„Ich bin ein Geschichtenerzähler, der seine Storys in Reim und Metrik schreibt und dazu auch Musik komponiert.“

Zwei Jahrzehnte gibt es sie nun schon: Die Gothic-Novel-Rock-Band ASP feiert in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum. Dies und das thematisch so wundervoll passende Musik-Special in der Bücherstadt sind für Satzhüterin Pia Anlass genug, dem kreativen Kopf und Sänger der gleichnamigen Band ein paar Fragen zu Musik und Literatur zu stellen.

Bücherstadt Kurier: Lieber Asp, vielen Dank, dass ich dir ein paar Fragen rund um Musik und Literatur stellen darf. Magst du dich den Leserinnen und Lesern, die dich, deine Musik und deine Literatur nicht oder nicht so gut kennen, einmal vorstellen?

Asp: (lacht) Mich muss man eigentlich gar nicht kennen, ich als Person bin unfassbar langweilig. Wenn man meine Songs hört oder meine Texte liest, erfährt man alles über mich, was wichtig ist. Aber da wir diese gerade nicht zur Hand haben, vielleicht dies zu einer kleinen Einführung: Mein Name ist Asp – im Ausweis steht Alexander Spreng, den kenn ich aber nicht – und ich bin Geschichtenerzähler. Um meine Geschichten zu erzählen, greife ich manchmal zu drastischen Mitteln, reime wie ein Irrer, schreibe passende Songs dazu und trage sie auch regelmäßig vor Publikum vor.

Zu diesem Zweck habe ich mir eine gruselige Kunstfigur geschaffen, die es mir leichter macht, mich vor Leute hinzustellen und mit viel Energie diese oft düsteren, manchmal romantischen und ziemlich rätselhaften Geschichten mit ihnen zu teilen. Wegen der Schminke und den immer schwarzen Klamotten verwechseln mich die Leute meist mit einem Vertreter der Gothic-Bewegung. Ich habe eine nicht weiter bemerkenswerte Karriere als Comic-Szenarist begonnen, die ich aber für die Musik hintanstellte. Privat mag ich Natur, Harmonie, Hunde und mein Schreibzimmer.

BK: Meistens werdet ihr als Rockband benannt – eine Schublade, in der ihr euch wohlfühlt?

Asp: Prinzipiell ist Rock ein Etikett, mit dem ich uneingeschränkt klarkomme. Denn Rockmusik machen wir zumindest sehr häufig, wenn wir uns auch anderen musikalischen Stilrichtungen bedienen, um unsere Geschichten zu erzählen. Auch Folk oder Heavy Metal werden benutzt und wir scheuen auch vor orchestralen Elementen und Elektronik nicht zurück. Aber doch meist in Verbindung mit Rockmusik.

BK: Was bedeutet dir Literatur?

Asp: Was bedeutet mir die Luft zum Atmen? Ich denke nicht viel drüber nach und doch kann ich nicht ohne leben.

BK: Welche Lieblingsbücher hast du, die aus deiner Sicht nicht in einem Bücherregal fehlen sollten?

Asp: Viel wichtiger als konkrete Empfehlungen auszusprechen ist mir die Tatsache, dass es überhaupt noch Bücherregale gibt! Dass Literatur gelesen wird, nicht nur Sprüche und Kommentare auf Facebook & Co. Und da wäre mir dann auch egal, ob Dostojewski oder Blyton als Einstiegsdroge dienen. Um die Frage ein wenig besser zu beantworten: ASP ist ja ganz verallgemeinernd der Phantastik zuzuordnen, für die ich gerne eine Lanze brechen möchte. Ja, da gibt es unglaublich viel Mist, das finde ich auch immer total bedauerlich, aber ich finde, man sollte unbedingt einmal etwas von Peter S. Beagle gelesen haben, zum Beispiel „Es kamen drei Damen im Abendrot“ oder „In Calabria“ oder natürlich „Das letzte Einhorn“. Aber auch „Der Name des Windes“ von Patrick Rothfuss ist ein gutes Beispiel dafür, wie man anspruchsvolle und gleichzeitig unterhaltsame „Fantasy“ schreiben kann.

