Barbara Kindermann im Interview

von | 29.03.2019 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

Die Entscheidungsfreiheit, die Vielfältigkeit der anfallenden Aufgaben, die Begleitung eines Buches von Anfang bis zum Ende und natürlich das schöne Produkt sowie die ganze Branche, einfach wunderbar!

Der Kindermann Verlag ist ein unabhängiger Verlag für Kinderbücher, der in diesem Jahr sein 25. Jubiläum feiert. Worteweberin Annika hat mit der Gründerin Barbara Kindermann über die Verlagsbranche, die Bedeutung von Weltliteratur für Kinder und die Vorteile der Unabhängigkeit gesprochen.

Worteweberin Annika: Erstmal herzlichen Glückwunsch zu 25 Jahren Kindermann Verlag! Mögen Sie unseren Leserinnen und Lesern den Kindermann Verlag und sich selbst kurz vorstellen?

Barbara Kindermann: Seit 25 Jahren lautet das Ziel des Kindermann Verlags, Kindern nachhaltig und bildstark „Weltliteratur für Kinder“ sowie klassische Stoffe zu vermitteln, die wir Erwachsenen schon kennen oder denen wir neu begegnen. Seit einem Vierteljahrhundert erzähle ich in der Reihe „Weltliteratur für Kinder“ solche Stoffe für Kinder neu nach. „Faust“, „Wilhelm Tell“, „Macbeth“, „Nathan der Weise“ und viele andere Klassiker habe ich für Kinder neu erzählt und bald kamen die Reihe „Poesie für Kinder“ und weitere Reihen hinzu, in denen immer auf spielerische Weise Wissenswertes vermittelt wird. Das Besondere: Die hochwertig gestalteten Titel, mit Halbleinen gebunden und Goldprägung versehen, werden von bekannten Künstlern illustriert, deren Stil genau zum jeweiligen Thema passt. Das Programm kommt einheitlich daher, hat eine starke Corporate Identity und füllt im hart umkämpften Kinderbuchmarkt konkurrenzlos und erfolgreich eine Lücke.

WA: Wie kam es denn vor 25 Jahren eigentlich dazu, dass Sie einen Verlag gegründet haben?

BK: Dies alles entsprang einer einzigen Idee. Ich wollte Kinder für die spannenden Geschichten der Weltliteratur begeistern, und zwar in einem Alter, in dem noch keine Schwellenangst vor Klassikern existiert oder schulische Pflichtlektüre vielleicht für immer davor abschreckt. Mir war ein Kinderbuch zu Shakespeares „Der Sturm“ in die Hände gefallen, das ich meiner Tochter (damals 6 Jahre alt) vorlas: Sie fand es genauso packend wie irgendein anderes Buch, nebenbei merkte sie sich die markantesten Figuren wie Ariel, den Luftgeist, oder Prospero, den Zauberer. Dies war der Auslöser: Warum sollten es nicht Faust, Wilhelm Tell oder Hamlet sein, an die sich Kinder erinnern und die sie später immer wieder erkennen? Also gründete ich den Verlag und begann zu schreiben.

WA: Wie feiern Sie das 25. Jubiläum?

BK: Mit vielen Einzelaktionen wie Lesungen, Workshops und Ausstellungen, einem Jubiläums-Kreuzworträtsel, einer Glücksrad-Aktion auf den Buchmessen, einer neuen App, auch haben wir eine PR-Agentur fürs Jubiläumsjahr engagiert, da bewegt sich dementsprechend presse-mäßig viel und es gibt wunderbare Artikel und Rezensionen bezüglich des Jubiläums.

WA: Und was ist der Plan für die Zukunft? Woran arbeiten Sie zurzeit?

BK: Zum Herbst soll tatsächlich genau der Titel in der Reihe „Weltliteratur für Kinder“ erscheinen, der mich damals zur Gründung des Verlags inspiriert hatte: „Der Sturm“, nach Shakespeare. So schließt sich hier der Kreis nach 25 Jahren perfekt.

WA: Wie hat sich die Verlagsbranche in den 25 Jahren verändert, in denen der Kindermann Verlag besteht?

BK: Sie ist vor allem digitaler geworden. Die neuen Medien lösen viele alte ab und die Welt wird zunehmend „papierloser“, aber unser Programm ist davon glücklicherweise nicht betroffen, da unsere Bücher – so haptisch und hochwertig, wie sie hergestellt sind – nicht durch E-Books etc. ersetzt werden können, wir verspüren keinen Absatz-Einbruch, wie es viele zum Beispiel wissenschaftliche Verlage tun, deren Inhalte mehr und mehr nur noch im Internet abgerufen werden.

WA: Ein Fokus des Kindermann Verlags liegt ja auf der Reihe „Weltliteratur für Kinder“, von der Sie schon etwas erzählt haben. Warum sollten Kinder Klassiker lesen?

