Bilderbuch aus dem Baukasten

von | 04.12.2021 | Bilderbücher, Buchpranger

„Der Hase ohne Nase“ von Annabel Lammers und Hanneke Siemensma bietet ein durchaus gefälliges Bilderbuch, an dem Seitenkünstler Aaron Makel, aber auch Feinheiten entdeckt hat.

Ein Hase wird von den Waldtieren ausgelacht und entdeckt beim (obligatorischen) Blick in den Teich, dass er keine Nase hat. Nach einer Sinnsuche und dem Finden des Friedens mit sich selbst wird er von einem Mädchen aufgenommen, das ihn liebt und mit ihm nach einem passenden Knopf sucht.

Die auf den ersten Blick zuckersüße Geschichte mit einer hoffnungsvollen Botschaft für Marginalisierte entpuppt sich beim Versuch, den Inhalt genauer zu erfassen, als skurriles Gemisch verschiedener Kinderbuchklischees.

Mehrere Motive werden bruchstückhaft aneinandergereiht: Der versehrte Außenseiter wird ausgelacht, der Außenseiter findet den Frieden mit sich selbst, ein verlorenes Kuscheltier wird gefunden und geliebt. Zu guter Letzt erfolgt die Heilung des Makels, der bis dahin als gegeben akzeptiert wurde. Das Kuscheltier wird repariert und schnuppert auf der letzten Seite glücklich an Maiglöckchen. (Anmerkung der Redaktion: Maiglöckchen sind giftig und nicht geeignet für Hasen oder Kinder.)

Dabei treten mehrere Brüche auf, die eine inkonsequente Erzählung mit sich bringt: Kann der Hase ohne Nase denn schon riechen, dass das Mädchen nach Gänseblümchen duftet? Er kann schließlich schon Dinge spüren, nur wie soll das mit dem Geruchssinn ohne Nase funktionieren? Zunächst ist der Hase ein empfindsames Tier unter Tieren im Wald. Die Tiergeschichte endet jäh, als der Hase gefunden und als Kuscheltier behandelt wird. Befremdlich ist, dass das bis zur Hälfte des Buches eigenständige und empfindsame Wesen gewaschen wird, an den Ohren aufgehängt und später einen Knopf angenäht bekommt.

Die collagierte Zusammensetzung der Geschichte ist interessanter als die Inhalte an sich. Sie erinnert an das sprunghafte Erzählen von Kindergartenkindern. Das Buch bietet zugleich mehrere Ansätze für verschiedene Lesarten, aber es bleibt die Frage, welche Aussage es eigentlich treffen will: Sollte der Hase seine Nasenlosigkeit akzeptieren und lieben lernen oder für den Rest seines Daseins Prothesen tragen?

Gut gelungen ist hingegen die gesamte Gestaltung: Der Titel ist griffig, die Illustrationen transportieren eine gefühlvolle Stimmung und die Hauptfigur ist liebenswürdig erdacht.

Die Bewertung dieses Kinderbuchs, das wie aus dem Baukasten wirkt, ist schwierig. Für erfahrene, erwachsene Leser*innen stellen sich gänzlich andere Ansprüche an das Werk als für Kinder. Das Kind (4 Jahre alt), dem hierfür das Buch vorgelesen wurde, mochte das Buch und fand besonderes Gefallen an den schönen Bildern und an der Stelle, an welcher der Hase von dem Mädchen gefunden wird.

Der Hase ohne Nase. Text: Annabel Lammers. Illustration: Hanneke Siemensma. Bohem Verlag. 2021. BK-Altersempfehlung: ab 4 Jahren.

Aaron Sprawe

Aaron Sprawe

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