Natürlich sollte man einmal etwas von Stephen King gelesen haben. Zum Beispiel „Der Anschlag“. King ist am besten, wenn der Horror nur ein Vehikel für den großen amerikanischen Roman ist. Neil Gaiman sollte man gelesen haben, zum Beispiel „Der Ozean am Ende der Straße“. Und Poe. Poe, Poe und nochmal Poe. Vor allem die Gedichte. Ich lese natürlich nicht ausschließlich phantastische Literatur, ich lese alles Mögliche. Aber kaum ein anderes Genre hat es noch immer so schwer. Leider auch verdient, wie eingangs schon erwähnt.

BK: Kann Musik ganz ohne Literatur, Sprache und Narration auskommen? Beziehungsweise wie weit kommt sie ganz ohne diese Elemente? Ist nicht vielmehr das Zusammenspiel von beidem erstrebenswert?

Asp: Musik kann trefflich ohne auskommen, wie man an all dem zusammengetexteten, aus Worthülsen bestehenden Radiogedudel wunderbar merken kann. Berieselung ist ja schon immer der erfolgversprechendere Weg und dafür braucht es auch keine guten Texte, geschweige denn literarische Ambitionen. Meist nicht einmal brauchbare Sprache. Aber bei allem Pessimismus durfte ich mich über die Jahre doch eines Besseren belehren lassen und mir eine Nische einrichten, in der ich mich austoben und meine Gedichte vertonen, verschachtelte Bedeutungsebenen in meiner Sprache verstecken und schöne und gleichzeitig düstere Geschichten erzählen darf.

Ich schätze mich glücklich, dass für so etwas ein kleiner aber interessierter Markt existiert. Es ist halt keine Musik für Berieselung, auch wenn ich mich bemühe, die Songs emotional nachvollziehbar zu machen, sie erlebbar zu gestalten. Mein Ziel ist es, unterhaltsame Songs zu schreiben, die dem Zuhörer aber bei Bedarf eine tiefere Ebene bieten, etwas, bei dem er Entdecker sein darf.

BK: Worin liegt für dich die Harmonie in der Kombination von Musik und Literatur? Ob als Text eines Songs oder auch in thematischer Zusammenarbeit wie zum Beispiel bei dir und Kai Meyer und euren Geschichten über das Astoria Hotel in Leipzig.

Asp: Musik ist natürlich der emotionale Faktor bei der Sache, der Verstärker des bloßen Wortes. Eine Geschichte zu vertonen bedeutet, den Soundtrack für einen Film vor dem inneren Auge des Lesers gleich mitliefern zu können. Das bietet ein gigantisches Potential. Und natürlich ist es ein zusätzliches Kommunikationsmittel. Man stelle sich vor, jemand sagt dir am Telefon, dass er dich liebt. Das ist natürlich eine feine Sache. Aber wenn die Musik dazu kommt, dann steht er direkt vor dir, schaut dir dabei in die Augen und streichelt deine Hand. Das ist der Unterschied, ein Song kann ein sehr sinnliches Erlebnis sein.

Musik ist natürlich der emotionale Faktor bei der Sache, der Verstärker des bloßen Wortes.

BK: Bei welchen Stücken oder gar ganzen Alben hat Literatur dich inspiriert?

Asp: Als direkt von Büchern inspirierte Alben muss ich natürlich „Zaubererbruder“ und „Verfallen“ nennen. Ersteres ist eine eigene Interpretation der berühmten Krabat-Sage aus der Lausitz, zu der ich die Bücher von Otfried Preußler und Jurij Brězan verschlungen habe und sie mich. Und am Ende kam eine sehr eigenwillige Interpretation heraus, bei der ich mich am Ende immer mehr von den Vorbildern und der Originalsage entfernte.

