Bücher statt TV

by Bücherstadt Kurier

Könnte mein Fern­se­her (übri­gens noch mit Bild­röhre) Geschich­ten erzäh­len, er würde weh­kla­gen. Seit rund sie­ben Mona­ten herrscht im wahrs­ten Sinne des Wor­tes „Funk­stille“. Doch wie konnte es so weit kommen?

Es gibt so viele Gründe dem TV-Pro­gramm fern­zu­blei­ben, wie andere Gründe dafür anbrin­gen wür­den. Der Mei­nige ist ziem­lich banal und den­noch höchs­ter­freu­lich. Es gab eine Zeit, da trug sich fast das glei­che Ereig­nis schon ein­mal zu. Etwa vor drei­ein­halb Jah­ren. Es war die Geburt unse­rer Tochter.
Plötz­lich rück­ten sol­che all­täg­li­che Dinge wie Fern­se­hen weit, weit in den Hin­ter­grund. Für andert­halb Jahre blieb die Kiste aus und das berie­selnde Flim­mern hat weder mei­ner Frau noch mir gefehlt. Das Tücki­sche daran ist, dass man allzu leicht in alte Mus­ter ver­fällt. Der Mensch ist wahr­lich schwach! Schlei­chend, Stück für Stück pirschte sich die alles über­de­ckende Par­al­lel­welt wie­der in unser Leben und wenn es auch nicht oft geschah, so geschah es den­noch regel­mä­ßig. Der Fern­seh­ap­pa­rat lief. Wir hiel­ten uns wohl­weis­lich fern von allen Pri­vat­sen­dern und deren hirn­schmel­zen­den Flut­wel­len der „Unter­hal­tung“. Den­noch blieb ein fader Bei­geschmack, wenn man sich spät­abends vom Sofa erhob, immer die Gedan­ken im Hin­ter­kopf: Wie­der nix geschafft.

Vor circa einem hal­ben Jahr erlebte das Nar­ko­ti­sie­ren des TV-Gerä­tes sein gefei­er­tes Revi­val. Seit der Geburt unse­res Soh­nes ist die Flim­mer­kiste aus. Das ist nun bald sie­ben Monate her und bis zum Schrei­ben die­ses Arti­kels habe ich unge­fähr drei­mal daran gedacht, dass wir ja noch einen Fern­se­her haben.
Einen wei­te­ren erfreu­li­chen Neben­ef­fekt hat der Ver­zicht auf die­ses Medium mit sich gebracht. Man hat wie­der viel mehr Zeit zum Lesen. Ich habe seit­dem tat­säch­lich weit­aus mehr Bücher gele­sen als frü­her. Ein gutes Buch ersetzt viele Fern­seh­stun­den und ich habe hin­ter­her ein­fach ein ande­res Gefühl als nach dem Fern­se­hen. End­lich kann man wie­der zu sich sagen: „Heute habe ich etwas geschafft.“ Denn: Lesen bildet!

Eine Frage, die sich mir seit­her stellt, ist: Was wäre anders gelau­fen, wenn der Fern­seh­ap­pa­rat nie­mals erfun­den wor­den wäre? Besteht diese Mög­lich­keit über­haupt theo­re­tisch oder hätte die mensch­li­che Ent­wick­lung so oder so zu einer Visua­li­sie­rung ihrer Gedan­ken, Träume, Künste und Ängste gefunden?
Wäh­rend ich das hier schreibe, über­lege ich, ob die­ses Thema jemals Gegen­stand eines bel­le­tris­ti­schen Buches gewe­sen ist. Laut mei­nen Recher­chen gibt es auch nur wenige Sach­bü­cher dazu. Fra­gen über Fra­gen, deren Ant­wor­ten ich nicht kenne, aber die zu lösen ich imstande wäre. Warum nicht selbst die­ses Buch schrei­ben? Da ich nicht mehr fern­sehe, könnte ich die Zeit auf­brin­gen. Ein Schluss, zu dem ich mit Fern­se­hen nie gekom­men wäre. (Ohne aber auch nicht!)

Marco

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tshjortile 14. September 2015 - 19:36

Die Frage habe ich mir auch nicht sel­ten gestellt. Ande­rer­seits wäre ich ohne die Flim­mer­kiste nie zum Schrei­ben gekommen. 🙂

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Zeichensetzerin Alexa 14. September 2015 - 20:22

Huhu! Ich hatte auch eine Phase, in der ich ganz viel Fern geschaut habe. Aber irgend­wann wurde mir das zu „bunt“ mit die­ser quit­schi­gen, sich immerzu wie­der­ho­len­den Wer­bung. Vor allem bei beson­ders span­nen­den Fil­men hatte ich den Ein­druck, dass ich öfter und län­ger Wer­bung schaue als den Film. Es stimmt aber: mich hat die Flim­mer­kiste auch zu so man­cher Geschichte inspi­riert. Was genau war denn das bei dir? 🙂

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Bücherstädterin E. 16. September 2015 - 18:59

Das Fern­seh­pro­gramm von heute macht mich lei­der immer zum Zyni­ker, wes­we­gen ich zumeist zum Fremd­schä­men auf Pri­vat­ka­näle wie Pro8 und Kon­sor­ten zurück­greife. Filme schaue ich mir inzwi­schen größ­ten­teils im Kino oder als DVD an – ich finde es furcht­bar, wenn Wer­bung das Film­ver­gnü­gen zerstört.

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nettebuecherkiste 15. September 2015 - 11:57

Ich habe zwar kei­nen Nach­wuchs bekom­men, trotz­dem geht es mir seit län­ge­rer Zeit ähn­lich. Ein‑, höchs­tens zwei Mal die Woche schieb ich abends mal eine der vie­len unge­guck­ten DVDs rein, um eine Folge des einen oder ande­ren BBC- oder ITV-Period-Dra­mas zu gucken. Aber mehr ist nicht drin, ich will ein­fach lesen :-).

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Zwischenzeilenverstecker Marco 15. September 2015 - 16:06

„So ist’s rich­tig, so ist’s gut – freund­lich zieh‘ ich mei­nen Hut.“ 

(Zwar ein Zitat aus dem TV, aber wenigs­tens aus einer päd­ago­gisch wert­vol­len Sendung.)

Danke für’s Lesen und die Unter­stüt­zung der Aktion – Marco

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