Ah! Hercule Poirot, mon ami! Wie schön, Sie wiederzusehen!

von | 14.01.2017 | Belletristik, Buchpranger

Hercule Poirot ist zurück! Eine der bekanntesten und beliebtesten Figuren der Queen of Crime (Königin des Verbrechens) hat eine neue Autorin gefunden. Sophie Hannah legt mit „Der offene Sarg“ bereits ihren zweiten Poirot-Roman vor. Zeilenschwimmerin Ronja wollte wissen, ob da, wo Agatha Christie draufsteht, auch Agatha Christie drinsteckt.

Inspector Catchpool erhält eine Einladung auf den Landsitz von Lady Athelinda Playford und trifft dort nicht nur auf eine bizarre Hausgemeinschaft, sondern auch auf seinen Freund Hercule Poirot. Schnell erkennen die beiden Ermittler, dass sie nicht ohne Grund eingeladen wurden. Mord. Das steht für Poirot schnell fest. Doch Mord an wem?
Beim Abendessen eröffnet Lady Playford ihren Kindern, dass sie sie enterben wird. Stattdessen soll ihr todkranker Sekretär alles bekommen. Die Empörung ist auf allen Seiten groß. Poirot weiß, der Mord steht kurz bevor. Bloß rechnet niemand damit, dass es ausgerechnet den Sekretär treffen würde.

Agatha Christie war eine fleißige Autorin. Seit Jahren bin ich dabei, ihre sämtlichen Kriminalromane und Kurzgeschichten zu lesen, und habe immer noch einige vor mir. Ein Ende ist natürlich dennoch absehbar. Wie schön ist es da, von einem „neuen Agatha Christie“ zu hören. Erfreulicherweise kann „Der offene Sarg“ wirklich als neuer Agatha Christie bezeichnet werden. Sophie Hannah ist – wie es in ihrer Kurzbiographie steht – eine „leidenschaftliche Verehrerin“ der Queen of Crime und das merkt man dem Roman an.

Poirot ist schrullig, eingebildet und genial wie eh und je. Den Fall löst er auf seine brillante Art und Weise und mit präziser Wortwahl. Poirots neuer Freund Catchpool ist Inspector bei Scotland Yard. Die beiden kennen sich wohl aus dem ersten Band von Sophie Hannah („Die Monogramm-Morde“), aber trotz kleinerer Hinweise ist der vorherige Fall zum Verständnis nicht nötig. Catchpool ist eine Art neuer Hastings, den Agatha Christie Poirot in den ersten Romanen zur Seite gestellt hatte. Er berichtet als Ich-Erzähler gewissenhaft aber auch emotional von den Geschehnissen und wundert sich nicht selten über die Eigenheiten seines genialen Freundes. Hannah trifft den Christie-Ton hervorragend, insbesondere durch die Beschreibung der Charaktere. Dabei kommt natürlich auch die Psychologie nicht zu kurz, denn ohne diese wäre dieser Fall weder sinnvoll noch aufzulösen.

Trotz aller Ähnlichkeiten besitzt der Roman aber auch etwas Eigenes. Die Sprache ist keine exakte Kopie und auch Poirot besitzt kleine Abweichungen von seinem ursprünglichen Charakter. Das ist wichtig und das ist gut so. Das einzige, was ein wenig stört an diesem Roman, betrifft die Auflösung. Ohne ins Detail zu gehen, kann ich nur sagen: Es bleibt unbefriedigend. Der Mord wird aufgeklärt, aber eine andere Frage nicht. Eine Frage, die am Ende fast noch wichtiger erscheint. Die Nicht-Beantwortung dieser Frage ist gewollt, da die Figuren die Antwort eben auch nicht mehr herausfinden können. Für mich als Leserin ärgerlich, aus der Sicht der Autorin eine geniale Entscheidung.

Poirot ermittelt und die Welt des Verbrechens erzittert. So kann es dank Sophie Hannahs Romanen weiter gehen. Agatha-Christie-Fans kommen auf ihre Kosten und auch wer Poirot noch nicht kennt, kann unbesorgt zugreifen und mit dem eigenwilligen aber liebenswürdigen Belgier miträtseln.

Der offene Sarg. Sophie Hannah. Übersetzung: Giovanni und Ditte Bandini. Atlantik Verlag. 2016.

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