Bei „Verfallen“ war es eine ganz andere Vorgehensweise. Kai Meyer tat mir den Gefallen, eine Geschichte zu schreiben, die ganz eigenständig für sich gelesen werden kann, die ich dann sozusagen musikalisch weitererzählte. Ein äußerst spannendes Konzept, welches auch viele neue Herausforderungen mit sich brachte. Am Ende kam dann sozusagen ein Prequel dabei heraus. Ich erzählte dann, wie das alles gekommen sein könnte, was sich in Kai Meyers Geschichte abspielt.

Aber von diesen Konzeptalben mal abgesehen sehe ich meine Alben und Songs eigentlich grundsätzlich von Literatur inspiriert. Ich bin ein Geschichtenerzähler, der seine Storys in Reim und Metrik schreibt und dazu auch Musik komponiert. Dass ich die Geschichten dann auch noch selbst singen darf, ist ein besonderes Geschenk.

BK: Und wie ist das mit deiner Literatur? Kann dich Musik ebenso zum Schreiben inspirieren und welche wäre das zum Beispiel?

Asp: Meine Bücher werden eigentlich nicht von Musik inspiriert, aber viele meiner kleinen Geschichten entstehen gleichzeitig mit dazu passenden Liedern. Meine Reihe „Asp Sprengs Zwielichtgeschichten“ sind Bilderbücher, die auf Gedichte oder Songtexte von mir zurückgehen, wobei aber die Songtexte oft auch parallel vertont werden und der Illustrator die Musik noch nicht kennt. Ein weiterer Vorteil, den ich mir zunutze gemacht habe. Ich kann mit fähigen Illustratoren eine visuelle Ebene zu Text und Musik hinzufügen.

Ganz anders ist das bei meinem Briefroman „Der Fluch“. Da gibt es bisher weder Musik noch Illustrationen. Ich habe dazu einen Gruselroman, beziehungsweise eher eine Novelle, in Reimform geschrieben und es ist ein reines Gedicht. Aber natürlich ist, wenn man ein Gedicht liest, Rhythmik und Melodie in der Sprache. Und das wiederum ist ja schon irgendwie musikalisch, nicht wahr?

BK: Wie gehst du beim Schreiben von Liedern oder auch Alben vor – kommen erst die Klänge, die Musik selbst oder steht am Anfang die Erzählung, der Text?

Asp: Am Anfang ist immer eine Story-Idee. Danach schreibe ich oft zunächst einen Songtext, aber manchmal entsteht auch erst eine Melodie oder beides gleichzeitig. Ich schränke mich selbst nicht durch eine feste Reihenfolge ein, sondern lasse es im Flow einfach geschehen und schaue, wohin mich die Geschichte führt.

BK: Welche deiner Veröffentlichungen – Musik und Literatur – würdest du nun neugierig gewordenen Leserinnen und Lesern besonders ans Herz legen wollen?

Asp: Ich würde die Alben „zutiefst ASP“ oder „Maskenhaft“ empfehlen, da beide sehr songorientiert sind und dennoch eine starke literarisch-lyrische Komponente aufweisen, ohne ein Konzeptalbum darzustellen, bei dem man gleich das gesamte Album erfassen muss. Man könnte sagen, es handelt sich um thematisch zusammenpassende „Kurzgeschichten“. Das heißt nicht, dass ich diese Alben als die allerbesten empfehle, aber doch recht passend, um mal reinzuschnuppern. Bei den Büchern ist es eigentlich egal, aber da gerade so ein schöner Frühling herrscht, würde ich „Die Zwielichtgestalten“ empfehlen. Ein schönes Märchen mit wunderbaren, leuchtenden Illustrationen von Fabia Zobel.

BK: Die 20 Jahre ASP habt ihr im April und Mai mit fünf Konzerten in Deutschland – der Pentagrammophon-Tour – gefeiert. Ist eine Fortsetzung geplant? Wann dürfen wir uns auf die nächsten Konzerte von euch freuen?

