Andreas Winkelmann im Interview

von | 03.04.2022 | Buchpranger, Im Interview, Stadtgespräch

 „Und so werde ich schon mal darauf angesprochen, warum in meiner Scheune am vergangenen Sonntag den ganzen Tag die Kreissäge lief, oder ob ich heute schon jemanden getötet habe.“

Andreas Winkelmann ist einer der erfolgreichsten deutschen Autoren. Neben zahlreichen Buchveröffentlichungen hat er auch einen eigenen Escape-Room entwickelt. Im Interview hat er Büchertänzerin Michelle-Denise interessante Details zu seinen Projekten verraten und wie er zu Gerüchten zu seiner Person steht.

BK: Lieber Herr Winkelmann, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für das Interview nehmen! In Ihrem aktuellen Thriller „Die Karte“ ist die Corona-Pandemie bereits überstanden und findet nur noch am Rande Erwähnung. Wie haben Sie die Zeit während der Lockdowns privat und beruflich erlebt

AW: Da in den Lockdownphasen alle meine Veranstaltungen ausgefallen sind, habe ich den direkten Kontakt zu meinen Leserinnen und Lesern vermisst. Auch privat gab es kaum Austausch, dadurch fühlte ich mich wie eine Batterie, aus der ständig Energie abgezogen, aber nicht wieder aufgefüllt wurde.

BK: Als ich „Die Karte“ abends gelesen habe, fiel es mir anschließend tatsächlich schwer einzuschlafen und ich musste mich zunächst vergewissern, ob es meinen Angehörigen, die sich zu der Zeit gerade zufällig an einem der Schauplätze Ihres Buches an den Landungsbrücken aufhielten, gut ging. Der Thriller hält tatsächlich bis zur letzten Seite die Spannung. Wo finden Sie die Ideen für Ihre Bücher und haben Ihre Nachbarn manchmal Angst vor Ihnen?

AW: Ich wohne relativ einsam, alle Nachbarn sind weit weg, aber natürlich hat sich herumgesprochen, was für ein seltsamer Typ da draußen am Waldesrand lebt. Und so werde ich schon mal darauf angesprochen, warum in meiner Scheune am vergangenen Sonntag den ganzen Tag die Kreissäge lief, oder ob ich heute schon jemanden getötet habe. Ich mag das und habe Spaß daran, die Gerüchte zu unterfüttern.

Was die Ideen zu meinen Büchern betrifft, habe ich das große Glück, dass sie mich finden. Bisher habe ich noch keine Flaute erlebt, meist habe ich sogar mehr Ideen, als ich letztendlich in Bücher umwandeln kann. Dafür muss ich aber mit offenen Ohren und Augen durchs Leben gehen, alles aufnehmen, zwischen den Zeilen lesen und hören. Ein großer Vorteil ist, dass meine Fantasie wie ein Mixer funktioniert. Verschiedene Themen, die in keiner Verbindung zueinander stehen, werden ordentlich durchgerührt, und am Ende kommt etwas Neues dabei heraus.

BK: Auf einer Lesung in Zeven haben Sie einmal gesagt, dass Sie mit Ihrer Familie in einem kleinen Ort am Waldrand in Niedersachsen leben. Wie kommt es, dass Ihre Thriller um das Ermittlerduo Kerner & Oswald in der Großstadt Hamburg spielen und nicht in beschaulichen Dörfern mit Waldnähe, die einen düsteren Schauplatz bieten könnten?

AW: Ich liebe das Landleben und hatte zuvor eine ganze Reihe von Büchern geschrieben, die in diesem Setting spielen. Dann zog es mich in die Stadt, weil ich durch meinen Freund Markus Knüfken Hamburg besser kennenlernte. Wir sind dort nachts mit dem Kajak durch die Kanäle gefahren und das fand ich richtig gruselig. Daraus ist „Das Haus der Mädchen“ entstanden, und natürlich mussten Jens Kerner und Rebecca Oswald dann weiter in Hamburg ermitteln.

BK: Wird es weitere Fälle um das sympathische Ermittlerduo Kerner & Oswald geben?

AW: Mein nächster Thriller „Das Letzte, was du hörst“ erscheint ja am 14.06.22, und da Jens und Rebecca noch im Urlaub sind, lernen wir diesmal andere Protagonisten kennen.

BK: Es ist bereits in den Vorschauen zu lesen, dass in dem neuen Thriller ein Podcast eine besondere Rolle spielen wird. Wie kam es zu dieser Idee?

AW: Es lag eigentlich auf der Hand, einmal einen Thriller zu schreiben, der sich um das Thema Podcast dreht. Nicht so sehr, weil Podcasts gerade in sind, sondern weil ich mit „2 Verbrecher“ selbst einen Podcast entwickelt habe, mich also ein wenig auskenne mit der Materie.

BK: Hören Sie selbst gerne Podcasts und wenn ja, welche?

