Achtsamkeit für (Klein-)Kinder

von , , | 18.03.2022 | Bilderbücher, Buchpranger

Momente wahrnehmen, sie bewusst erleben, im Hier und Jetzt sein und sich der eigenen Gedanken, Emotionen und Körperlichkeit bewusstwerden: Das alles bedeutet Achtsamkeit. Dabei ist es nicht nur ein Trend und Hashtag bei Instagram, sondern auch schon für kleine Kinder eine wichtige Erfahrung, innezuhalten und sich des eigenen Bewusstseins klarzuwerden. Zwei unterschiedliche Kinderbücher zum Thema Achtsamkeit stellen Worteweberin Annika und Satzhüterin Pia vor.

„Schlafanzug-Yoga“ von Katharina E. Volk und Antje Flad

Namaste! Satzhüterin Pia macht seit Jahren „Gelegenheitsyoga“ und ihre zweieinhalbjährige Tochter findet es mit jedem Mal spannender, dabei zuzusehen und versucht auch gerne mitzumachen. Wie gerufen kam da das Buch „Schlafanzug-Yoga“, das Kindern im Kindergartenalter ein Abendritual näherbringen möchte, um zur Ruhe zu kommen. Die darin erzählte entspannende Fantasiereise wird durch „kinderleichte“ Übungen begleitet und sowohl in Worten beschrieben als auch in Bildern gezeigt.

Von Seite zu Seite reisen die Kinder durch die Geschichte, die ihnen die Eltern vorlesen können und ahmen die Übungen nach. Das funktioniert auch schon für unter Dreijährige gut – das tatsächliche Abendritual mit der entsprechenden Ruhe für die Geschichte und das Innehalten bekommen aber eher Kinder ab vier Jahren gut hin. Ein schönes Gimmick ist das Poster, das den Kreislauf der Übungen darstellt. So kann auch ohne Buch die abendliche Runde stattfinden.

Die Illustrationen sind niedlich und farbenfroh. So einige Details können die Kinder auf den Seiten entdecken – besonders kleine Tiere wie Mäuse, Schmetterlinge oder ähnliches. Die Motive selbst orientieren sich an den Übungen und deren Namen. „Der Tiger“ wird also in einer grünen Dschungelwelt gezeigt, „Die Robbe“ dagegen in einer frostigen Eisschollen-Umgebung. Das kleine Mädchen, das Betrachter:innen durch die Übungen und die Fantasiereise führt, befindet sich dabei immer auf einer gelben Yoga-Matte und am Rand der bunten Doppelseiten sind die Übungen als eine Art Notizzettel im Detail abgebildet und mit zusätzlichen Beschreibungen versehen.

Kinder können mit diesem Buch, das in Zusammenarbeit mit der zertifizierten Kinder-Yogalehrerin Kim Witt entstanden ist, lernen, innezuhalten und auch einfach mal ein paar Minuten richtig stillzusitzen. Nach einem anstrengenden Kindergartentag kann das sehr guttun. Vor allem aber kann es eine erste bewusste Körpererfahrung sein. Bei Kindern unter vier Jahren können da anfangs noch die einen oder anderen Knoten in Beine und Arme geraten, aber – typisch Kinder – die Kleinen lernen schnell!

Schlafanzug-Yoga: Kinderleicht zur Ruhe kommen! Katharina E. Volk, Antje Flad. Coppenrath. 2022. Ab 4 Jahren.

„Worte, die mich stark und mutig machen“

Übungen für mehr Selbstvertrauen verspricht das Bilderbuch von Becky Cummings mit Illustrationen von Anja Grote. Möglich gemacht wird das durch „Zaubersprüche“, kurze Mantras, die Kinder bekräftigen und im Jetzt verankern sollen. Aber wie genau funktioniert diese achtsame Bilderbuchmagie? Becky Cummings glaubt an die Kraft der Worte:

„Die Worte haben Superkraft!

Drum sage dir: „Ich bin …!“, und dann

ein starkes Wort, so fabelhaft,

dass es dich leuchten lassen kann!“

Nach Sätzen wie „Ich bin einzigartig!“, „Ich werde geliebt!“ oder „Ich entspanne mich!“ folgen gereimte Vierzeiler, die von passenden Illustrationen begleitet werden. Die Reime erfüllen unterschiedliche Funktionen: Teilweise sind sie nur bekräftigend, zum Beispiel, wenn es darum geht, dass das Kind wunderbar, innerlich schön oder liebenswert ist. Andere Seiten geben Kindern Tipps auf den Weg, wie zum Thema Entspannung, wo ruhiges Ein- und Ausatmen empfohlen wird. Auch die Doppelseite über Dankbarkeit funktioniert auf diese Weise. Hier wird empfohlen, für gutes Essen, liebevolle Menschen und fröhliche Erlebnisse dankbar zu sein, ein Schritt auf dem Weg zur Achtsamkeit. Diese Seiten sind meiner Meinung nach gelungen.

Anders sieht es für mich mit den Mantras aus, die über bloße Tipps hinausgehen und richtiggehend belehrend wirken: Sätze wie „sage DANKE stets und BITTE.“ gehören für mich nicht in ein Buch über Selbstvertrauen und Achtsamkeit. Noch weniger funktioniert für mich die Doppelseite unter dem Titel „Ich bin gesund!“, gleich aus mehreren Gründen. Einerseits ist auch diese Seite belehrend – und auch wenn gesunde Ernährung ein wichtiges Thema ist, passt es für mich nicht in diesen Kontext. Andererseits ist der Vierzeiler hier mindestens in der Übersetzung reichlich wackelig geraten.

„Gemüse, Obst, das isst du gern,

voll Lebenskraft vom Stiel zum Kern!

Stets Süßes macht dich schlapp, doch mit

viel Vitaminen bleibst du fit!“

Und: Wie wirkt das Mantra auf Kinder, die nicht gesund sind, sondern an schweren Krankheiten leiden und das Selbstvertrauen doch trotzdem nötig haben? Auf sie dürfte die Doppelseite eher ausgrenzend wirken. Auch das wirkt nicht ganz durchdacht.

Trotzdem ist das Bilderbuch bis auf einige Doppelseiten ein gutes Mittel, um mit Kindern ins Gespräch zu kommen und einen achtsamen Umgang mit sich selbst zu entwickeln. Becky Cummings stellt dem Buch einige Lesetipps voran, an denen man sich beim Vorlesen orientieren kann, wie zum Beispiel die Mantras mit Bewegungen zu kombinieren und Anschlusskommunikation zu führen. Das scheint mir nützlich, damit die „Zaubersprüche“ verinnerlicht werden. Auf der letzten Seite kann man schließlich noch ein Foto einkleben, um das Buch zu personalisieren.

Die Illustrationen von Anja Grote zeigen die Kinder oft in unterschiedlichen Situationen in der Natur. Sie sind schön farbenfroh geraten, hätten aber gerne noch diverser ausfallen können: Die meisten der abgebildeten Kinder sind weiß, nur auf einer Doppelseite ist eine Schwarze Mutter mit ihrer Tochter zu sehen. Auch Kinder mit Beeinträchtigungen sind nicht dargestellt.

Worte, die mich stark und mutig machen. Text: Becky Cummings. Aus dem Amerikanischen von Anna Taube. Illustration: Anja Grote. Loewe Naturkind. 2021. Ab 4 Jahren.

Bücherstadt Magazin

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