Ästhetisierung des Elends

von | 14.12.2017 | Belletristik, Buchpranger

Arbeitslos, pleite, keine Perspektiven: Das ist die Protagonistin in Sophie Divrys Roman „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“. Worteweberin Annika hat sich von den wirren Stimmen im Roman ins Ohr säuseln lassen.

Zehn Tage vor Ende des Monats hat die vierzigjährige Autorin Sophie noch 17,70 € auf dem Konto und einen leeren Magen. Noch schlimmer kommt es im nächsten Monat, als die Sozialhilfe ausbleibt, weil Gehaltsabrechnungen und allerhand andere Dokumente fehlen. Von da an ist selbst das Geld für ein Paket Nudeln knapp. Da hilft nur an die Decke starren, Bücher verkaufen, sich bei anderen durchfuttern oder eben die Flucht in die eigene Fantasie. Zum Glück leisten ihr ein Teufel, ihre Mutter und andere Stimmen dort „Gesellschaft“ und so geht es hoch her. Ob sich dabei auch ein Ausweg auftut?

„Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ spielt innovativ mit Buchstabenkunst: Buchstaben tanzen aus der Reihe, fallen auf einem Häufchen zusammen oder bilden nach Art der konkreten Poesie zum Beispiel eine Bombe oder einen Phallus. Die Buchgestaltung wirkt sehr ansprechend, ebenso wie der Umschlag mit den ausgestanzten Teufelshörnern. Auch Wortschöpfungen und Bezüge auf Texte klassischer französischer (und in der Übersetzung außerdem deutscher) Literatur fallen ins Auge. Elemente wie die inneren Stimmen oder Auflistungen von Unterlagen für das Arbeitsamt sind überraschend, sowie auch Passagen, in denen sich die Figuren ihres Figur-Seins bewusst sind und um bessere Wendungen für die Geschichte bitten. Das alles ist unkonventionell und erstaunt beim Lesen.

So besiegen die Sprachspiele das Elend der Arbeitslosen, was jedoch dazu führt, dass der Inhalt des Romans hinter der Form zurück tritt. Die Geschichte um Sophie und ihren Umgang mit der Armut vermag nicht wirklich zu berühren oder Spannung zu erzeugen. Dennoch wird durch die Ästhetisierung von Sophies Misere einerseits Komik erzeugt, gleichzeitig aber auch die Kritik an der Gesellschaft deutlich.

Sophie Divry veröffentlichte in Frankreich bereits mehrere Romane, „Als der Teufel aus dem Badezimmer kam“ ist jedoch der erste, der ins Deutsche übersetzt wurde. In Frankreich wurde sie damit bereits für mehrere Literaturpreise nominiert.

Als der Teufel aus dem Badezimmer kam. Ein Improvisationsroman voller Unterbrechungen und ohne Anspruch auf Tiefgang. Sophie Divry. Aus dem Französischen von Patricia Klobusiczky. Ullstein. 2017. Hier gibt es ein Interview mit der deutschen Übersetzerin und der Buchgestalterin des Romans.

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  1. Hart, härter, das Leben – Bücherstadt Kurier - […] Leben ist eins der Här­tes­ten“ ist wie ein Witz ohne Pointe. Wäh­rend Autorin­nen wie Sophie Divry dem Elend durch…

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