Andreas Winkelmann im Interview

„Und so werde ich schon mal dar­auf ange­spro­chen, warum in mei­ner Scheune am ver­gan­ge­nen Sonn­tag den gan­zen Tag die Kreis­säge lief, oder ob ich heute schon jeman­den getö­tet habe.“

Andreas Win­kel­mann ist einer der erfolg­reichs­ten deut­schen Autoren. Neben zahl­rei­chen Buch­ver­öf­fent­li­chun­gen hat er auch einen eige­nen Escape-Room ent­wi­ckelt. Im Inter­view hat er Bücher­tän­ze­rin Michelle-Denise inter­es­sante Details zu sei­nen Pro­jek­ten ver­ra­ten und wie er zu Gerüch­ten zu sei­ner Per­son steht.

Andreas Winkelmann

Foto: Copy­right by Gre­gor Middendorf

BK: Lie­ber Herr Win­kel­mann, vie­len Dank, dass Sie sich die Zeit für das Inter­view neh­men! In Ihrem aktu­el­len Thril­ler „Die Karte“ ist die Corona-Pan­de­mie bereits über­stan­den und fin­det nur noch am Rande Erwäh­nung. Wie haben Sie die Zeit wäh­rend der Lock­downs pri­vat und beruf­lich erlebt

AW: Da in den Lock­down­pha­sen alle meine Ver­an­stal­tun­gen aus­ge­fal­len sind, habe ich den direk­ten Kon­takt zu mei­nen Lese­rin­nen und Lesern ver­misst. Auch pri­vat gab es kaum Aus­tausch, dadurch fühlte ich mich wie eine Bat­te­rie, aus der stän­dig Ener­gie abge­zo­gen, aber nicht wie­der auf­ge­füllt wurde.

BK: Als ich „Die Karte“ abends gele­sen habe, fiel es mir anschlie­ßend tat­säch­lich schwer ein­zu­schla­fen und ich musste mich zunächst ver­ge­wis­sern, ob es mei­nen Ange­hö­ri­gen, die sich zu der Zeit gerade zufäl­lig an einem der Schau­plätze Ihres Buches an den Lan­dungs­brü­cken auf­hiel­ten, gut ging. Der Thril­ler hält tat­säch­lich bis zur letz­ten Seite die Span­nung. Wo fin­den Sie die Ideen für Ihre Bücher und haben Ihre Nach­barn manch­mal Angst vor Ihnen?

AW: Ich wohne rela­tiv ein­sam, alle Nach­barn sind weit weg, aber natür­lich hat sich her­um­ge­spro­chen, was für ein selt­sa­mer Typ da drau­ßen am Wal­des­rand lebt. Und so werde ich schon mal dar­auf ange­spro­chen, warum in mei­ner Scheune am ver­gan­ge­nen Sonn­tag den gan­zen Tag die Kreis­säge lief, oder ob ich heute schon jeman­den getö­tet habe. Ich mag das und habe Spaß daran, die Gerüchte zu unterfüttern.

Was die Ideen zu mei­nen Büchern betrifft, habe ich das große Glück, dass sie mich fin­den. Bis­her habe ich noch keine Flaute erlebt, meist habe ich sogar mehr Ideen, als ich letzt­end­lich in Bücher umwan­deln kann. Dafür muss ich aber mit offe­nen Ohren und Augen durchs Leben gehen, alles auf­neh­men, zwi­schen den Zei­len lesen und hören. Ein gro­ßer Vor­teil ist, dass meine Fan­ta­sie wie ein Mixer funk­tio­niert. Ver­schie­dene The­men, die in kei­ner Ver­bin­dung zuein­an­der ste­hen, wer­den ordent­lich durch­ge­rührt, und am Ende kommt etwas Neues dabei heraus.

BK: Auf einer Lesung in Zeven haben Sie ein­mal gesagt, dass Sie mit Ihrer Fami­lie in einem klei­nen Ort am Wald­rand in Nie­der­sach­sen leben. Wie kommt es, dass Ihre Thril­ler um das Ermitt­ler­duo Ker­ner & Oswald in der Groß­stadt Ham­burg spie­len und nicht in beschau­li­chen Dör­fern mit Wald­nähe, die einen düs­te­ren Schau­platz bie­ten könnten?

