Aktueller denn je – Eine Ausstellung zum Comic-Journalismus

von | 01.08.2019 | Stadtgespräch

Bild: Sarah Glidden

Das Museum für Kommunikation in Berlin Mitte zeigt die Sonderausstellung „Zeich(n)en der Zeit. Comic-Journalismus weltweit“, die Geschichtenzeichnerin Celina und Geschichtenerzähler Adrian nicht verpassen wollten. Es ist eine Ausstellung des Deutschen Comicvereins e.V. in Zusammenarbeit mit dem Internationalen Comic-Salon in Erlangen.

Beim Eintreten in den Ausstellungsraum wird schnell klar, dass es sich um eine übersichtliche Ausstellung handelt. Es ist ein großer Raum, der durch Trennwände aufgeteilt ist. An allen Wänden des Raumes, bis auf einer, wo ein Beamer Videos an die Wand wirft, sind Comicauszüge verschiedener Künstler vergrößert angebracht. Zu jedem Comic wird eine kurze Künstlerbiografie geboten. Etwa bei der Hälfe des Rundgangs ist ein Tisch mit bereits verlegten und gebundenen Comicausgaben aufgestellt. Alle zu sehenden Comicgeschichten in der Ausstellung befassen sich mit journalistischen Thematiken, die im Comicformat erzählt werden.

Ein paar Beispiele

Recht nah beim Eingang befindet sich ein Comic von Joe Sacco, der unter anderem als Begründer der Comic-Reportage gilt. Er setzt sich in seinen Beiträgen mit ökologischen Fragen auseinander, gibt Menschen, die sonst nicht gehört werden, eine Stimme und greift deren Sicht auf. In seinem ausgestellten Comic geht er auf die Förderung von Erdöl beziehungsweise Ölsand ein und welche Konsequenzen diese mit sich bringt. Dies gibt er in detaillierten Schwarz-Weiß-Zeichnungen wieder.

Weiterhin lassen sich Auszüge aus Guy Delisles „Pjöngjang“ und „Shenzhen“ bestaunen. Dieser Künstler greift kritische Thematiken auf und stellt Diktaturen in Frage. Doch bei all dem kommt der Humor nicht zu kurz. Er schafft es, eine gute Balance zwischen Ernsthaftigkeit und Humor zu finden. Das spiegelt sich auch in seinen Zeichnungen wider.

In der Ausstellung kommen noch viele weite Künstler zu Wort. Auch Zeitschriften sind vertreten, wie „La Revue Dessinée“, das einzige Magazin für Comic-Journalismus europaweit. Auch aus dem US-amerikanischen Onlinemagazin „The Nib“ sind Comicbeiträge zu sehen.

Auszüge aus Guy Delisles „Pjöngjang“ und „Shenzhen“

Das wäre noch schön

Als irritierend empfanden wir die Videos. Nicht wegen ihrer Inhalte, sondern, weil sie die ganze Zeit liefen. Während man also in Ruhe lesen wollte, wurde man dauerhaft beschallt. Ebenfalls waren im Ausstellungsraum, bis auf einige wenige Stühle um den Tisch mit den Comic-Lese-Exemplaren, keine Sitzgelegenheiten vorhanden.

Wünschenswert wäre gewesen, dass vor den Videos auf der Leinwand ein Sofa oder ähnliches gestanden hätte und man sich die Videos mit Kopfhörern hätte anschauen und anhören können.

Ein weiterer Punkt ist, dass inhaltlich die Fragen danach, was Comic-Journalismus ist, welche Ursprünge dieser hat und warum er in Deutschland nicht so verbreitet ist, nur angeschnitten thematisiert werden. Zwar gab es eine Gesprächsrunde am 28.05.19 mit Expert*innen aus Comic und Journalismus, wo diese Fragen zur Diskussion standen, aber im Ausstellungsraum selbst ist davon nur wenig zu merken. Klar ist auch, dass es keine 100%igen Antworten auf diese Fragen gibt, aber durchaus richtungsweisende Aspekte.

Comic-Journalismus!?

In der angesprochenen Veranstaltung „Neue Erzählmöglichkeiten aus der ganzen Welt. Was kann Comic-Journalismus?“ waren Karoline Bofinger, Comicredakteurin bei der Zeitschrift „Le Monde“, sowie Lars von Törne, der Redakteur beim Tagesspiegel ist und viele Beiträge rund um Comics veröffentlicht hat, dabei. Der Journalist Augusto Paim arbeitet mit Zeichner*innen zusammen, um comicjournalistische Projekte zu verwirklichen. Er war mit der Comiczeichnerin Beatrice Davies anwesend. Beide haben bereits gemeinsam an einem Comic gearbeitet.

Es wurden Comicprojekte vorgestellt und auch von Erfahrungen berichtet, welche die jeweiligen Personen auf ihrem Gebiet in Bezug auf den Comic-Journalismus gemacht haben. Dabei wurde auch die Frage gestellt, was Comic-Journalismus ist und wer ihn überhaupt ausführen darf. Es kam vor Ort zu keiner Einigung, allerdings wurde anhand der unzähligen Beispiele ein Bewusstsein für die Vielfalt dieses Mediums geschaffen. Zudem kam aus unterschiedlichen Perspektiven zutage, dass der Comic-Journalismus hier in Deutschland immer noch nicht so anerkannt ist.

Durch ein scheinbar zu subjektives Auftreten und die geringe Nachfrage sowie fehlendes Verständnis von Lesenden der Zeitungen gibt es immer noch wenige Anlaufstellen und Finanzierungsmöglichkeiten von comicjournalistischen Projekten. Weiterhin wurde berichtet, welche positiven Eigenschaften der Comic-Journalismus mit sich bringt. Etwa, dass es möglich ist, von Orten zu berichten, wo sonst keine Fotos gemacht werden dürfen und den Lesenden somit sonst kein Einblick geboten werden kann. Diese Hintertür kann der Comic öffnen. Auch kann es für Lesende bereichernd sein, da es durch die Comicform möglich ist, sich stärker in die Charaktere und Atmosphären hineinzuversetzen.

Lohnt es sich?

Für uns hat sich die Sonderausstellung „Zeich(n)en der Zeit. Comic-Journalismus weltweit“ gelohnt. Sie ist zwar nicht riesig, aber gibt erstaunliche Einblicke in den Comic-Journalismus und somit in aktuelle und gesellschaftliche sowie politischen Themen.

Zeich(n)en der Zeit. Comic-Journalismus weltweit. Sonderausstellung. Museum für Kommunikation Berlin. 23.05.2019 bis 25.08.2019. // Regulär kostet der Eintritt ins Museum 6 €, ermäßigt sind es 3 €.

Fotos: Geschichtenzeichnerin Celina / Geschichtenerzähler Adrian

 

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