Aliens: Moderne Monster mit alten Wurzeln

von | 23.10.2019 | #Todesstadt, Kreativlabor, Specials

Gemeinsam mit einer Bande zotteliger Monster und weitgereister Aliens hat Worteweberin Annika ein Raumschiff bestiegen, um einen Abstecher ins „Star Trek“-Universum und ins Mittelalter zu machen. Können wir von den Außerirdischen vielleicht etwas lernen?

Sind Aliens Monster? Auf diese Frage würde man intuitiv wohl nur bedingt mit ja antworten, in Gedanken an besonders gemeine Außerirdische, die nichts weiter im Sinn haben, als die Erde zu zerstören oder Menschen zu töten, wie man sie aus den Filmen „Alien“ oder „Independence Day“ kennt. Die anderen – zum Beispiel die Besatzung des Raumschiffs Enterprise – erscheinen alles andere als monströs. Trotzdem gibt es einige Parallelen zwischen den Monstern, die man im Mittelalter kannte und die man vielleicht besser als Wundervölker bezeichnen könnte, und „handzahmen“ Außerirdischen wie Mr. Spok und seinen Freunden.

Monster im Mittelalter

In mittelalterlichen Erzählungen in fremden Ländern und in Kartendarstellungen am Rand der bekannten Welt beheimatet, erfüllten Monster und Wundervölker wichtige Funktionen für die mittelalterliche Gesellschaft. Das lässt sich schon an der Herleitung des Wortes „Monster“ von lateinisch monstrare („zeigen“, „deutend verweisen“) und monere („warnen“) erkennen. Meistens wurden Wundervölker als Teil der göttlichen Schöpfung gewertet, der dazu dienen konnte, die Schönheit und Vielfalt der Erde zu verdeutlichen. Sie sollten die Menschen dazu bringen, eigene Fehler zu erkennen und wurden teilweise auch als Vorzeichen für zukünftige Ereignisse verstanden. Eine andere Sichtweise begriff die körperliche Abweichung der Monster vom Menschen als Strafe für sündiges Verhalten, was mit verschiedenen Herleitungen aus der biblischen Geschichte verbunden wurde.

Die Bezeichnung „Monster“ findet sich in der gegenwärtigen Literatur und Populärkultur (abgesehen von der Verwendung als Metapher für verabscheuungswürdige Menschen – „Du bist ein Monster!“) vor allem in Medien für Kinder und Jugendliche. Dort sind Monster meistens fürchterlich, haben eigentlich aber positive Eigenschaften. Die Angst vor ihrem andersartigen Äußeren muss überwunden werden, um ihren freundlichen Kern zu erkennen. Ein Beispiel dafür ist das freundliche Monster in „Die Wahrheit über Monster“.

Fremde Wesen aus entfernten Galaxien

Normalerweise nicht als „Monster“ bezeichnet, kommen andere Gestalten den mittelalterlichen Wundervölkern heute sehr nahe. Wie ihre Vorgänger im Mittelalter wähnen wir nämlich gegenwärtig Aliens am Rande dessen, was wir mit unseren Technologien erfassen können: in den unerreichbaren Tiefen des Weltraums. Was bei Jules Verne noch der Mond und bis in die 1970er Jahre dann der Mars war, sind inzwischen weit entfernte Galaxien, in denen mal mehr, mal weniger menschenähnliche Wesen leben und auf die ein oder andere Weise mit den Erdlingen in Kontakt treten.

Aliens sind dann meist Stellvertreter für das Fremde und können etwa als Metapher für unterschiedliche Hautfarben oder andere soziologische Unterscheidungen eingesetzt werden. Das kann entweder bedrohlich sein, oder ein wünschenswerter Gegenentwurf zu unserer eigenen Lebensweise und Welt sein. Das erinnert schon etwas an monstrare und monere aus dem Mittelalter.