AW: Ich liebe das Land­le­ben und hatte zuvor eine ganze Reihe von Büchern geschrie­ben, die in die­sem Set­ting spie­len. Dann zog es mich in die Stadt, weil ich durch mei­nen Freund Mar­kus Knüf­ken Ham­burg bes­ser ken­nen­lernte. Wir sind dort nachts mit dem Kajak durch die Kanäle gefah­ren und das fand ich rich­tig gru­se­lig. Dar­aus ist „Das Haus der Mäd­chen“ ent­stan­den, und natür­lich muss­ten Jens Ker­ner und Rebecca Oswald dann wei­ter in Ham­burg ermitteln.

BK: Wird es wei­tere Fälle um das sym­pa­thi­sche Ermitt­ler­duo Ker­ner & Oswald geben?

AW: Mein nächs­ter Thril­ler „Das Letzte, was du hörst“ erscheint ja am 14.06.22, und da Jens und Rebecca noch im Urlaub sind, ler­nen wir dies­mal andere Prot­ago­nis­ten kennen.

BK: Es ist bereits in den Vor­schauen zu lesen, dass in dem neuen Thril­ler ein Pod­cast eine beson­dere Rolle spie­len wird. Wie kam es zu die­ser Idee?

AW: Es lag eigent­lich auf der Hand, ein­mal einen Thril­ler zu schrei­ben, der sich um das Thema Pod­cast dreht. Nicht so sehr, weil Pod­casts gerade in sind, son­dern weil ich mit „2 Ver­bre­cher“ selbst einen Pod­cast ent­wi­ckelt habe, mich also ein wenig aus­kenne mit der Materie.

BK: Hören Sie selbst gerne Pod­casts und wenn ja, welche?

AW: Lei­der habe ich kaum Zeit, um Pod­casts zu hören. Und ich gestehe, dass ich immer noch sehr gerne lese, ein Buch in der Hand halte, den Ohren Ruhe gönne und sogar ganz bewusst die Stille beim Lesen wahr­nehme und genieße. Mei­ner Mei­nung nach kön­nen sich krea­tive Gedan­ken am bes­ten in der Stille entwickeln.

BK: Sie schrei­ben auch unter den Pseud­ony­men Frank Kodiak und Hen­drik Win­ter. Wie unter­schei­den sich die Werke, die Sie unter den Pseud­ony­men ver­öf­fent­li­chen von denen, die Sie unter Ihrem Namen veröffentlichen?

AW: Bei „Die Ant­wort auf Viel­leicht“ von Hen­drik Win­ter han­delt es sich um eine Geschichte, die auf wah­ren Ereig­nis­sen basiert, die ich in mei­ner Zeit als Krebs­ta­xi­fah­rer selbst erlebt habe. Es ist eine dra­ma­ti­sche Lovestory.

Frank Kodiak ist mein düs­te­res Ich, er schreibt här­ter, wie ich finde, hält sich aber im glei­chen Genre auf wie Andreas Winkelmann.

BK: Wie sieht Ihr Arbeits­platz aus, an dem Sie Ihre Bücher schrei­ben? Gibt es eine Rou­tine, die Sie im Schreib­pro­zess einhalten?

AW: Mein Arbeits­platz ist ein umge­bau­ter Heu­bo­den unter dem Dach eines alten Nie­der­sach­sen­hofs von 1583. Ich kann aber auch unter­wegs arbei­ten, also in Hotels oder Zügen. Wenn ich aber zu Hause bin, setze ich mich mor­gens nach dem Hun­de­spa­zier­gang hin und tobe mich für drei bis vier Stun­den krea­tiv aus. Dabei höre ich oft laut Musik, die der jewei­li­gen Szene ange­passt ist.

