gestrahlt wird: „Chang“.

Der Dschungel als Zuhause

„Chang“ ist thailändisch für „Elefant“, aber vielmehr als das wirkt es im gesamten Film wie eine Art Synonym für die Wildnis, den Dschungel, das Andere. Das, was es nicht nur zu besiegen gilt, sondern was auch zum Untertan gemacht werden soll.

„Chang“ (Original: „Chang: A Drama of the Wilderness“) ist ein Stummfilm aus dem Jahr 1927, die musikalische Begleitung dieser Version stammt von einem Orchester aus einer Stadt im Süden von Laos, Champasak, und kaum eines der Instrumente würden wir in Mitteleuropa finden. Das Orchester ist sehr geprägt von Trommeln, bringt eine flirrende Atmosphäre in diesen Film, verstärkt das, was die Bilder und Zwischentitel sagen.

„Chang“ erzählt die Geschichte von einer Familie, die im Dschungel von Thailand (damals Siam) lebt und überlebt. Um sich vor wilden Tieren zu schützen, haben sie ihr Haus auf Stelzen gestellt und mit hohen Brettern einen Verschlag für die Nutztiere gebaut. Vater, Mutter, Kinder und ein Affe, dem humorvoll in den Zwischentiteln Sätze zugeschrieben werden.

Sie alle können nicht verhindern, dass Leoparden und Tiger ihr Unwesen treiben, ihren Wasserbüffel töten, an die Ziegen wollen. Teilweise allein, teilweise mithilfe des nächstgelegenen Dorfs sinniert der Bauer und Zimmermann Kru über Methoden, die Raubkatzen einzufangen und all das gelingt tatsächlich, bis sich eines Tages ein „kleiner“ Chang, ein Baby-Elefant in einer seiner Fallen verfängt. Kru wird übermütig, will aus dem grauen Riesen ein Nutztier machen – und rechnet dabei nicht mit der Reaktion von dessen Mutter. Eine der beeindruckendsten Szenen des Films zeigt eine ganze Elefantenherde, die das Dorf überrennt und durch größte List gefangengenommen wird.

Filmen unter Lebensgefahr

Mensch versus Natur in seiner reinsten Form wird hier erzählt. Das ist weder zimperlich noch beschönigend. Es wendet den Blick nicht ab von dem, was es bedeutet, nicht nur zu überleben, sondern auch die sogenannte Krone der Schöpfung zu sein. Raubtiere werden erschossen, der Wille von Elefanten wird gebrochen, um sie gefügig zu machen und gleichzeitig wird um das blanke Leben gerannt. Zusammenleben heißt hier, immer stärker zu sein als das Andere. Das ist brutal. Aber es ist auch ehrlich. Und es wirkt umso beeindruckender, wenn man sich die Hintergründe des Films bewusst macht.

1927 brechen Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack (die Regisseure von „King Kong“) mit einer Filmcrew in den Dschungel vom heutigen Laos und Thailand auf, suchen sich lauter Laiendarsteller*innen zusammen, mieten die Elefanten des damaligen Königs von Siam und filmen unter großer Gefahr für Cast und Crew Szenen mit ungezähmten Wildtieren des Urwalds. Der Film erzählt von einer ganz anderen Lebensweise. 1929 erhielt der Film eine Nominierung für die beste künstlerische Produktion bei den Oscars.

Zeitreise ins alte Siam

Heute ist „Chang“ kaum noch bekannt. Und so grausam der Umgang mit der Umwelt im Film ist, so sehr sind wir doch mittlerweile an einem ganz anderen Punkt angekommen, der mehr Ausbeutung als Symbiose ist.

Wer die Chance hat, „Chang“ zu sehen, sollte das tun: Es ist ein Stück Zeitgeschichte, gleichzeitig Dokumentarfilm, Komödie und Tragödie. Wie ein Schlüsselloch offenbart das Werk Szenen aus einer längst vergangenen Welt, die noch kaum etwas von Rodung und Ausbeutung weiß. Und es bietet wahnsinnig beeindruckende Aufnahmen aus dem Urwald, gegen den der Mensch hoffentlich nie gewinnen wird.

Chang: A Drama of the Wilderness. Regie: Merian C. Cooper, Ernest B. Schoedsack. Drehbuch: Achmed Abdullah. Mit Kru, Chantiu, Nah, Ladah u.a. Paramount Pictures. USA. 1927.

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #BKUmwelt. Hier findet ihr alle Beiträge.

Illustration: Satzhüterin Pia[/tds_note]

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