BK: Die Klassiker sind Hauptbestandteil unseres Kulturguts. Diese Kultur muss erhalten und weitergegeben werden, deshalb ist es ganz wichtig, dass auch schon bei Kindern das Interesse an Weltliteratur geweckt wird und sie die Schönheit dieser Klassiker entdecken können. Daher sind meine Nacherzählungen auch immer sehr nah am Originaltext, der teilweise sogar noch wörtlich – in Form von kursiv gekennzeichneten Zitaten – durch den Text schimmert.

WA: Worauf muss man denn achten, wenn man Klassiker (für Kinder) neu erzählt?

BK: Darauf, dass man den roten Faden der Geschichte gut verständlich und in möglichst chronologischer Reihenfolge nacherzählt. Und dass man grausame Stellen mit Hilfe der Sprache „weichspült“. Ich halte nichts davon, sich der modernen Sprache anzubiedern und beispielsweise Worte wie „cool“ oder „geil“ in den Text aufzunehmen. Ich erfinde auch nie etwas neu dazu, sondern kürze und vereinfache lediglich das Original.

WA: Zum Verlagsjubiläum erscheint eine App, in der Kinder Geschichten aus dem Kindermann Verlag interaktiv erfahren können. Was glauben Sie, ist das die Zukunft von Literatur? Oder wie sieht diese Zukunft aus?

BK: Zum 25jährigen Verlagsjubiläum 2019 wollten wir etwas ganz Neues wagen. Die witzig-animierten E-Books stellen unserer Meinung nach eine wunderbare Ergänzung zu den Büchern dar, und symbolisieren einen kleinen Schritt weiter in die Digitalisierung. Vielleicht wird der eine oder andere Kunde somit auf uns aufmerksam, der mit seinen Kindern mehr Apps benutzt als Bücher kauft, wer weiß. Auf jeden Fall ist es ein spannendes Experiment, wobei wir natürlich E-Books auf keinen Fall als strategische Ausrichtung sehen, sondern eher als Nebenprojekt zum Jubiläum, als kleinen Bonus für unsere Kunden. Die Animationen sowie die Mini-Spiele am Ende jedes E-Books sind mit viel Liebe gestaltet, und die bekannten Hörbuchsprecher der Hörcompany in Hamburg, wie zum Beispiel David Striesow oder Rainer Strecker, verleihen den Titeln einen ganz besonderen Charakter.

WA: Der Kindermann Verlag ist ein sogenannter „unabhängiger Verlag“, gehört also zu keinem Großkonzern. Was sind die Schwierigkeiten, wenn man unabhängig ist und was ist vielleicht auch das Tolle daran?

BK: Das Schwierige ist vor allem der Anfang, der Aufbau, da kein monatlich garantiertes Gehalt aufs Konto fließt. Es braucht einen langen Atem, bis das Programm sich am Markt etabliert. Wenn das einmal gelungen ist, so wie glücklicherweise bei uns, die wir mit unseren klassischen Titeln erfolgreich eine Nische im hart umkämpften Kinderbuchmarkt ausfüllen, dann ist Unabhängigkeit einfach wunderbar, man ist niemandem Rechenschaft schuldig, ist flexibel in seinen Entscheidungen und kann ganz unkompliziert an Stellschrauben drehen, wenn mal etwas in Schieflage zu geraten droht. Und es bedeutet Freiheit, was Arbeitszeiten, Urlaube etc. angeht.

WA: Was gefällt Ihnen am besten an der Verlagsarbeit?

BK: Die Entscheidungsfreiheit, die Vielfältigkeit der anfallenden Aufgaben, die Begleitung eines Buches von Anfang bis zum Ende und natürlich das schöne Produkt sowie die ganze Branche, einfach wunderbar!

WA: Gibt es auch etwas, mit dem Sie sich im Verlagswesen nicht anfreunden konnten?

BK: Hm, da fällt mir nur das aktuellste unerfreuliche Beispiel ein, die Abhängigkeit von großen Barsortimenten, die einem Verlag mit einer plötzlichen Insolvenz ganz schön schaden, ihn im schlimmsten Falle sogar selbst in die Insolvenz treiben können.

WA: Welche Bücher lesen Sie selbst in Ihrer Freizeit eigentlich am liebsten?

BK Privat lese ich am liebsten skandinavische Krimis, zum Beispiel von Joe Nesbø, oder die Erzählungen von Alex Capus: „Reisen im Licht der Sterne“ ist eines meiner Lieblingsbücher.

WA: Zum Abschluss noch unsere typisch bücherstädtische Frage: Wenn Sie ein Buch wären, welches wäre das dann?

BK: Ui, das ist aber schwierig, am liebsten vielleicht „Ein Sommernachtstraum“, mit vielen Verwirrungen und komischen Momenten, aber voller Magie, Elfenzauber und mit einem wundervollen Happy End.

WA: Vielen lieben Dank für das Interview!

BK: Sehr gerne, vielen Dank für Ihr Interesse!

Foto: Kindermann Verlag

 

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