Asp: Leider ist keine Fortsetzung geplant, auch wenn das in der Seele weh tut. Natürlich arbeiten wir eigentlich immer an neuen Tourneen, zu diesem Zeitpunkt dürfen wir aber nichts verraten. Auf jeden Fall werden es wohl 2019 wirklich nur 6 Termine sein, die bereits gespielte Jubiläumstour und nun noch das M‘era Luna Festival. Das ist viel zu wenig. War aber aus organisatorischen Gründen nicht anders möglich. 2020 wird besser!

BK: Und zum Schluss noch unsere bücherstädtische letzte Frage: Wenn du ein Buch wärst, welches wäre das dann?

Asp: Ein Notizbuch. Dick, zerfleddert, vollgeschmiert und mit hoffentlich noch vielen unbeschriebenen Seiten!

BK: Vielen Dank für dieses wundervolle Gespräch!

Zum Weiterlesen:

www.aspswelten.de/books
• Die Geschichte „Verfallen“ ist im Booklet der „Limited Novel Edition“ des Albums „Verfallen“ von ASP zu finden.
• Mehr Informationen rund um Asp, die Musik und die Literatur findet ihr unter www.aspswelten.de!

[tds_note]Ein Beitrag zum Special #BKmusikalisch. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]
Foto: Nightshadow Photoart
Bücherstadt Magazin

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Das Bücherstadt Magazin wird herausgegeben vom gemeinnützigen Verein Bücherstadt. Unter dem Motto "Literatur für alle!" setzt sich die Redaktion mit der Vielfalt der Literatur im Sinne des erweiterten Literaturbegriffs in verschiedenen medialen Aufbereitungen auseinander.

4 Kommentare

  1. Avatar

    Ich darf mir eine kurze Ergänzung erlauben: Eine schicke, aber unabhängig von Asp entstandene Comic-Version von Kai Meyers „Das Fleisch der Vielen“ ist vor kurzem beim Verlag Splitter erschienen, in der auch der originale Text enthalten ist.

    Ansonsten: Schönes Interview! 🙂

    Antworten
    • Satzhüterin Pia

      Danke, Markus! Da hast du natürlich recht, den Comic habe ich vergessen zu erwähnen. Den will ich mir, btw., noch unbedingt zulegen…
      Ich freue mich, dass das Interview gefällt! Vielen Dank 🙂

      Antworten
  2. Avatar

    Sehr schönes Interview! Ich mag die Art der Fragen, weil sie Raum zum Geschichten erzählen lassen (was ja genau die Passion des Künstlers ist, sehr treffend also!!!) und gleichzeitig eine konkrete Antwort fordern. Die Wortwahl und Formulierungen sind auch nicht zu aufdringlich 😉 (ist natürlich subjektiv an dieser Stelle)…
    ASP als Künstler (egal ob direkt auf der Bühne oder die persönlichen Eindrücke eines Interviews und nicht zuletzt seine Werke und ihre vielseitig interpretierbaren Ebenen) wickelt einen gänzlich um die Finger und lässt (mal wieder) nach mehr verlangen.
    Für die Lese(er/in)freudigen mag ich eine persönliche Empfehlung ergänzen… Da mir oben erwähnte fantastische Literatur in allem sehr zusagt und vielleicht dem einen oder anderen auch… ‚Die Musik der Stille‘ als Ergänzung zu ‚Der Name des Windes’… Hat mir einfach gesagt sehr gefallen.

    Danke.

    Antworten
    • Satzhüterin Pia

      Liebe Nebbia, vielen Dank für deine lobenden Worte! Es freut mich sehr, dass das Interview so gefällt – es hat mir auch wirklich viel Spaß gemacht, mir Fragen für diesen außergewöhnlichen Künstler zu überlegen. Und noch viel, viel mehr, seine tollen Antworten dann zu lesen!
      Danke auch für deine Empfehlung, ich werde mir das und die von Asp genannten Werke auf jeden Fall mal näher anschauen!

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