AW: Leider habe ich kaum Zeit, um Podcasts zu hören. Und ich gestehe, dass ich immer noch sehr gerne lese, ein Buch in der Hand halte, den Ohren Ruhe gönne und sogar ganz bewusst die Stille beim Lesen wahrnehme und genieße. Meiner Meinung nach können sich kreative Gedanken am besten in der Stille entwickeln.

BK: Sie schreiben auch unter den Pseudonymen Frank Kodiak und Hendrik Winter. Wie unterscheiden sich die Werke, die Sie unter den Pseudonymen veröffentlichen von denen, die Sie unter Ihrem Namen veröffentlichen?

AW: Bei „Die Antwort auf Vielleicht“ von Hendrik Winter handelt es sich um eine Geschichte, die auf wahren Ereignissen basiert, die ich in meiner Zeit als Krebstaxifahrer selbst erlebt habe. Es ist eine dramatische Lovestory.

Frank Kodiak ist mein düsteres Ich, er schreibt härter, wie ich finde, hält sich aber im gleichen Genre auf wie Andreas Winkelmann.

BK: Wie sieht Ihr Arbeitsplatz aus, an dem Sie Ihre Bücher schreiben? Gibt es eine Routine, die Sie im Schreibprozess einhalten?

AW: Mein Arbeitsplatz ist ein umgebauter Heuboden unter dem Dach eines alten Niedersachsenhofs von 1583. Ich kann aber auch unterwegs arbeiten, also in Hotels oder Zügen. Wenn ich aber zu Hause bin, setze ich mich morgens nach dem Hundespaziergang hin und tobe mich für drei bis vier Stunden kreativ aus. Dabei höre ich oft laut Musik, die der jeweiligen Szene angepasst ist.

BK: Sie haben im vergangenen Jahr zwei neue Thriller veröffentlicht und ein weiterer steht bereits in den Startlöchern. Gibt es Momente, in denen Sie nicht wissen, wie die Handlung weitergehen soll?

AW: Diese Momente gibt es. Und weil ich dann nicht irgendwie weitermachen will, im Zweifelsfall langweilig oder uninspiriert, stehe ich in solchen Momenten vom Schreibtisch auf und mache etwas Körperliches. Gehe laufen mit meinem belgischen Schäferhund Eddie oder hebe im Garten Gräber aus, damit die Nachbarn etwas zum Reden haben. Wichtig ist für mich dabei, nicht dumpf brütend herumzusitzen, sondern die Gedanken abzulenken.

BK: Wie gehen Sie mit Schreibblockaden um?

AW: Kenne ich nicht.

BK: Zusammen mit Romy Hausmann und Arno Strobel haben Sie eine Lesereise als „The Crime Pack“ geplant. Leider musste diese pandemiebedingt bereits zum zweiten Mal abgesagt werden. Wie kam es zur Gründung des Crime Packs? Können wir uns auf Nachholtermine freuen?

AW: Leider hat die Pandemie das Crime-Pack-Projekt gekillt. Der Veranstalter wollte die Tour auf 2023 verschieben, doch das ist bei mir nicht möglich.

BK: Im Herbst 2021 konnten Sie auch die Eröffnung von Ihrem eigenen Escape-Room an zwei Standorten in Deutschland (Köln und Bremen) feiern. Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit Team Escape und der Umsetzung des Escape-Rooms?

AW: Die Idee dazu hatte die großartige Andrea Luck aus dem Hause Rowohlt, und als sie mich darauf ansprach, war ich sofort begeistert und mit im Boot. Wir haben uns dann sehr eng mit den Profis von TeamEscape ausgetauscht – wegen Corona leider nur in Videomeetings – und zusammen die Story zu dem Escape Room „Am seidenen Faden“ entwickelt, die ja an mein Ermittlerpaar Rebecca Oswald und Jens Kerner angelehnt ist. So haben wir auch bis ins kleinste Detail die Ausstattung aus meinen Büchern entnommen, wie zum Beispiel einen Pokal, den Rebecca beim Wildwasser-Rafting gewonnen hat. Mir hat es sehr viel Spaß gemacht, auf diese Art meine Fantasie zum Leben zu erwecken und den Raum dann selbst zu spielen. Und der Raum läuft so gut, dass dieses Jahr noch zwei bis drei weitere Standorte hinzukommen.

BK: Haben Sie selbst literarische Vorbilder oder ein besonderes Lieblingsbuch?

AW: Ich kann mich nicht auf ein einziges Lieblingsbuch festlegen, muss an dieser Stelle immer mehrere nennen, da meine Interessen breit gefächert sind. So gehört Stephen Kings „Sarah“ dazu, aber auch „Into the wild“ von Jon Krakauer und „Der Schatten des Windes“ von Carlos Ruiz Zafón oder „Ismael“ von Daniel Quinn.

BK: Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch eine Frage stellen, die wir allen Gästen in der Bücherstadt stellen: Wenn Sie ein Buch wären, welches wäre es und warum?

AW: „Acht Berge” von Paolo Cognetti. Alles, aber auch wirklich alles in diesem Buch entspricht meinem Charakter.

BK: Vielen Dank für das Interview!

Michelle-Denise Oerding

Michelle-Denise Oerding

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