Aus der Sicht eines Kindes: Wenn ein Elternteil an Depressionen leidet

von | 28.01.2018 | Bilderbücher, Buchpranger

Das Thema Depression wird seit einigen Jahren vermehrt thematisiert. In den sozialen Netzwerken melden sich Betroffene zu Wort und in Romanen kämpfen die Protagonisten gegen die Erkrankung. Aber wie wird diese von Kindern wahrgenommen? Zeichensetzerin Alexa hat sich mit dem Bilderbuch „Als Mama nur noch traurig war – Wenn ein Elternteil an Depressionen erkrankt“ beschäftigt.

Jan ist fünf Jahre alt, als seine Mama an Depression erkrankt. Es sind die „Grummelgrame“, die sie so verändern, dass sie „gar nicht mehr wie Mama“ ist. Sie wirkt oft traurig und kann sich nicht mitfreuen, ist müde und kraftlos und schnell überfordert. Das Spielen der Kinder ist ihr zu laut, zum Aufräumen fehlt ihr die Kraft. Auf die Aussage ihres Mannes, sie solle sich nicht so „künstlich“ aufregen, beginnt sie zu weinen. Jan fragt sich: „Ist er vielleicht schuld daran, dass Mama dauernd traurig und irgendwie verkehrt ist? Wäre sie wieder richtig, wenn er es schaffen könnte, immer artig und ordentlich zu sein?“

Die Grummelgrame vertreiben

Es wird nicht besser: Jans Mama vergisst das Kindergartenfest, streitet sich mit ihrem Mann und kann nicht mehr aufhören zu weinen. Dass es so nicht weitergehen kann, sehen beide Elternteile ein. Also sucht Jans Mama einen Psychotherapeuten auf. Herr Ritter erklärt Jan dann auch, was eigentlich mit seiner Mama los ist: „Ihre Seele hat ein Loch bekommen und dann haben sich Grummelgrame darin eingenistet.“ Grummelgrame sind bösartige Wesen, die betroffenen Menschen den ganzen Tag über einreden, sie seien dumm und hässlich. Diese Beschimpfungen machen Jans Mama traurig und ihre Welt erscheint ihr farb- und freudlos. Doch ob jemand Grummelgrame hat, ist nicht so leicht zu erkennen, denn für andere sind sie unsichtbar.

Herr Ritter hat eine Lösung: Die Grummelgrame sollen mit einem Zauberspruch vertrieben werden. Aber nicht mit irgendeinem, sondern mit einem veränderbaren, der das aussagt, was Jans Mama besonders gut kann. Zum Beispiel „den leckersten Schokokuchen der Welt“ machen. Mit jedem Zauberspruch bringt sie wieder etwas mehr Farbe in ihre Welt und vertreibt somit Stück für Stück die Grummelgrame.

Die Schuldfrage

Die wichtigste Aussage in diesem Buch richtet sich an die Kinder: Jan trifft keine Schuld. Seiner Mama geht es wegen der Krankheit so schlecht und es hat nichts mit Jans Verhalten zu tun. Dass dies von Herrn Ritter explizit geäußert wird, ist wichtig, um Kindern das Gefühl der Schuld zu nehmen. Das Bilderbuch lässt Leserinnen und Leser nicht verunsichert zurück, sondern gibt Antworten auf mögliche Fragen, die auftreten könnten. Hat sich Jan anfangs noch gefragt, ob seine Mama ihn nicht mehr lieb habe, versichert ihm seine Mama zum Ende hin: „Ich hab dich so lieb. […] Immer, immer, immer. Auch wenn ich traurig bin.“ Auch die bildliche Darstellung der Grummelgrame kann Kindern dabei helfen, die Depression als Krankheit zu erfassen und zu verstehen, welche Auswirkungen sie auf die Betroffenen hat.

Das Bilderbuch bietet nicht nur innerhalb der Geschichte um Jan und seine Eltern einige Lösungsstrategien an, sondern am Ende auch in einem Brief, den Diplom-Psychologin Ina Knocks an Familien richtet. Sie informiert über die Krankheit und macht darauf aufmerksam, dass Kinder von Elternteilen, die Depressionen haben, selbst an psychischen Erkrankungen leiden können. Deshalb sei es wichtig, nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Kinder zu stärken. Eine Möglichkeit wäre, mit den Kindern offen über die Krankheit zu sprechen. Auf diese Weise können ihnen die Unsicherheit, die Angst und das Schuldgefühl genommen werden. Sichere Bezugspersonen und Freundschaften können außerdem dabei helfen, mit anderen über die eigenen Gefühle und Gedanken zu sprechen.

„Als Mama nur noch traurig war – Wenn ein Elternteil an Depressionen erkrankt“ ist ein empfehlenswertes Bilderbuch, das als Hilfsmittel herangezogen werden kann, um mit Kindern über Depressionen zu sprechen. Es ist ansprechend gestaltet, bietet mit Jan als Protagonisten eine Identifikationsperson und beantwortet so manche Frage – und wer noch mehr Fragen hat, kann sich unter den am Ende des Buches aufgeführten Adressen weiter informieren.

Als Mama nur noch traurig war – Wenn ein Elternteil an Depressionen erkrankt. Anja Möbest. Illustration: Barbara Korthues. Coppenrath Verlag. 2017. Ab 4 Jahren.

Bücher zum Thema Depression:

Hilfreiche Adressen (aus dem Buch):

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