BK: Sie haben im ver­gan­ge­nen Jahr zwei neue Thril­ler ver­öf­fent­licht und ein wei­te­rer steht bereits in den Start­lö­chern. Gibt es Momente, in denen Sie nicht wis­sen, wie die Hand­lung wei­ter­ge­hen soll?

AW: Diese Momente gibt es. Und weil ich dann nicht irgend­wie wei­ter­ma­chen will, im Zwei­fels­fall lang­wei­lig oder unin­spi­riert, stehe ich in sol­chen Momen­ten vom Schreib­tisch auf und mache etwas Kör­per­li­ches. Gehe lau­fen mit mei­nem bel­gi­schen Schä­fer­hund Eddie oder hebe im Gar­ten Grä­ber aus, damit die Nach­barn etwas zum Reden haben. Wich­tig ist für mich dabei, nicht dumpf brü­tend her­um­zu­sit­zen, son­dern die Gedan­ken abzulenken.

BK: Wie gehen Sie mit Schreib­blo­cka­den um?

AW: Kenne ich nicht.

BK: Zusam­men mit Romy Haus­mann und Arno Stro­bel haben Sie eine Lese­reise als „The Crime Pack“ geplant. Lei­der musste diese pan­de­mie­be­dingt bereits zum zwei­ten Mal abge­sagt wer­den. Wie kam es zur Grün­dung des Crime Packs? Kön­nen wir uns auf Nach­hol­ter­mine freuen?

AW: Lei­der hat die Pan­de­mie das Crime-Pack-Pro­jekt gekillt. Der Ver­an­stal­ter wollte die Tour auf 2023 ver­schie­ben, doch das ist bei mir nicht möglich.

BK: Im Herbst 2021 konn­ten Sie auch die Eröff­nung von Ihrem eige­nen Escape-Room an zwei Stand­or­ten in Deutsch­land (Köln und Bre­men) fei­ern. Wie kam es zu der Zusam­men­ar­beit mit Team Escape und der Umset­zung des Escape-Rooms?

AW: Die Idee dazu hatte die groß­ar­tige Andrea Luck aus dem Hause Rowohlt, und als sie mich dar­auf ansprach, war ich sofort begeis­tert und mit im Boot. Wir haben uns dann sehr eng mit den Pro­fis von Tea­m­E­s­cape aus­ge­tauscht – wegen Corona lei­der nur in Video­mee­tings – und zusam­men die Story zu dem Escape Room „Am sei­de­nen Faden“ ent­wi­ckelt, die ja an mein Ermitt­ler­paar Rebecca Oswald und Jens Ker­ner ange­lehnt ist. So haben wir auch bis ins kleinste Detail die Aus­stat­tung aus mei­nen Büchern ent­nom­men, wie zum Bei­spiel einen Pokal, den Rebecca beim Wild­was­ser-Raf­ting gewon­nen hat. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, auf diese Art meine Fan­ta­sie zum Leben zu erwe­cken und den Raum dann selbst zu spie­len. Und der Raum läuft so gut, dass die­ses Jahr noch zwei bis drei wei­tere Stand­orte hinzukommen.

BK: Haben Sie selbst lite­ra­ri­sche Vor­bil­der oder ein beson­de­res Lieblingsbuch?

AW: Ich kann mich nicht auf ein ein­zi­ges Lieb­lings­buch fest­le­gen, muss an die­ser Stelle immer meh­rere nen­nen, da meine Inter­es­sen breit gefä­chert sind. So gehört Ste­phen Kings „Sarah“ dazu, aber auch „Into the wild“ von Jon Kra­kauer und „Der Schat­ten des Win­des“ von Car­los Ruiz Zafón oder „Ismael“ von Daniel Quinn.

BK: Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch eine Frage stel­len, die wir allen Gäs­ten in der Bücher­stadt stel­len: Wenn Sie ein Buch wären, wel­ches wäre es und warum?

AW: „Acht Berge” von Paolo Cognetti. Alles, aber auch wirk­lich alles in die­sem Buch ent­spricht mei­nem Charakter.

BK: Vie­len Dank für das Interview!

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