Wie im Mittelalter auch dienen außerirdische Gesellschaften zum Beispiel im Serien- und Filmuniversum „Star Trek“ als Spiegel für jeweils aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen. „Star Trek“-Erfinder Gene Roddenberry orientierte sich dabei an Jonathan Swifts „Gullivers Reisen“: Um Aussagen über aktuelle politische und gesellschaftliche Probleme so zu treffen, dass er sie an Zensoren vorbeischleusen konnte, verpackte er sie in eine Science-Fiction-Welt aus mehr oder weniger fremdartigen Außerirdischen.

Grün, schleimig, zottelig?

Im „Star Trek“-Universum sind viele Außerirdische sehr menschenähnlich gestaltet. So unterscheiden sich zum Beispiel die Vulkanier und die Romulaner äußerlich durch die Form ihrer Ohren, eine fahlere Erscheinung und die Stirnpartie vom Menschen, Bajoraner durch kleine Dächer auf dem Nasenrücken und Betasoiden eigentlich gar nicht. Das macht es den Zuschauerinnen und Zuschauern besonders leicht, sich mit den Fremden zu identifizieren.

In ihrer Konstruktion ähneln moderne Monster oft denen des Mittelalters, denn es werden Merkmale wie Zwerg- und Riesenwuchs (wie die Ferengi bzw. die Hirogen aus „Star Trek: Raumschiff Voyager“), Mischformen zwischen Mensch und Tier (zum Beispiel der Kelpianer Saru in „Star Trek: Discovery“ als ein Humanoid mit Hufen) oder zusätzliche Körperteile aufgegriffen. Hingegen finden sich auch neue Konstruktionsformen wie die Vermischung von Mensch und Maschine, wie beim Androiden Data in „Star Trek: The Next Generation“. Wahrscheinlich liegen diese Ähnlichkeiten zwischen Mittelalter und Moderne aber vor allem daran, dass die menschliche Kreativität nicht unerschöpflich ist.

Aliens als Vorbilder

Wie man an „Star Trek“, aber auch vielen anderen Medien, leicht erkennen kann, sind heutige Aliens meist keine Monster in dem Sinne, dass sie als haarige Zottelwesen Schrecken verbreiten, Kinder fressen und manchmal dann doch ganz lieb sind. Stattdessen fungieren sie in der Tradition der mittelalterlichen Wundervölker als Zeichen: Sie machen – nicht nur im „Star Trek“-Universum – vom Rande unseres Erfahrungsbereiches durch ihre Fremdheit auf gesellschaftliche Themen und eigene Fehler aufmerksam. Wir können von ihnen somit einiges mehr lernen als nur Klingonisch.

Forschungsliteratur:

  • Neue Welten. Star Trek als humanistische Utopie. Herausgeber: Michael C. Bauer. Springer. 2019.
  • Dialektik des Aliens. Darstellungen und Interpretationen von Außerirdischen in Film und Fernsehen. Mattrias Hurst. In: Von Menschen und Außerirdischen. Transterrestrische Begegnungen im Spiegel der Kulturwissenschaft. Herausgeber: Michael Schetsche, Martin Engelbrecht. transcript Verlag. 2008. S. 31-54.
  • Monster im Mittelalter. Rudolf Simek. Böhlau. 2015.

Filme und Serien:

 

  • Star Trek: Discovery. Regie: David Semel et al. Drehbuch: Akiva Goldsman u.a. Mit: Sonequa Martin-Green, Doug Jones, Anthony Rapp u.a. CBS. USA 2017.
  • Star Trek: Raumschiff Voyager. Regie: David Livingston u.a. Drehbuch: Jeri Taylor u.a. Mit Kate Mulgrew, Robert Beltran, Jeri Ryan u.a. Paramount Pictures. USA 1995-2001.
  • Star Trek: The Next Generation. Regie: Cliff Bole u.a. Drehbuch: George Clayton u.a. Mit Patrick Stewart, Jonathan Frakes, Brent Spiner u.a. Paramount Pictures USA 1987-1994.
[tds_note]Ein Beitrag zum Special #Todesstadt. Hier findet ihr alle Beiträge.[/tds_note]
Illustration: Geschichtenzeichnerin Celina
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